Nubische Begegnungen
                                     von Ingrid Dorit Winterscheidt, Gast
Im Winter mache ich gerne Urlaub im ägyptischen Assuan. Ich liebe nicht nur das milde Klima, die schöne Landschaft und die alte Kultur. Mich fasziniert auch wie die Menschen unterschiedlicher ethnischer Gruppen dort leben.


Die nubische Minderheit
Da sind zum Beispiel die Nubier. Sie sind mir auf dem Basar von Assuan sofort als etwas Besonderes aufgefallen. Es sind dunkelhäutige Menschen mit eleganten Bewegungen, die eine gewisse Würde ausstrahlen. Vielleicht haben sie diese von ihren kuschitischen Vorfahren ererbt, die in grauer Vorzeit ein Jahrhundert lang als „Schwarze Pharaonen“ auf dem ägyptischen Thron saßen, bis sie von den Ägyptern wieder in den Sudan zurückgedrängt wurden. Von ihren alten Kulturdenkmälern ist leider wenig erhalten, denn diese wurden von den ägyptischen Pharaonen gezielt zerstört. Die in Ägypten verbliebenen Nubier lebten fortan als einfache Bauern im Süden des Landes, an der Grenze zum Sudan, in den ländlichen Gebieten zwischen dem ersten und zweiten Nil-Katarakt weiter. Sie entwickelten ihre eigenen nubischen Traditionen fort, sind aber - wie die meisten Ägypter - Muslime. Innerhalb Ägyptens bilden sie nur eine Minderheit von etwa einem Prozent.

Ein Neuanfang
Mit dem Bau des Nasser-Sees versank das Gebiet zwischen dem ersten und zweiten Nil-Katarakt überwiegend in den Fluten. Viele der bäuerlichen Nubier verloren ihre Existenz und wurden umgesiedelt. Einige von ihnen leben heute in den Räumen um Assuan oder Komb Ombo. Dort ist der Tourismus für viele zur neuen Existenzgrundlage geworden. Nubier arbeiten heute als Angestellte in den großen Hotels oder haben sich selbständig gemacht. Ich lernte auf meinen Reisen etliche nubische Schiffskapitäne, Gastronomen, Taxifahrer oder Kamelführer kennen und schätzen und möchte von einigen Begegnungen berichten.
 
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Feluken-Kapitän Bibi Bana

Einer der bekanntesten nubischen Feluken-Kapitäne aus Assuan ist Bibi Bana. In der diesjährigen Januar-Ausgabe der Zeitschrift „Geo-Saison“ gab es sogar einen Artikel über ihn. Eine Fahrt mit seiner Feluke, einem für das Mittelmeer und den Nil  typischen Segelboot, oder seinem traditionellen Motorboot ist für mich immer ein besonderes Erlebnis.

Ein Flussfahrt mit Bibi Bana

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Kamele ziehen durch die Wüste


Bibi spricht Englisch, so dass wir uns mit ihm verständigen können. Seine Muttersprache ist aber einer der nubischen Dialekte, die mit dem Arabischen nicht verwandt sind. Wir verstehen uns aber auch ohne Worte, denn Bibi ist sehr naturverbunden. Er kennt nicht nur alle Tiefen und Strömungen der vielen Nilarme. Er vermittelt uns auch die Schönheit des Niltals und weiß unendlich viel über Fauna und Flora. Wenn er die Stimmen von Vögeln imitiert, kommt stets eine Antwort zurück.
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Eine Kormoran-Kolonie im Nil


Wenn sein Boot ganz nahe an einer Kormoran-Kolonie vorbei gleitet, geschieht das so leise, dass die Tiere sich nicht gestört fühlen und nicht aufschrecken. Hier und da macht Bibi uns auf einen Grau- oder Nachtreiher aufmerksam, der unbeweglich auf einem Stein im Flussarm steht, oder auf eine Kamel-Karawane, die oberhalb des Ufers über den Wüstenhang zieht, einem Dorf entgegen.
Ich empfinde das alles als wunderschön, und es ist auch eine Freude, den Kapitän mit seinen eleganten Bewegungen zu beobachten
.
 
Nubische Musik
Bibi tut aber noch mehr für uns. Er ist ein sehr gastfreundlicher Mann, der uns auf seinem Boot mit einem Tablett voller Bananen und Orangen verwöhnt. Außerdem serviert er uns einen „Kakade“, den landestypischen Hibiskustee.
Wenn Bibi besonders guter Stimmung ist, holt er seine Trommel aus dem Bootsverschlag und singt dazu nubische Weisen. Nubische Musik hat - wie die Musik vieler afrikanischer Volksgruppen - eine alte Tradition. Sie ist fröhlich und lebensbejahend. Eines ihrer typischen Instrumente ist die Duff (eine breite flache Handtrommel), wie sie Bibi benutzt. Die Lieder haben einen eingängigen Rhythmus. Eigentlich singt und spielt man sie zum traditionellen Tanz, der besonders bei Hochzeiten von der nubischen Bevölkerung gepflegt wird. Oft wird in einer Gruppe getanzt. Einen kleinen Eindruck vermittelt ein Video, zu dem es weiter unten einen Link gibt. Junge Musiker entwickelten aber auch modernere nubische Kompositionen, die sogar international bekannt sind.

