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 Stefan Schwob, Jg. 1930 


Familie Schwob, 1947; 
hinten Mitte: Stefan Schwob
Der Rest eines Kopfkissenbezugs

Auf der Rückfahrt aus der Steiermark nach Jugoslawien mit dem Pferdefuhrwerk, im Mai 1945, hat dieser Bezug mit Federkissen für mich und meine Geschwister 11, 7 und 3 Jahre gute Dienste geleistet. Zwanzig Tage waren wir unterwegs, solange dauerte diese Reise und solange durften mein Bruder und ich dieses Kopfkissen teilen.

"Zuhause" angekommen stellten wir fest, alles, was wir in Haus und Hof zurückgelassen haben, war weg, aber das war ja nicht einmal das Schlimmste, das kam noch.

Der Volksbefreiungsausschuß der Gemeinde gab uns bekannt, daß wir diese Nacht in unserem Haus verbringen dürfen und uns am nächsten Morgen mit kleinem Gepäck bereithalten müssen, man wird uns in die Kreisstadt in ein Sammellager für Deutsche bringen. Nach dem AVNOJ-Beschlüssen (Antifaschistischer Rat der Volksbefreiung Jugoslawiens) wird das Vermögen aller Deutscher konfisziert und den Deutschen alle staatsbürgerlichen Rechte aberkannt. Wir waren vogelfrei, wir und alles was wir anhatten, gehörte dem Staat.

Was sollten wir mitnehmen? Dieses Kopfkissen mit karriertem Bezug mußte mein Bruder tragen, ich bekam eine Kinderdecke, eine 2l-Milchkanne mit Proviant und darin zwei Messer und zwei Löffel. Vater und Mutter mußten frei sein, um meine kleinen Schwestern zu tragen. Bei Nacht lagen vier Kinderköpfe auf dem für uns so wichtigen Kopfkissen. Die zwei Kleinen wurden mit der Decke zugedeckt und wir mit dem, was wir anhatten.

Nach dem Sammellager kamen wir ins Vernichtungslager Tenje, wegen Überfüllung nach Josefsdorf, auch hier war es überfüllt und wir kamen in das Vernichtungs- und Arbeitslager nach Valpovo an der Drau. Das Essen - das war gar kein Essen, es hat diesen Namen gar nicht verdient, bestand aus Bohnensuppe, Erbsensuppe, Kartoffelsuppe, die hauptsächlich aus Wasser bestand. Brot gab es ein kleines Stückchen pro Tag aus Mais- und Gerstenschrot und das alles ohne Fett und Salz. Am Morgen gab es Schlehdornen- oder Eichenrindentee natürlich ohne Zucker. In diesem Lager verhungerte der Sohn meiner Cousine mit 2 Jahren und die Tochter einer Nachbarin mit 1 Jahr.

Verschickt wurden wir zur Arbeit auf eine Ziegelei nach Donji-Miholjac, ich mußte wie ein Erwachsener mitarbeiten und das ganze ohne Bezahlung. Danach das Hungerlager Krndija mit dem gleichen Fraß wie in Valpovo.

Hier waren 3000-4000 Menschen in einem ehemaligen rein deutschen Dorf eingesperrt. Pro Tag starben 10-15 Personen, am Morgen mußte man sie vor das Haus legen, bevor sie in einem Massengrab verscharrt wurden. Meine Großmutter, viele Bekannte und Nachbarn verhungerten hier, insgesamt 17 Personen aus unserem Dorf. Es sei nur betont, daß die Vernichtung nach Ende des 2. Weltkriegs geschah und nur deshalb, weil wir Deutsch waren. Nun schickte man uns 1946 wieder zur Arbeit in die Hanffabrik in unserem Heimatort, natürlich wie Sklaven ohne Lohn.

Danach schickte man uns wieder auf ein landwirtschaftliches Staatsgut, das aus den Feldern enteigneter deutscher Bauern errichtet wurde, wo wir auf drei Jahre zwangsverpflichtet wurden. Am Anfang gab es nur Naturalien, erst später Lohn und Naturalien, die Hungerzeit war endlich vorbei. Unser Kopfkissen mit dem weiß-blauen Bezug hat mit uns den ganzen Schicksalsweg geteilt, auch weiterhin mußten es mein Bruder und ich teilen, denn wir hatten noch lange nicht für jeden ein Bett.
 
 

Wir haben ein Foto Ende 1947 von der ganzen Familie machen lassen, um sich bei meinem Onkel in Argentinien und beim Onkel in Chicago für die Kleider, die wir anhaben zu bedanken. Sie schickten uns damals einige Pakete.


Stefan Schwob, 27.11.1998