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Thilde Battran, Jg. 1925

Taufe mit Hindernissen

Im Februar 1946 ist Bärbele im Großen Lautertal, in der französischen Besatzungszone geboren worden. Meine Freunde, ihre Eltern bitten mich, Taufpatin zu sein. Ich freue mich auf mein Patenkind, stricke und häkle alles aus Wollresten, was das Mädle brauchen könnte.

Aber wie komme ich dorthin? Ich selbst wohne in Ulm in der amerikanischen Besatzungszone. Zuerst beantrage ich einen Passierschein auf der Passierscheinstelle. (Nur zwei Tage möchte ich in der französischen Besatzungszone weilen). Endlich bekomme ich den Passierschein, – fristgerecht.

Nun erkundige ich mich nach der aktuellen Zugverbindung. Das Dorf im Großen Lautertal hat aber keinen Bahnanschluß. Der nächste Bahnhof ist Mehrstetten. Ich erfahre: Samstag morgen Abfahrt in Ulm um 6.00 Uhr. Nach 30 Minuten Ankunft in Schelklingen. Dort 6 Stunden Aufenthalt, bis ein Zug in Richtung Mehrstetten / Münsingen fährt. Nur wenige Kilometer fährt der Zug. Ankunft in Mehrstetten um 13.30 Uhr. Fußmarsch ins Lautertal - gegen 16.00 Uhr werde ich dann mein Ziel erreichen.

So kommt es dann auch. An jenem Samstag erreiche ich das kleine Dorf im Lautertal. Die Freude des Wiedersehens mit den Freunden ist groß. Das Bärbele ist ein herziges Nachkriegskind. Ich freue mich sehr auf die Taufe am Sonntag.

Die Taufe wird zu einem frohen Fest. Aber das anschließende Zusammensein steht unter dem Zeitdruck, daß ich bald wieder meinen Heimweg antreten muß. Kurz nach 12.00 Uhr am Sonntag heißt es wieder abmarschieren. Zuerst der Fußmarsch nach Mehrstetten, dann Abfahrt 14.00 Uhr. In Schelklingen Ankunft gegen 15.00 Uhr und dann wieder sechs Stunden warten, bis ein Zug nach Ulm fährt. Ankunft in Ulm gegen 22.00 Uhr. Eine Taufe mit Hindernissen – aber die Strapazen haben sich gelohnt – trotz mehrmaliger Passierscheinkontrollen


Thilde Battran, Januar 1999