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Thilde Battran, Jg. 1925

Eine merkwürdige Begegnung an Himmelfahrt 1945

Das Klassenzimmer der Erstklassenschule im Dorf war am 20. April 1945 umfunktioniert worden. Ein deutscher Leutnant gab den Befehl, daß ab 21. April 1945 kein Unterricht mehr sei.

Ob die Schüler gejubelt haben? Ich glaube nicht. Der Krieg – die Front rückte ganz nahe. Nächtliches Artilleriefeuer war deutlich zu hören. Ich war also frei – ohne Schüler, ohne Schule und machte mich nützlich, wo es nötig war.

Dann folgten spannungsgeladene Tage und Nächte. Als dann die Front übers Dorf rollte – der Bürgermeister des Dorfes war mit einem weißen Tuch den Amerikanern entgegengelaufen, um großes Unheil abzuwenden – ging ein tiefes Aufatmen durch die Häuser. Endlich – der grausame Krieg war vorbei.

Kurz vor Himmelfahrt holte mich mein Vater im Dorf ab – 30 Kilometer Fußmarsch von Ulm. Die Familie sollte wieder vereint sein. Zusammen wanderten wir die 30 Kilometer über die Alb nach Ulm. Vaters Wanderstock war – wie immer – dabei; „für alle Fälle„ wie er meinte. Die Wanderung verlief problemlos bis zu dem Augenblick, als wir am Waldrand zwei Männer in Sträflingskleidung (gestreifter Anzug mit gestreifter Sträflingsmütze) begegneten. Vater faßte mich und seinen Stock kräftiger an. Die beiden Männer mußten uns den Schrecken angesehen haben. Sie sprachen uns freundlich an und erzählten, sie seien heute morgen aus einem Konzentrationslager bei Langenau entlassen worden. Jetzt sind sie auf dem Heimmarsch  nach Mannheim zu ihren Familien. Aber Verbrecher seien sie nicht. Sie seien Beide „Schwarzhörer„ gewesen. Deshalb seien sie verhaftet worden; denn ausländische Sender zu hören war im dritten Reich, besonders aber während des Krieges verboten und strafbar. Sie baten meinen Vater um den richtigen Weg und zogen pfeifend weiter.

Ob sie wohl gut bei ihren Familien gelandet sind? Hoffentlich.


Thilde Battran, Dezember 1998