Auf der Nilinsel Sehel
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Am Nilufer


Unser Boot ist auf dem Weg zur Insel Sehel. Dort endet unsere Bootsfahrt für zwei Stunden am kleinen Hafen. Bibi Bana wird uns dann wieder abholen. Er selbst fährt in sein Heimatdorf el-Ma
alṭ
a, das gegenüber am Nilostufer liegt.
Vom Nilufer gehen wir eine Anhöhe hinauf und erreichen dort ein Restaurant und Cafe in einem typisch nubischen Haus. Hussein, der Besitzer, kommt uns freudig zur Begrüßung entgegen. Gemeinsam betreten wir den großen schönen Innenhof des Hauses, der liebevoll mit Korbsesseln und kleinen Tischen bestückt ist. Um den Innenhof herum gruppieren sich die einzelnen Räume. Sie sind aus Lehmziegeln erbaut und haben alle die für nubische Häuser typischen Kuppeln. Dieser Gewölbebau sorgt dafür, dass in den Räumen ein angenehmer Wärme- und Kälteausgleich stattfindet. Die Außenwände des Hauses sind in traditioneller Art in hellen, bunten Farben bemalt.

Die Kaffeestunde

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Der Kaffee dampft


Wir lassen uns gemütlich nieder und freuen uns auf die Dinge, die da kommen. Nebenan am Hang schreit lang und anhaltend ein Esel. Ob er sich durch uns gestört fühlt? Vielleicht hat er aber nur Hunger.
Hussein und sein Gehilfe bringen einen flachen runden Tisch und einen kleinen Kohleofen, denn wir wünschen uns einen nubischen Kaffee. Dazu werden zuerst die Kaffeebohnen auf dem kleinen Ofen geröstet und dann in einem Mörser zerstampft. Dann werden Ingwer, Muskat, Nelken und Kardamom hinzugefügt, und alles wird in einem Gefäß in Wasser gekocht. Als Filter dient ein kleines Strohbündel, das in den langen Hals einer Kanne gesteckt wird, um den Kaffee in hübsche Keramik-Tassen zu gießen und mit viel Zucker zu servieren. Dieser nubische Kaffee schmeckt wirklich köstlich! Hussein freut sich sichtlich, dass wir uns bei ihm so wohl fühlen.

Handarbeiten
Plötzlich kommen zwei Nubierinnen zu uns in den Innenhof und möchten gerne ihre selbst gefertigten Ketten verkaufen. Sie sind sicher durch unsere Fröhlichkeit auf uns aufmerksam geworden. Weil wir nicht sofort kaufen, zeigen sie uns, wie sie ihre Ketten anfertigen. Sehr kleine, bunte Perlen werden an einem langen Faden aufgereiht und dann zu einer Kette gehäkelt. Die Ketten sind hübsch, aber sehr einfach!

Das Henna-Tattoo

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Das Tattoo wird mit einer Paste aufgetragen


Die Frau von Hussein kommt. Ich habe sie gebeten, mir ein Henna-Tattoo zu malen. Sie macht das sehr geschickt, denn das ist eine alte nubische Sitte. Ich sehe ihr gern bei dieser Arbeit zu, denn sie bewegt sich sehr anmutig. Sie ist, wie fast alle Nubierinnen, groß gewachsen und eine stattliche Erscheinung. Sie wirkt in ihren langen Gewändern recht selbstbewusst.

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Nubischer Schmuck


Wenn sie ausgeht, trägt die Nubierin sehr schöne alte Schmuckstücke, die wohl ihre Mitgift sind. Diese Mitgift, die aus Armreifen, Goldketten und Ohrringen besteht, erhält die nubische Braut nach altem Brauch während der Hochzeit. Dabei wird genau vermerkt, wer was schenkt. Im Falle einer Scheidung kann die Frau nämlich die Geschenke der eigenen Sippe behalten.

Ein schöner Tag für uns
Ein Blick auf den Nil lässt uns aufschrecken, unser Kapitän erwartet uns schon am Ufer des Dorfes. Wie schnell zwei Stunden vergehen! Wir sagen Lebewohl und freuen uns schon auf das nächste Mal.

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Das Niltal


Zum Glück können wir noch die Rückfahrt bei herrlichem Sonnenuntergang auf dem Nil genießen. Die Schönheit der Flusslandschaft beeindruckt mich immer wieder. Ich kann verstehen, dass auch die nubischen Menschen, die hier geboren wurden, ihre Heimat lieben.


Links

Auf der Insel Sehel gibt es die berühmte Hungersnotstele

Das Nubische Museum Assuan zeigt die alte Kultur

Nubischer Tanz
 
 
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