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Hans Scherb, Jg. 1934 


 

"Ein Sack voll Weizen"

Man schrieb das Jahr 1947.

Ich war damals 13 Jahre alt und hatte ständig Hunger. Das Ulmer Umland war durch uns Stadtmenschen - was Grundnahrungsmittel anbetraf - ziemlich ausgenommen und abgegrast. Es war - auch mit Tauschhandel - nicht mehr viel zu bekommen.

Da kam uns Buben die Idee, unser Betätigungsfeld über die Zonengrenze hinweg, zu erweitern. Dort - im ländlichen Raum, fern größerer Städte war wohl noch etwas zu "organisieren", wie wir hofften.

Die nächste Grenze zwischen der amerikanischen und französisch besetzten Zone war zwischen Dellmensingen und Stetten, rund 15 km entfernt. Der Vorteil für uns Jugendliche lag darin, daß wir erst ab 16 Jahren einen Personalausweis benötigten, also noch unbehindert über die Grenze gelangen konnten.

In der Zeit der großen Schulferien verdingte ich mich bei einem Landwirt in Stetten, dem nächstgelegenen Dorf jenseits der Zonengrenze. Dort hatte ich für sechs Wochen Kost und Logie und fiel außerdem als Esser am heimatlichen Tisch aus, was den anderen Familienmitgliedern zugute kam...

Der landwirtschaftliche Alltag nahm mich voll in Anspruch und ich war abends todmüde. Entsprechend schnell vergingen die Ferienwochen und am Ende dieser Zeit erhielt ich einen halben Zentner Weizen als Zusatzlohn für meinen Einsatz (mehr konnte ich nicht tragen).

Glücklich über den - wie mir schien - reichlichen Gewinn, fuhr ich mit dem Omnibus in Richtung Ulm. An der Zonengrenze kurz vor Dellmensingen fanden die üblichen Kontrollen statt, die uns Buben scheinbar nichts angingen.

Denkste! Dem untersuchenden Beamten - mittlerweile kontrollierte nicht mehr die französische Besatzungsmacht -sondern deutsche Landespolizei - fiel der bescheidene Rupfensack mit dem sauer verdienten Weizen auf. Ich mußte aussteigen und Rechenschaft ablegen. Mir fiel das Herz in die Hosen und ich muß wie ein armer Sünder - den Tränen nahe - dagestanden haben.

Ich glaube, ohne den Einsatz des mir bekannten Busfahrers wäre ich schwerlich aus dieser Situation herausgekommen.

Mit einem ernstlichen Verweis ließ mich der - inzwischen sehr sympathische Polizeibeamte - augenzwinkernd wieder einsteigen und ich holte tief Atem.

Der schwere Weizensack drückte mich die paar Kilometer zwischen Haltestelle und Elternhaus fast nicht mehr. Die anschließende Freude war groß.

Hans Scherb