Christen in der Türkei
                                    von Erdmute Dietmann-Beckert
Der Anteil der Christen an der Gesamtbevölkerung der Türkei ist verschwindend klein.

Deutscher Bundespräsident in der Türkei
Im Oktober 2010 hat Christian Wulf die Türkei besucht und in seiner Rede vor dem türkischen Parlament in Ankara gesagt: „Die Türkei kann zeigen, dass Islam und Rechtsstaat, Islam und Pluralismus kein Widerspruch sein müssen. Hier in der Türkei hat auch das Christentum eine lange Tradition. Das Christentum gehört zweifelsfrei zur Türkei.“ Vorausgegangen war, dass Wulf in seiner Rede zum 20. Jahrestag der Deutschen Einheit unter anderem gesagt hatte: „Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.“

Christentum und Islam
Christentum und Islam haben ein gemeinsames Gottesbild. Gott ist Schöpfer der Welt, er offenbart sich in seinem Wort und er ist barmherzig. Es gibt aber dogmatische Gegensätze: Der Koran lehnt Gott als „Einheit von Vater, Sohn und Heiligem Geist“ ab. Gott hat nach muslimischem Glauben keinen Sohn. Das wäre Gotteslästerung. So gibt es auch keine Erlösung durch den Kreuzestod Jesu Christi. Wer an Mohammed und den Koran als Wahrheit glaubt, kommt ins Paradies. Die christliche Liebesforderung: „Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst“ halten Muslime für überzogen.
Christen glauben an Jesus Christus als Sohn Gottes und sein stellvertretendes Opfer am Kreuz. Der Mensch hat eine Bestimmung, der er nicht aus eigener Kraft gerecht werden kann. Der Mensch bedarf der Erlösung.

Geschichte
Bis Ende des 19. Jahrhunderts gehörte ein Viertel der Bevölkerung auf dem Gebiet der heutigen Türkei zu den Christen. Das veränderte sich im Laufe des 20. Jahrhunderts. Heute gibt es in der Türkei nur noch 0,2 Prozent Christen.
Was sind die Ursachen? Mit dem Zerfall des Osmanischen Reichs zog sich der größte Teil der griechisch-orthodoxen Christen nach Griechenland zurück. Die islamische Bevölkerung hingegen nahm auf dem Gebiet der heutigen Türkei zu. Der Anteil der islamischen Bevölkerung wuchs.
Illustration
Hagia Sophia Istanbul

Die Türkische Republik, die nach dem Ersten Weltkrieg unter Kemal Atatürk gegründet wurde, versteht sich als ein laizistischer Staat. Religion und Staat sind strikt getrennt. Die griechisch-orthodoxe Kirche darf ihren Ritus nur in Istanbul praktizieren.

Christliche Kirchen und Gemeinschaften
Neben den griechisch-orthodoxen Christen gibt es die römisch-katholischen Christen, evangelische Kirchen und Freikirchen. Der türkische Staat anerkennt aber nur die orthodoxen Armenier und Griechen, sowie die Juden als religiöse Minderheiten mit begrenzten Rechten. Sie dürfen eigene Schulen unterhalten. Die übrigen christlichen Gemeinden, zum Beispiel die syrisch-orthodoxen, die protestantischen und katholischen Gemeinden sind nach türkischem Verständnis keine Rechtspersonen. Sie dürfen sich seit kurzem als Verein anmelden.
Als 1971 alle Privatschulen schließen mussten, war es auch nicht mehr erlaubt, christliche Theologen auszubilden. Heute bemüht sich die türkische Regierung um eine Besserstellung der Minderheiten und eine Gleichstellung der Christen. Kürzlich durften sich einige Priester aus dem Ausland einbürgern.

Die Situation der Christen
Offiziell stehen Christen keine gesetzlichen Hindernisse entgegen, aber die Bevölkerung begegnet ihnen oft mit Misstrauen und manche Behörde zeigt sich feindselig. Christen werden noch immer als gefährliche Staatsfeinde angesehen. Es sind nur drei Jahre her, dass Mitarbeiter eines christlichen Verlags ermordet wurden.
Einige Pfarrer und Prediger können trotz ihrer türkischen Staatsbürgerschaft nur mit Bodyguards ihrer Arbeit nachgehen. Dabei müssen sie darauf achten, dass sie nicht immer zur gleichen Zeit und auf gleichen Wegen ihre Wohnungen verlassen. Diese “Beschützer“ begleiten die Prediger nicht nur auf öffentlichen Wegen, sondern nehmen auch an Gottesdiensten teil. Als Muslime hören sie die christliche Botschaft. Dazu erzählte mir ein Pfarrer, dass sein „Guard“ sogar ihm einmal sinngemäß den Vorschlag machte: „Wenn du eines Tages krank wirst oder verhindert bist, kann ich die Predigt übernehmen, schließlich habe ich sie schon so oft gehört, dass ich sie jetzt auswendig weiß.“

Fazit
Der Besuch des Deutschen Bundespräsidenten hat bewirkt, dass verstärkt öffentlich über die Probleme der Christen in der Türkei gesprochen werden darf. Das war bis dahin nicht möglich. Ich selber habe beim Tag der interreligiösen Begegnung in Deutschland erlebt, dass die Frage nach der Gleichberechtigung der Christen in der Türkei von dem Sprecher der islamischen Gemeinde abgewiesen wurde. Das war vor Wulfs Türkeibesuch. Sicherlich sind jetzt nicht alle Schwierigkeiten aus dem Weg geräumt. Aber es gibt die Erlaubnis, einige christliche Kirchen wieder für Gottesdienste zu öffnen. Ein Beispiel ist die zeitweise Benutzung der Pauluskirche in Tarsus, in der Christian Wulf an einem ökumenischen Gottesdienst teilnehmen konnte.

Links

Wulf in der Türkei

Katholische und evangelische Kirche loben Wulf

Ein Leben mit Schikanen ; Kirche wird eingeweiht, Bischof ermordet

Christentum und Islam im Vergleich, Google-Seiten
 
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