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Thilde Battran, Jg. 1925

Einen Tag nach der Währungsreform - wie ich unfreiwillig zu einer Violine kam

Ort: ein 300- Seelendorf auf der Schwäbischen Alb - Schulhaus einer Einklassenschule, in der Schüler von der 1 .-8. Klasse von einer Lehrkraft unterrichtet wurden.

Montagmorgen, 21. Juni I 948 - l 0 Uhr, alle 65 Schüler von l -8 sind in Arbeitsgruppen eingeteilt, haben ihre Aufgabe ìn Stillarbeit übernommen. Ich arbeite mit den 7 Erstklässlern. Es klopft stark an der Schulzimmertür. Ich öffne. Vor mir steht ein stattlicher, schwarzhaariger Mann, Mitte 40. Er bittet mich, ob er den Schülern auf seiner Violone etwas vorspielen dürfe. Warum nicht? (Meine Künste im Geigenspiel werden wohl kaum ausreichen, um solches den Schülern zu bieten). Er packt seine Violine aus und spielt und spielt. Die Schüler staunen, was er auf diesem Instrument hervorbringt, sind sie doch alle nicht traurig über diese morgendliche Unterbrechung. Ob ich auch eine Violine besäße, fragt er mich. Sicher, ist meine Antwort. Ich hole sie aus dem Bücherschrank und er beginnt auch auf dieser Violine zu spielen. Ich stelle fest, daß er auf seiner ersten Violine viele klangvollere Töne herausgezaubert hatte.
Jetzt frägt er mich, ob ich ihm nicht 20 DM geben würde. Mein Kopfgeld, das ich tags zuvor erhalten hatte, bestand aus 40 DM. Was sollte ich tun? - Nun bot er auch noch seine Violine zum Tausch mit meiner an. Er habe doch keinen Pfennig neues Geld. Als Roma habe er kein "Kopfgeld" bekommen. Ich überlegte nicht lange, wollte ich ihn doch auch wieder bald los werden. So ging ich kurz entschlossen auf den Handel ein. Mit 20 neuen Mark und meiner alten Violine verließ er dankend das Schulzimmer. Ob er meine Violine im nächsten Ort auf dieselbe Art weitergehandelt hat, weiß ich nicht.
Ich war auf jeden Fall froh, daß ich ihn auf diese Art schnell los wurde und weiterarbeiten konnte. Das Schmunzeln der damaligen Achtklässler sehe ich heute noch vor mir. Ich glaube, sie hatten bemerkt, daß ich an diesem Morgen ziemlich Herzklopfen hatte.
Die Violine, die mir der Roma zum Tausch gegeben hatte, besitze ich heute noch.
 


Thilde Battran, Juli 1998