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Liselotte Lieber, Jg. 1920 


 

Währungsreform- Endlich Schokolade

"50 Jahre DM" - das ist schon ein Grund, sich zu erinnern, wie es damals war.

Schon lange gab es Gerüchte und immer wieder tauchten Neuigkeiten auf, die sehr schnell wieder zerstoben. Aber unser Hausjurist wußte mehr. Er kam eines Tages mit dem Colm- Dodge-Goldsmith-Plan an - weiß der Kuckuck, durch welche Kanäle der gekommen war - und breitete ihn vor der Geschäftsführung aus. Ich durfte unter dem Siegel der größten Verschwiegenheit dabei sein.
So ungefähr sollte also die Geschichte ablaufen. Sie hat mich persönlich nicht besonders tangiert, Bargeld war nicht mehr viel vorhanden, dafür waren die Schwarzmarktpreise zu hoch und unser Haus stand sicher, wenn auch mit einigen Beschädigungen. Mein Gehalt in der Firma - es war eine Weinhandlung - war nicht sonderlich hoch, dafür gab es Deputate, also regelmäßige Leistungen als Teil des Gehalts in Naturalien, in diesem Fall Wein, Zigaretten, Zucker, alles begehrte Tauschobjekte.

Jedoch dieser Goldsmith-Plan hatte mich hellhörig gemacht, ich suchte eine andere Stelle und fand sie, sehr gut dotiert, im Mai 1948, sie brachte mir fast das doppelte ein. Das Gekukele wie diese Tauschgeschäfte auch genannt wurden, hatte dann endlich ein Ende. Mir kam dabei mein früherer Kollege Eugen J. in den Sinn, der sich gleich zu Beginn des Krieges ein Zimmer seiner Wohnung mit unglaublichen Mengen wertvoller Lebensmittel füllte, von denen er nur selten und zu hohen Preisen oder im Tausch etwas abgab. Zuletzt wollte niemand mehr seinen ranzigen Speck und die Uraltkonserven haben.

Die erste Gehaltszahlung in dem neuen Geschäft erlebte ich wie im Rausch. Immer wieder nahm ich die Geldscheine in die Hand und mein Kopf schwirrte vor Gedanken an Möglichkeiten und Wünsche. Meine Handtasche hatte ich fest unter den Arm gepreßt und ging zum Hauptbahnhof, wo die Schwarzhändler ziemlich offiziell ihre Waren anboten. Ich kaufte für 80.- DM Schokolade, eine Wahnsinnssumme. Englische Cadbury! Ein unglaubliches Gefühl, so etwas nun in der Tasche zu haben. Jetzt konnte doch meine Familie an diesem neuen Segen teilhaben. Ich packte die Riegel schnell ein und fuhr nach Hause. Voller Freude schüttete ich die ganze Ladung auf den Tisch, meine Eltern schauten etwas fassungslos auf diesen Schokoladenberg und wir wurden auf einmal ganz still, und auch meine Freude konnte diese Stille eine ganze Weile nicht unterbrechen.


Liselotte Lieber, November 1998