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Eva Dege, Jg. 1938

Kriegsende in Suppingen

Meine Eltern mußten 1941 Rumänien verlassen, weil sie als Deutschstämmige von Hitler "Heim ins Reich" geholt wurden. Unser Weg führte uns über Polen nach Deutschland. Von Lahr, nach Ehingen und schließlich 1945 nach Suppingen.

Ich war 7 Jahre alt, kein Flüchtling, auch keine Einheimische, wieder einmal ein Niemand in einem fremden Dorf. Suppingen ist eine Ortschaft auf der Schwäbischen Alb, in der hauptsächlich Bauern wohnten. Meine Geschwister und ich waren zu dieser Zeit die einzigen Fremden. Meine ältere Schwester und ich mußten oft bei den Bauern in den umliegenden Dörfern ein bißchen Brot oder Wurst für unsere kleineren Geschwister erbetteln. Meistens wurden wir dann ziemlich unfreundlich behandelt und weggeschickt. Ich schämte mich so sehr.

Im April ’45 wurden die Amerikaner in Suppingen stationiert. Im letzten Haus Richtung Laichingen wurden die Eigentümer ausquartiert, und das Haus wurde von den Amerikanern besetzt. Dahinter begann die Französische Zone.

Man sagte mir, das sind Feinde, und sie wurden überall die "Amis" genannt. Ich war natürlich sehr neugierig auf diese Feinde. So oft wie möglich schlich ich um das Haus herum. Mit großen Augen musterte ich die Fremden: sie sprachen eine seltsame Sprache, von der ich kein Wort verstand. Sie lachten mich an, und zeigten dabei so strahlend weiße Zähne, wie ich sie vorher nie gesehen hatte. Ja, es lag sogar ein neuer Geruch in der Luft: irgendwie erfrischend und gesund. Bei uns roch es, wie bei den meisten armen Leuten, nach Kohl und Kartoffeln. Den Geruch hier konnte ich nicht einordnen, ich genoß es einfach.

Einer der Amerikaner gab mir etwas in die Hand. Einen etwas 10 cm langen weichen Streifen, der in glänzendes Silberpapier eingewickelt war. Der Amerikaner sagte etwas wie "Peppermint", und wickelte für sich einen dieser weichen Streifen aus, steckte ihn in den Mund und fing an zu kauen. Also machte ich es genauso.

Mein erster Kaugummi. Ich werde diesen frischen, fast scharfen Geschmack nach Pfefferminze nie vergessen. Es schmeckte sauber, neu und völlig ungewohnt. Und ich liebte es.

Dieser ersten Begegnung mit den Amerikanern folgten natürlich unzählige weitere. Die Amerikaner waren ständig von uns Kindern belagert, denn sie waren immer freundlich, lachten viel und schenkten uns Essen und Süßigkeiten. Manchmal bekamen wir Schokolade, aber am liebsten war uns natürlich Kaugummi.

Und noch heute ist für mich der Geruch von Pfefferminz-Kaugummi der Inbegriff für Amerikaner.


Eva Dege, Dezember 1998