Wie alles begann
Bauernsteinzeit in Norddeutschland
von Anne Pöttgen
„Die klassische Quadratmeile
der Archäologie“ war im Frühjahr 2003 mein Ziel. Mittelpunkt ist der Ort
Albersdorf, Dithmarschen. Meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht,
einige der bekanntesten Kulturdenkmäler der Vorzeit ließen sich im
Umkreis von Albersdorf leicht erreichen. Aber ich entdeckte auch etwas
ganz Anderes; das Projekt „Archäologisch-Ökologisches Zentrum Albersdorf
(AÖZA).
Das Projekt arbeitet unter dem Motto „Natur – Kultur – Geschichte“
daran, für seine Gäste die Jungsteinzeit lebendig zu machen. In erster
Linie als Landschaft: Steinzeitwald statt Maisacker; aber auch durch
Vermittlung von Überlebenstechniken der Menschen während der
Bauernsteinzeit – so wird die Jungsteinzeit hier im Norden genannt.
Ganz neu: Hausbau
Langhaus; eigenes Foto
Das Gelände des Archäologisch-Ökologischen Zentrums Albersdorf umfasst
etwa 40 ha. Vorhanden waren zu Anfang die Großsteingräber, also die
Häuser der Toten. Das wurde schnell anders, als man die Landschaft
veränderte, alte Haustierrassen ansiedelte und mit dem Bau von Häusern
begann. Befunde, also Grundrisse, gab es hier am Ort nicht, es wurden
Vorarbeiten von anderer Stelle zu Rate gezogen. Ausführliche
Beschreibungen von Planung und Bau der Langhäuser finden sich auf der
Website des Zentrums, ein Link dazu im letzten Abschnitt.
Dass zum Bau eines Hauses Bäume gehören, ist einleuchtend. Wie aber
schlägt man Bäume mit einem Durchmesser, der Stabilität für das Haus
verspricht, wenn man in der „Stein“zeit lebt. Mit einer Axt, wie noch
vor nicht allzu langer Zeit auch bei uns. Aus Stein natürlich. Über die
Herstellung einer solchen Axt oder eines Beils wird im „Fund des Monats“
berichtet, Link dazu ebenso weiter unten.
Inzwischen gibt es ein kleines Steinzeitdorf.
Tätigkeiten rund ums Haus
Aber nicht nur die Axt wurde in der Jungsteinzeit erfunden. Hacke, Pflug
und Sichel waren für Anbau und Ernte von Getreide erforderlich. Und wie
macht man eine Sichel aus Stein? Man stellt kleine scharfe Messerchen
her und fügt sie in einen sichelförmigen Ast ein. Und woraus stellt man
kleine scharfe Messer her? Aus Feuerstein, auch Flint genant.
Steinmesser, 4,5 cm; Foto Privatsammlung
Zu Mehl verarbeitet wurden die Getreidekörner mit Hilfe von
Mahlsteinen so genannten Reibmühlen. Zur Vorratshaltung dienten
Tongefäße, die zu dieser Zeit noch als Aufbaukeramik hergestellt wurden:
Man hat dazu Tonwülste spiralförmig aufeinander gelegt und mit feuchten
Händen glatt gestrichen.
Felle wurden zu Kleidungsstücken verarbeitet, die Wolle der Schafe schon
damals gesponnen. Nadeln wurden aus Knochensplittern hergestellt.
All diese handwerklichen Tätigkeiten werden im Steinzeitdorf der AÖZA
mit Besuchergruppen geübt.
Großsteingräber
Der Brutkamp in Albersdorf, eigenes Foto
Einig sind die Gelehrten sich nicht, was die Technik beim Bau der
Großsteingräber betrifft. Klar ist aber, dass erheblicher technischer
Sachverstand erforderlich war, um z.B. einen Deckstein (das Dach des
Grabes) mit einem Umfang von 9,80 Metern und einem Gewicht von knapp 23
Tonnen auf die Randsteine zu heben.
Auch über den Transport der Steine zum gewünschten Ort gibt es
unterschiedliche Theorien, so soll man sie über Rollen aller Art bewegt
haben – Baumstämme, Kugeln, Eis oder sogar Fett. Ein Link zum Thema im
letzten Abschnitt.
Teil eines internationalen Projekts
Das AÖZA besteht seit 1997, Projektleiter ist Dr. Rüdiger Kehm. Mit ihm
zusammen arbeiten pädagogisch, archäologisch und umweltgeschichtlich
qualifizierte Mitarbeiter, genannt Steinzeitbetreuerinnen und
Steinzeitbetreuer. Das Projekt ist vom Ministerium für Bildung,
Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein als
Regionale Pädagogische Umwelteinrichtung anerkannt, die finanzielle
Förderung erfolgt aber allein durch die Gemeinde Albersdorf. Bei einem
Etat von 25.000 Euro ist das Projekt natürlich darauf angewiesen, dass
in erster Linie ehrenamtlich gearbeitet wird.
Das AÖZA ist Teil eines internationalen Projekts, das sich mit der
Erforschung und nachhaltigen Entwicklung von Kulturlandschaften befasst.
Was in diesen einzelnen Projektteilen erarbeitet wird, kann über den
Link im letzten Abschnitt nachgelesen werden.
Links
Puristen werden einwenden, dass das Nachbauen von Häusern und das
Arbeiten mit Flint und Ton und Wolle nach alten Methoden
Disneylandniveau ist. Möglich Aber ich persönlich spüre, dass es meiner
Fantasie auf die Sprünge hilft, wenn ich ein Haus betreten und das
Raumgefühl einer früheren Zeit erleben kann. Und was ich mit den Händen
ergreifen kann, das begreife ich auch.
Das AÖZA:
http://aoeza.kulturnetz-sh.de/index.html
Das internationale Projekt:
www.pcl-eu.de/indexde.php?chlang=1
Hausbau in der Jungsteinzeit
www.pcl-eu.de/virt_ex/detail.php?entry=01
Herstellung von Axt oder Beil
http://aoeza.blogspot.com/2007/02/fund-des-monats.html
Großsteingräber:
www.huenengraeber.de/intro.html (dann dort unter Geschichte)
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