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Hermann Stark, Jg. 1929


Foto von 1947

 

Wie ich vor 50 Jahren die Währungsreform erlebte

Von 1938 bis 1949 erfuhr ich drei vollständige Geldentwertungen und drei Geldumtauschaktionen. Die Währungsreform von 1949 ist mir am besten in Erinnerung.
Am Freitag, den 18. Juni 1948 , wurde für die drei westlichen Besatzungszonen die Währungsreform verkündet und am darauffolgenden Sonntag und Montag, den 20. und 21. Juni 1948, durchgeführt Diese Tage hatten für meine Eltern und mich keine Bedeutung, denn wir lebten damals in der sowjetischen Besatzungszone. Dorthin waren wir durch Vertreibung aus unserer sudetendeutschen Heimat, in der unsere Vorfahren 800 Jahre lang lebten, umgesiedelt worden. Die Militärregierung der sowjetischen Besatzungsmacht verfügte am 23. 6.1948 nunmehr auch für ihren Einzugsbereich eine Währungsreform.

Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich mit meinen Ausweisen, auch mit den Ausweisen meiner Eltem, das Kopfgeld, bzw. den Umtauschbetrag in einer der provisorisch eingerichteten Umtauschstellen einwechselte. Ich beobachtete, wie Leute aus der einheimischen Bevölkerung gegen Quittung hohe Geldbeträge in Reichsmark einbezahlten. Wir merkten bald, daß die neue "Ostmark" in ihrer Kaufkraft nicht besser als die alte Währung der Reichsmark war.

Es gab auch nach der Währungsreform in der Ostzone nichts Nennenswertes, was man ohne Lebensmittelkarten oder Bezugsscheine kaufen konnte. Diese Währungsreform in der sowjetischen Besatzungszone hatte für meine Eltern und mich keine nachteiligen Auswirkungen da wir durch die Vertreibung im August 1946 weder über Reichsmarkvermögen in bar noch über Anlagevermögen, etwa in Sparbüchern, verfügten.

Durch die Vertreibung im August 1946 aus dem Egerland (Sudetenland) in die sowjetische Besatzungszone, hatten meine Eltern und damit auch ich nicht nur Grund- und Hausbesitz verloren sondern darüber hinaus wurde unser gesamtes Barvermögen und alle Buchwerte, wie Sparbücher, beschlagnahmt.
Im August 1949 erfolgte mein Übertritt von der Ostzone in die Westzonen. So erlebte ich von 1938 bis August 1949 in meinem bisherigen 20 jährigen Leben innerhalb von 11 Jahren:

3 vollständige Geldentwertungen und
3 Umtauschaktionen in neue Währungen.

Im einzelnen waren dies:

1) 1938 Umtausch der Tschechenkronen in Reichsmark, aufgrund des Münchener Abkommens, das den Anschluß des Sudetenlandes an das deutsche Reich bewirkte.

2) 1945 Umtausch der Reichsmark in Protektoratsgeld. Die Höhe des Kopfgeldbetrags ist mir nicht mehr er innerlich. (Das Protektoratsgeld war die Ersatzwährung der Tschechenkronen ab März 1939, bedingt durch die widerrechtliche Besetzung von Böhmen und Mähren: "Rest-Tschechei" durch die Deutsche Wehrmacht bis Mai 1945 und Errichtung eines Protektorats.)

3) Sommer/Herbst 1945: Umtausch der Protektoratswährung in eine neue tschechoslowakische Währung.

4) Im August 1946 erfolgte unsere Vertreibung aus dem Egerland/Sudetenland mit der Beschlagnahme aller Reichsmarktbeträge in Bar- und Buchwerten, wie der nicht verbrauchten Tschechenkronen., die ebenfalls nicht ausgeführt werden durften.

Für den Anfang in Deutschland gab es pro Person einen einmaligen Betrag von 500.- Reichsmark

5.) 23. 6.1948: Wãhrungsreform in der sowjetischen Besatzungszone

6.) August 1949: Mein Übertritt von der Ostzone in die Westzonen (amerikanische, englische und französische Zone). Umtausch der Ostmark in Westmark zu einem relativ ungünstigen Umrechnungskurs.

Am 7. September 1949 treten der Bundestag und der Bundesrat zu ihrer ersten konstituierenden Sitzung in der Nähe von Bad Godesberg zusammen. Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits in einem Dienstverhãltnis als Knecht. Es war eine Übergangslösung vor dem Neubeginn. Wie Millionen anderer Flüchtlinge, Heimatvertriebener und Bombengeschãdigter kãmpfte ich damals um das nackte Überleben. Das neue Geld, die "DM", betrachtete ich als siebte Episode in der Reihe der seit Herbst 1938 erlebten Schicksalsschläge: "Umtausch-Enteignung-Entwertung".

Persönlich konnte ich 1949/50 an die neue Wãhrung keine Erwartungen knüpfen, da ich als 20/21-Jähriger von Währungs- und Geldangelegenheiten nichts verstand. Wie wir heute wissen, war Wirtschaftsminister Ludwig Erhard nach der Währungsreform und der Freigabe der Preise vielen Anfeindungen ausgesetzt. Seine Gegner, das ist der politische Aspekt der Wãhrungsreform, setzten weíter auf die Bewirtschaftung des Mangels, auf staatliche Investitionslenkung und bürokratische Steuerung der Wirtschaftsprozesse.

Großzügige Hilfe aus den U.S.A erleichterte jedoch die Übergangsschwierigkeiten der jungen Bundesrepublik nach der Wãhrungsreform. In der franzõsischen Besatzungszone wurden erst 1949 die Preiskontrollen aufgehoben, leider zum großen Nachteil der Bevölkerung.

Im Jahre 1999 werde ich wieder vor einer Wãhrungsumstellung stehen. Der neuen Wãhrung, dem "EURO", sehe ich dann mit meinen nun 70 Jahren gelassen und in Ruhe entgegen, weil ich inzwischen "mein Haus" bestellt habe.
 


Hermann Stark, Juli 1998