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Zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion
                                      von Hildegard Neufeld
Mehr als eine halbe Million deutsche Männer, Frauen und Jugendliche wurden 1944/45 als „lebende Reparationen" in die Sowjetunion verschleppt, um zur Wiedergutmachung der Kriegsschäden beizutragen. Sie mussten jahrelang unter schweren Bedingungen Zwangsarbeit leisten.
Der Beschluss von Jalta
Auf der Konferenz von Jalta, die vom 4. bis 11.Februar 1945 unter Vorsitz von Churchill, Roosevelt und Stalin stattfand, wurde auch über die von Deutschland zu leistenden Reparationen verhandelt. Stalin forderte neben den Reparationszahlungen Deutschlands auch Arbeitsleistungen deutscher Menschen.
In einem Protokoll vom 11.Februar 1945 wurde festgelegt, dass neben den Lieferungen aus der Demontage deutscher Industrien sowie aus der laufenden deutschen Produktion auch „Reparations in kind" zu leisten seien. Das bedeutete, dass die von Deutschland zu erbringenden Reparationsleistungen auch die Deportation deutscher Arbeitskräfte in die Sowjetunion mit einschlossen.
Die Verschleppungen deutscher Zivilisten in die Sowjetunion hatten allerdings ohne Wissen der Alliierten bereits vor der Jalta-Konferenz begonnen.

Die Reparationsverschleppten
Die Deportationen begannen bereits um die Jahreswende 1944/45. Zuerst war es die arbeitsfähige deutsche Bevölkerung aus den deutschen Minderheitsgebieten in Südosteuropa, die von den sowjetischen Einheiten - in Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden - erfasst und zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion verschleppt wurde. Von der Deportation betroffen waren arbeitsfähige Männer im Alter von 17 - 55 und Frauen im Alter von 18 - 32 Jahren. Diese Altersgrenzen wurden jedoch nicht immer eingehalten, und so befanden sich unter den Verschleppten auch Kinder und ältere Menschen.
Die größte Gruppe der deportierten deutschen Zivilisten stellten Frauen und Männer aus Ost- und Westpreußen sowie aus Pommern, Schlesien und dem Karpatenraum. Sie wurden zumeist ins Uralgebiet, nach Sibirien, aber teils auch ans nördliche Eismeer verschleppt.

Die Organisation
Die Deportation der deutschen Männer, Frauen und Jugendlichen war von der obersten Sowjetführung organisiert und wurde durch die Heeresgruppen der Roten Armeen durchgeführt. Jede der vier sowjetischen Heeresgruppen hatte ein etwa gleich hohes Verschleppungssoll zu erfüllen. Es galt, eine möglichst große Zahl arbeitsfähiger Deutscher für den Arbeitseinsatz in der Sowjetunion zu erfassen und in die für die Aufnahme vorgesehenen Arbeitslager zu transportieren. Die Fahrt der Deportierten in den kalten und zugigen Güterzügen, bei völlig unzureichender Verpflegung, dauerte oft mehrere Wochen, und nicht alle erreichten das Ziel.
Etwa ein Drittel der Deportierten starb schon während des mehrere Wochen dauernden Transports in Viehwaggons oder in den Arbeitslagern durch Hunger, Kälte, Krankheit und die schweren Arbeitsbedingungen.

Die „Pelzmützentransporte"
In den ersten Wintermonaten des Nachkriegsjahres 1947 wurden arbeitsfähige deutsche Häftlinge der sowjetischen Speziallager, die die sowjetische Besatzungsmacht in der Sowjetischen Besatzungszone unterhielt, zum Arbeitseinsatz in die Sowjetunion gebracht. Hier wurden sie zur Zwangsarbeit, vorwiegend im Bergbau und im Bauwesen, eingesetzt. Die Verschleppung erfolgte aufgrund eines im Dezember 1946 getroffenen Beschlusses
des Ministerrats der KPdSU „Zum Abtransport von in Gefängnissen und Lagern inhaftierter deutscher Menschen".Vor ihrer Abreise wurden die Häftlinge aus alten Wehrmachtsbeständen mit Wattebekleidung und Pelzmützen ausgerüstet. Das brachte ihnen die Bezeichnung „Pelzmützentransport" ein.
Viele von ihnen kamen in den sowjetischen Arbeitslagern ums Leben. Die Überlebenden kehrten zumeist erst in den 50er Jahren, häufig bis 1954, und einige, wie berichtet wird, erst 1956 nach Hause zurück.

Zum Schweigen verpflichtet
Der Zeitpunkt der Heimkehr der in die Sowjetunion Verschleppten richtete sich vor allem auch nach ihrer Arbeitsfähigkeit. Kranke und nicht mehr Arbeitseinsatzfähige kehrten früher nach Deutschland zurück.
Das Schicksal der Heimgekehrten wurde unter anderem durch ihren Entlassungsort beeinflusst. Die in die sowjetisch besetzte Zone Zurückgekehrten wurden zum Schweigen verpflichtet. Die Verschleppung in die Sowjetunion und die Zwangsarbeit in sowjetischen Arbeitslagern waren ein Thema, über das man in der ehemaligen DDR bis zur Wende nicht reden, noch in anderer Form berichten durfte, andernfalls wurden Konsequenzen angedroht.
Wie Zeitzeugen berichten, wanderte ein entsprechender Vermerk in der Personalakte, der sogenannten Kaderakte, der Heimgekehrten ständig mit, denn das Erlebte wurde als Makel gesehen, das die Betroffenen zu Risikopersonen machte. Die illegale Verschleppung passte einfach nicht in das Geschichtsbild der einstigen DDR.

Deutsche Wissenschaftler und Techniker
Im Oktober 1946 wurden deutsche Ingenieure, Wissenschaftler und Techniker für die Entwicklung der sowjetischen Flugzeugindustrie, der Raumfahrt sowie optischer Instrumente mit ihren Familien in die Sowjetunion verschleppt. Die meisten durften Anfang der 50er Jahre heimkehren, die letzten erst 1958.
Eine Gruppe der Wissenschaftler war bereits zuvor in einem Forschungsinstitut zur Mitarbeit an der Weiterentwicklung der V2 verpflichtet worden. Obwohl ihnen zugesichert worden war, dass sie Deutschland nicht verlassen müssten, wurden 180 von ihnen im Oktober 1946 in die Sowjetunion verschleppt. In einem umzäunten Gelände arbeiteten und lebten sie dort mit ihren Familien, bis die sowjetische Rakete ihren ersten Testflug bestanden hatte. Danach wurden sie in ein Arbeitslager an einem neuen Ort verbracht. Erst 1953 konnten sie nach Deutschland zurückkehren, mussten sich allerdings zuvor verpflichten, über ihren Einsatz zu schweigen.

Deutsche Facharbeiter
Ein ähnliches Schicksal, wie die hier beschriebenen deutschen Zivil-Deportierten, erlitten deutsche Facharbeiter, die aus der Sowjetischen Besatzungszone zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion verschleppt wurden. Ihre genaue Zahl kann hier nicht genannt werden, da die Angaben hierüber stark schwanken

Links:
Reparationsverschleppte in der Sowjetunion

Deportation zur Zwangsarbeit

Deutsche Frauen in sowjetischen Arbeitslagern

Pelzmützentransporte

Zwangsarbeit für sowjetische Raumfahrt



 
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