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Hans Scherb, Jg. 1934 


 

"Währungsreform 1948"

Geschichten über eine bevorstehende Geldentwertung waren schon einige Wochen vor dem Stichtag im Umlauf. Obwohl für die Reichsmark - außer in Verbindung mit Lebensmittelmarken oder Bezugsscheinen - fast nichts zu bekommen war, stieß das unfreiwillige Vorhaben auf breiten Widerstand. Man sprach von Abwertung der ohnehin spärlichen Guthaben und die Skepsis wuchs auch bei uns Schülern. Erst die Erläuterungen des Führers meiner Pfadfindergruppe führten dazu, daß die Reform nicht nur Negatives bringen mußte, sondern v. a. für junge Menschen der Weg in eine bessere wirtschaftliche Zukunft sein könnte. Zuvor blühten Schwarzmarkt und Tauschhandel. Die Ulmer Sedanstraße, die ich auf dem Schulweg überqueren mußte, war Zentrum dieser Handelsform. Man mußte nur etwas zum Tauschen haben. Das galt natürlich auch fürs Hamstern. Zu diesem Zweck wanderten wir Kinder in die umliegenden Dörfer und kamen nur manchmal mit gefüllten Taschen zurück. Im Herbst zuvor schwärmten wir aus, um Ähren zu lesen und Bucheckern zu sammeln. Dann kam der große Tag. Bereits am Samstag wußte man, daß die Ausgabe des neuen Geldes am nächsten Tag stattfinden sollte. Entsprechend war der Umtrieb in der Innenstadt. Wir versuchten, noch möglichst viel Reichs-Mark auf der Ulmer Sommermesse für entsprechende Vergnügungen loszuwerden. Viel war nicht zu machen, der Andrang war zu groß. Ich hatte von meinem Sportlehrer einen der begehrten Bezugsscheine über Turnschuhe ergattert und versuchte verzweifelt, an ein passendes Paar heranzukommen - vergebens.

Am 20.6.48 brachte dann der Vater - nach stundenlangem Anstehen - das neue Geld nach Hause und erklärte und, daß wir nun alle gleich wären. Aber schon der folgende Montag zeigte, daß andere anscheinend doch gleicher waren. In vielen Schaufenstern wurden wieder Waren angeboten, die wir Kinder nur vom Hörensagen kannten. Aber die 40 DM Kopfgeld reichten gerade für den Kauf von Lebensmitteln und notwendigsten Kleidungsstücken bzw. Schuhen. Ich erinnere mich noch, daß die Messe auf dem Münsterplatz um eine Woche verlängert wurde, damit die Händler und Schausteller den Abtransport ihrer Geräte und Buden bezahlen konnten.

Von nun an gings langsam bergauf. Die Lebensmittelmarken wurden nach und nach abgeschafft. Das Geld war wieder etwas wert, wenn es auch noch sehr knapp war. Grundnahrungsmittel, wie Fleisch, Brot, Butter und Zucker bleiben weiter rationiert. Ich erinnere mich noch wie ich - dank eines Neu-Ulmer Mitschülers - öfters an Brote herankam, die für bestimmte Markennummern in Bayern aufgerufen wurden, wovon man auf der Ulmer Donauseite nichts wußte. Da kam ich doch manchmal mit Brotlaiben bepackt über die Schillerbrücke und war in der Familie gut angesehen.

Meine ersten 10 DM habe ich in den Sommerferien in der Landwirtschaft verdient und kam mir beinahe vermögend vor.



Hans Scherb, November 1998