…sie bauten eine Kathedrale
ein
Jugendsachbuch von David Macaulay
von Lore Wagener
nicht nur für Jugendliche
Dieses Buch halte ich schon
länger für eine gute Geschenkidee, mit der man Teenies erfreuen kann.
Es ist ein Sachbuch, aber zugleich auch ein Geschichts- und Kunstbuch,
das den Bau einer gotischen Kathedrale beschreibt. Es eignet sich auch
zum Vorlesen für jüngere Kinder, die Fans von Baustellen sind.
Erwachsene profitieren ebenfalls von der Lektüre, denn das Buch enthält
viele Hintergrundinformationen zu Bauweisen, Werkzeugen und typischen
Bauelementen der Gotik.
Der Autor schreibt klar und verständlich und illustriert den gut
übersetzten Text mit Federzeichnungen, die den Baufortschritt aus
unterschiedlichen Perspektiven sehr anschaulich zeigen.
Die Kathedrale und auch die Personen sind fiktiv. Die Schilderung
entspricht aber in allen technischen Einzelheiten den mittelalterlichen
Zuständen. Vielleicht ist die 86jährige Baugeschichte etwas zu glatt,
denn Kriege, Pest und wirtschaftliche Nöte haben ja so manchen Bau in
der Realität verzögert.
Die Bauleute
Das Treiben auf den Baustellen fesselt besonders die jungen Fans.
Meine kleinen Großneffen verharren oft begeistert davor und bewundern
Bagger und Kräne.
Interessant war das Treiben im MA auch, obwohl es solche Hilfsmittel
nicht gab. Man benutzte Flaschenzug und Seilwinde, musste sich im
Übrigen auf die Geschicklichkeit und Muskelkraft der Bauleute verlassen.
Diese stellt Macaulay bei ihrer Arbeit vor: Der adelige Baumeister war
für Baupläne und -leitung verantwortlich. Seine Handwerksmeister waren
Könner ihres Gewerbes, hatten ihre eigenen Bauhütten und beschäftigten
viele Gesellen und Lehrlinge.
Man setzte daneben ungelernte Arbeiter aus der Umgebung ein, die
sich ihren Tagelohn mit schwerer körperlicher Tätigkeit, z.B. als
Lastenträger oder Windenknechte, hart erarbeiten mussten.
Aber auch die Arbeit der „gelernten“ Leute war körperlich schwer. Jeder
Stein war von Hand behauen und jede Glasscheibe mundgeblasen und die
Höhe der Gerüste war oft atemberaubend.
Die gotische Bautechnik
Macaulay
beschreibt, wie der Bau aus unzähligen handgefertigten Einzelteilen
zusammengefügt wird, als wäre er ein gigantisches Puzzle. Man erkennt,
dass ein solcher Bau eine große logistische Leistung war.
Die Vorbereitung der Einzelteile, z.B. der vielen Steine für Fundament,
Pfeiler und Maßwerk, die Präzisionsarbeit der Steinmetze, wird ebenso
beschrieben wie die verantwortungsvolle Tätigkeit der Mörtelmischer und
der Maurer, deren Gerüste zuletzt in großen Höhen an den Wänden hingen
Der Gerüstbau, den die Zimmerleute übernahmen, war damals besonders
wichtig. Macaulay stellt ihn in vielen Zeichnungen vor. Man erfährt auch
etwas über die Lehrgerüste, mit denen die typischen Strebebögen
gefertigt wurden, und über viele andere Bautechniken der Gotik. Ich fand
z.B. die Beschreibung der Glasbläserei und der Einwölbung der Decke
besonders spannend. Nebenher lernt man dann noch einige Fachbegriffe und
gewinnt mehr Verständnis für den gotischen Baustil.
Der Autor
David Macaulay wurde 1946 in England geboren. Als Elfjähriger zog er
mit seinen Eltern in die USA, wo er in New Jersey aufwuchs. Er besuchte
die Rhode Island School für Design und erhielt dort einen Bachelor in
Architektur. Er studierte dann fünf Jahre in Rom, Herculaneum und
Pompeji. Im Anschluss daran arbeitete Macaulay kurze Zeit als
Innenarchitekt und High-School-Lehrer, begann dann aber erfolgreich mit
der Schriftstellerei. Das hier besprochene Buch war sein erstes Werk und
erschien 1973.
Der Autor schrieb und zeichnete eine ganze Reihe erfolgreicher Bücher,
die in viele Sprachen übersetzt wurden. Für das hier besprochene Buch
erhielt er den Deutschen Jugendliteraturpreis. Er lebt heute mit seiner
Familie in Rhode Island.
Das Buch „Sie bauten eine Kathedrale“ ist im Deutschen
Taschenbuch Verlag erschienen und kostet 7,50 €. Gebunden ist es zuletzt
2000 im Patmos Verlag herausgegeben worden und wird aktuell zum Preis
von 16 € im Internet angeboten.
Links
Bereichert durch neue Erkenntnisse über Lichtgaden und Strebebogen
wäre es vielleicht sinnvoll, eine reale Kathedrale unter bautechnischen
Gesichtspunkten anzuschauen. Dazu bieten sich im Web auch kleine Videos
an.
Lexitv hat Informationen über Baumeister sowie einen
virtuellen Rundgang durch den Kölner Dom auf seiner Seite
www.lexi-tv.de/lexikon/thema.asp?InhaltID=1519
Ulm-Video einen Rundgang durch das Münster
www.youtube.com/watch?v=uWI2s_0FFO0
einige Zeichnungen von Macaulay aus dem besprochenen Buch findet
man auf dieser spanischen Site
www.lmc.ep.usp.br/people/hlinde/Estruturas/constru3.htm
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