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"Bombensplitter im Brennholz"

Ausgerüstet mit einer leistungsfähigen Kettensäge ziehen heutzutage sparsame Kaminbesitzer in den Wald, um kostengünstig Brennholz für die kommende oder übernächste Heizperiode zu besorgen.

In den Nachkriegsjahren war es wesentlich mühsamer, sich ausreichend Vorrat an Heizmaterial für den heimischen Herd zu beschaffen. Nicht nur die fehlende motorbetriebene Kettensäge, die meist durch eine muskelbetriebene Trummsäge ersetzt wurde, machte es mühsamer, die Baumstämme im Wald zu Sterholz und dieses zu Hause zu ofengerecht großen Holzklötzen zu zersägen.

Hierzu ein kurzer Bericht.

Aufgewachsen bin ich in einem kleinen Dorf in der Nähe von Kaiserslautern. Während des Krieges war die Bahnlinie und die weitgehend parallel verlaufende Straße von Kaiserslautern Richtung Westen (Zweibrücken und Saarland) das Ziel häufiger Luftangriffe. Dabei fielen auch zahlreiche Bomben in den angrenzenden Wald.

Die Baumstämme waren gespickt mit den Splittern dieser Bomben, die (glücklicherweise) ihr eigentliches Ziel verfehlt hatten. Während des Krieges und in der Nachkriegszeit war Brennmaterial knapp und viele nicht gerade wohlhabende Familien versuchten, ihren Bedarf zumindest teilweise als Selbstversorger zu decken. Mit Kuh- und Pferdefuhrwerken ging's in die nahegelegenen Wälder (häufig nur Frauen und Kinder, da die Männer und älteren Söhne noch in Kriegsgefangenenschaft waren) und die zugewiesenen bombengeschädigten Bäume wurden in mühsamer Handarbeit gefällt. Manchmal wurde auch mit Restbeständen von Sprengstoff "nachgeholfen", vor allem um auch noch die Baumstümpfe aus dem Boden zu bekommen.

Mit Sägen wurden die Stämme und größeren Äste in transportgerechte, etwa meterlange Stücke zurechtgeschnitten und auf die klapprigen Fuhrwerke mit eisenbereiften Rädern geladen. Auch kleinere Äste und die Zweige, z.B. Tannen- und Kiefern-Reisig, wurden mitgenommen, da sie besonders zum Anfeuern der Öfen gebraucht wurden; fast nichts Brennbares blieb mehr im Wald zurück. Auch kleinere Kinder trugen ihren Teil zum Versorgen mit Brennmaterial bei: sie sammelten Kiefern- und Tannenzapfen (im Pfälzischen als Hutzele bezeichnet), die ebenfalls zum Anfeuern dienten.

Nachdem die zersägten Stämme und Äste nach Hause geschafft und an trockenen Stellen in Hausnähe aufgestapelt waren, war als nächster Schritt das Zerkleinern in ca. 20 - 30 cm lange Klötze fällig (dickere Stämme wurde u.U. noch vorher mit Hilfe von Eisenkeilen und entsprechend schweren Hämmern aufgespaltet). Das Zerkleinern der Stämme und aufgestapelten Holzscheite mit der Handsäge war mühsam, zeit- und kraftraubend. Findige Schreiner und andere Bastler boten bald ihre Dienste an, indem sie mit ihren Säg-Maschinen von Dorf zu Dorf und von Hof zu Hof zogen und das aufgestapelte Holz in kurzer Zeit in ofenlange Stücke schnitten. Diese sog. Bandsägen waren recht empfindlich. Deshalb waren die Besitzer der Sägemaschinen verständlicherweise verärgert, wenn beim Zersägen wieder einmal ein Bombensplitter das Sägeblatt unbrauchbar gemacht hatte. Selbst wenn es nicht total ruiniert war, musste es nachgeschärft werden. Dies galt natürlich auch für die Handsägen, bei denen die nicht gerade kraftstrotzende Nachkriegsbevölkerung zwar schneller als der Maschinist reagieren konnte. Übrigens: auch die "handbetriebenen" Sägen wurden von ihren Besitzern oder freundlichen, geschickten Nachbarn oder Verwandten selbst nachgeschärft, was "dank" der Bombensplitter häufiger notwendig war, als es den genervten Sägern lieb war. Manchmal war man als Kind allerdings froh, wenn man wegen stumpfer Säge nicht mehr beim Sägen helfen musste, sondern mit einem "Lumpenball" Fußball spielen durfte (Gummi- oder gar Leder-Fußbälle waren in den Nachkriegsjahren eine absolute Kostbarkeit!).

Die heutigen kettensägenden Holzfäller treffen glücklicherweise nach mehr als 50 Jahren seit Kriegsende nur noch in seltenen Fällen auf "bombensplitterhaltige" Bäume und auch künftigen Generationen wäre dies überall auf der Welt zu wünschen.

Edgar Kiefhaber, 2002