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Liselotte Lieber, Jg. 1920 |
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Die Fahrt ging an der Werra entlang. An einigen Punkten hielten wir an, um einen Blick "hinüber" zu werfen, zu der noch halb in den Fluß ragenden Brücke, auf die Wachtürme und die Grenzsoldaten mit ihren Hunden. Das Hinüberwinken blieb ohne Reaktion von der anderen Seite: das war streng verboten und zog Strafen nach sich. "Das ist eine stumme Geistergrenze - terrible", so der Kommentar unserer Gäste.
Der große Wagen mit dem französischen Kennzeichen fiel den Beamten des Bundesgrenzschutzes auf, die auf der westlichen Seite die Grenze kontrollierten, denn ständig trafen wir in der Nähe unserer Haltepunkte Beamte mit Funkgeräten, und als wir auf einem dicht an der Grenze stehenden Aussichtsturm weit ins Thüringer Land schauten, kam ein Beamter auf uns zu und bestätigte diese "Verfolgung". Ich erklärte ihm den Sachverhalt und er leitete uns per Funk entlang der Zonengrenze weiter bis zu einer kleinen Gemeinde, die in einer Baracke ein Informationszentrum für Besucher eingerichtet hatte, wo uns anhand von Filmen und Materialien ein überblick über die bestehenden Grenzeinrichtungen vermittelt wurde.
Die Franzosen waren erstaunt, wie auch hier mit deutscher Gründlichkeit die Dinge auf den Weg gebracht worden waren. Sie fühlten sich ziemlich verunsichert, sowohl durch die ständige Beobachtung von der anderen Seite als auch von den Warnungen, die von der westlichen Seite kamen, denn es war keineswegs ungewöhnlich, daß ein unachtsamer Schritt schon genügte, um von einem versteckten Grenzer verhaftet und abgeführt zu werden.
"Wie ist das alles möglich?" war die Frage unserer Gäste, auf die wir damals keine Antwort hatten.
Lieselotte Lieber, November1998