von Roland Huber
Direkt
gefragt: Welche Helden, welche Vorbilder hat die Bundesrepublik
Deutschland?
Stille
Helden
Eine Antwort gibt die Gedenkstätte „Stille Helden" in
Berlin, in der Rosenthaler
Straße 39, in der Nähe des Hackeschen Marktes. Ende Oktober 2008
war die Eröffnung. Sie stellt Menschen vor, die
während der nationalsozialistischen Diktatur verfolgten Juden
beistanden. Dort findet man auch einen Mann namens Josef
Höfler.
Josef Höfler
Josef Höfler war ein Gottmadinger
Bürger. Ich habe ihn gut gekannt. Als kleiner Postbeamter verteilte
er Briefe und Pakete in meinem Heimatort. Direkten Kontakt zu ihm
ergab sich im SPD-Ortsverein. Josef Höfler gehörte auch zu den
Gründungsmitgliedern des hiesigen Angelsportvereins. Er war beliebt
und geachtet. Die meisten im Dorf wussten, dass er im Krieg Juden
geholfen hat. Allerdings mehr wollte man nicht davon wissen. Nicht
wenige meinten, er habe es ja nur wegen Geld und anderen Wertsachen
getan. In den 80iger Jahren bekam er auf Betreiben des
SPD-Ortsvereines das Bundesverdienstkreuz. Aber auch bei dieser
Gelegenheit wurde öffentlich nicht darauf eingegangen, dass er 16
jüdische Menschen vor dem sicheren Tod gerettet hatte und dass er
aufgrund eines Bombenangriffes in Berlin vor dem Galgen oder dem
Schafott des Volksgerichtshofes bewahrt blieb. Am 1. Januar 1994
starb Josef Höfler in Gottmadingen.
Ein Telefonanruf aus
Berlin
Im Jahre 2002 bekam ich einen überraschenden Telefonanruf
von Klaus Heiliger. Er war ein Schulkamerad in den ersten
Volksschuljahren. Seit Jahrzehnten wohnte er nicht mehr in
Gottmadingen. Er und seine amerikanische Frau hatten sich mit Herbert
und Lotte Strauss aus New York befreundet. Der Geschichtsprofessor
Herbert Strauss war für einige Jahre an die technische Universität
in Berlin gekommen, um dort das Zentrum für Antisemitismusforschung
aufzubauen. Das Ehepaar Strauss erzählte den Heiligers von ihrer
Rettung über die Schweizer Grenze bei Gottmadingen. Klaus erinnerte
sich sofort an den Postboten Höfler.
Eine Pressemeldung im
Jahr 2002
Am Montag 2. September hat die israelische
Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in der israelischen Botschaft
posthum acht Menschen mit dem Ehrentitel "Gerechte unter den
Völkern" ausgezeichnet. Eliese und Josef Höfler, Luise Meier,
August Spandowski, Utje und Friedrich Strindberg, Felicia Pauselius
und Wandra Dombrowski. gehörten zu einem Kreis von Helfern, die bis
Anfang der 40er-Jahre in Berlin Juden vor Verfolgung versteckten und
dabei selbst ihr Leben aufs Spiel setzten.
Anmerkung: Gertrud
Eisele, die Tochter der Höflers, konnte aus der Hand des
Botschafters die Ehrungsurkunden und Medaillen für ihre Eltern in
Empfang nehmen. Es ist der Initiative von Klaus Heiliger zu
verdanken, dass die Lebensleistung der Höflers nicht vergessen
wurde.
Emil Schneble und andere
Im
November 2004 wurden auch der frühere Singener Stadtpfarrer August
Ruf und der Pfarrer von Wiechs am Randen Eugen Weiler von Yad Vashem
in Jerusalem als „Gerechte unter den Völkern" aufgenommen. Es
gab noch einige weitere vorbildliche Personen im Landkreis Konstanz,
die noch zu nennen wären und vielleicht auch solche, die noch
unbekannt sind.
Einen davon will ich erwähnen: Emil Schneble. Er
war Bürgermeister in dem jüdischen Dorf Randegg, das heute zu
Gottmadingen gehört. Er wurde bei den Gewalttaten der Pogromnacht
des 9. Novembers 1938 unter Hausarrest gestellt. Am Tag darauf trat
er von seinem Amt zurück.
Im benachbarten Gailingen gibt es ein
Bürgerhaus, das früher jüdisches Schul- und Gemeindehaus mit
Rabbinat war. Darin ist ein Musem für die jüdische Geschichte von
Gailingen im Aufbau. Emil Schneble hat dort sein Andenken
gefunden.
Ein Überblick
Im Oktober 2004 gab es eine Tagung
in der Katholischen Akademie der Erzdiözese Freiburg unter dem Titel
„Judenretter im deutschen Südwesten (1938-1945). Beteiligt waren
Erinnern und Lernen e.V. Freiburg, Gegen Vergessen - Für Demokratie
e.V., Historisches Seminar der Universität Freiburg, Kulturamt der
Stadt Freiburg, Landeszentrale für politische Bildung
Stuttgart
Menschliches Versagen
Das ist der Titel des neuen
Filmes von Michael Verhoeven, dem Mann von Senta Berger. Bei einer
Aufführung des Films im November letzten Jahres in Singen war er
persönlich zu einem Gespräch gekommen.
„Was man beschönigend
die „Arisierung" nennt, ist in Wirklichkeit einer der größten
Raubzüge des 20. Jahrhunderts, begangen an einem Teil der
Bevölkerung. Es war nicht die „Gestapo", die in die jüdischen
Wohnungen eindrang, um den gesamten Besitz zu beschlagnahmen vom
Bankkonto bis zur Unterwäsche. Es waren deutsche Finanzbeamte.
Großes ging an die Finanzbehörden, Kleines über
„Juden-Versteigerungen an die lieben Nachbarn. Darum geht in diesem
Film." So der Text von Verhoeven auf dem Filmflyer.
Der Film ist
bei Amazon als DVD zu beziehen.
Für die Zukunft
Wir müssen
erkennen, dass die Verbrechen des Dritten Reiches formal-juristisch"
korrekt durchgeführt worden sind. Das ist das Erschreckende, dass
ein Staat und eine Gesellschaft als ganzes dieses schreckliche
Unrecht begangen haben. Mit all seinen Politikern, Beamten,
Offizieren, Richtern, Polizisten, Wissenschaftlern und Priestern. Und
jeder einzelne Mensch hatte Anteil daran, sei es aktiv oder durch
Schweigen. Fünfundsechzig Jahre nach Kriegsende geht es nicht mehr
um Schuld, sondern wie wir ein solches menschliches Versagen
vermeiden können. Vorbilder sind dabei
hilfreich.
Links
Gedenkstätte Stille Helden in
Berlin
Das
Hilfsnetz um Luise Meier und Josef Höfler , Vorträge, Bücher,
Filme, Tonaaufnahmen
Bild
Josef Höfler und Luise
Meier
Dokumentation
zum Film „Menschliches
Versagen"
Tagung
der Katholischen Akademie in
Freiburg
Götz
Aly, Hitlers Volksstaat - Raub, Rassenkrieg und nationaler
Sozialismus - Fischer Taschenbuch
Wolfram Wette (Hg.) Stille
Helden, Herder Spektrum
Wolfram Wette „Verdrängt,
vergessen, verleumdet - Stille Helden" im Sonderheft der ZEIT,
Geschichte 4/09
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