Soziale Beziehungen im Laufe ei. Lebens
                                    von Margret Budde
Einzelgänger leben gefährlich. Dies ist bekannt.
Wie ist es möglich, bis zum Lebensende ein zufriedenes und gesundes Leben an Leib und Seele zu führen? Welchen Stellenwert nehmen dabei die sozialen Beziehungen ein?

Begriffsbestimmung
Der Begriff 'soziale Beziehung' geht auf den deutschen Soziologen Max Weber zurück.
Darunter wird eine Gemeinschaft von mindestens zwei Personen verstanden, die in ihrem Verhalten auf ein gegenseitiges sinnhaftes Miteinander ausgerichtet ist. In jedem Alter werden unterschiedliche Anforderungen an eine soziale Beziehung gestellt. Sie sind abhängig von Herkunft, Kulturkreis, Interessen, Wohnsituation, um nur einige zu nennen.
Auch haben sie einen unterschiedlichen Stellenwert. Die Verbindlichkeit in einer Bekanntschaft ist weitaus geringer als in einer Freundschaft oder gar in einer Ehe und Paargemeinschaft, die sozial verbindlich und mit Verpflichtungen belegt ist.
Eine Beziehung ist dann beendet, wenn keine Chance zu einem sinnhaften Handeln mehr besteht.

Kinderzeit
Vom ersten Lebenstag an ist die Mutter die wichtigste Person im Leben eines jeden Menschen. Im Idealfall gesellen sich dazu der Vater und die Geschwister. Sie alle geben zusammen als Familie Geborgenheit und Sicherheit, die für die Vertrauensbildung und Persönlichkeitsentwicklung im späteren Leben notwendig sind. Uns allen sind die Folgen bekannt, die durch die traurigen Schicksale der Kriegswaisen, die das Eingebettetsein in eine funktionierende Gemeinschaft in ihren jungen Jahren entbehren mussten, hervorgerufen wurden.

Image
Franz Mairinger_pixelio.de

Beim Umgang mit Spiel- und Klassenkameraden lernt das Kind im außerfamiliären Rahmen das Miteinander zu erproben, aber auch, mit den ersten Konfliktsituationen umzugehen. Freundschaften werden geschlossen. Die gemeinsamen Erfahrungen geben den Kindern die tragende Sicherheit einer Gemeinschaft. Hier wird der Grundstein für die sozialen Fähigkeiten des gesamten Lebens gelegt.

Soziale Integration und Leistung
In den Jahren 2003/2004 gingen Studenten der Humboldt-Universität Berlin der Frage nach, ob es einen Zusammenhang gibt zwischen dem Eingebundensein eines Schülers in die Klassengemeinschaft und dessen Leistungen in einer bestimmten Grundschulklasse. Auszugsweise gebe ich hier die Ergebnisse wieder.

Image
sabine meyer_pixelio.de

„So darf darauf geschlossen werden, dass das soziale Leben in der Schule mit dem Leistungserfolg eines Kindes zusammenhängt."  „Es zeigt sich, dass gut in den Klassenverband integrierte Schüler/innen bessere Schulleistungen ausweisen als schlecht integrierte Schüler/innen (vgl. Beerlage 1993)." Isolation dagegen hängt nach Beerlage (1993) zusammen mit Angst, Unsicherheit und schlechten Schulleistungen."... dass Kinder, die sich in einem Umfeld dichter Beziehungen befinden, die Freunde haben und somit sozial integriert sind, eher den „Kopf frei" haben und so befreiter lernen können."
(Quelle: http://www.marinahennig.de/PDF-Dateien/Grundschulklasse.pdf)

Zeit des Heranwachsens
Neben dem Weiterbestehen eines Familiennetzes treten immer wieder neue Personen in den persönlichen Umkreis des jungen Menschen. Er beginnt, sich vom Elternhaus zu lösen und die eigene Planung seines Lebens aufzustellen. Die schulische und berufliche Ausbildung nimmt einen breiten Raum ein. Dabei übt die soziale Struktur einer Schule einen maßgeblichen Einfluss auf die persönliche Entwicklung aus. Jugendfreunde geben in der schwierigen Phase des Heranwachsens sicheren Halt. Diese Freundschaften halten nicht selten ein Leben lang. Sportvereine, Chorgemeinschaften, Hobbyvereine z. B. erweitern den Kreis, in dem ein Mensch nicht nur den Interessen nachgeht, sondern auch einen persönlichen Kontakt mit Gleichgesinnten sucht.
Image
Andreas Reuter_pixelio.de

Eine Gemeinschaft, in der man seine Zeit mit Gleichgesinnten teilt, sich von dieser akzeptiert fühlt und in die man ich selbst einbringen kann, ist wichtig für diese Lebensphase. Diese sozialen Beziehungen sind notwendig für die Identitätsfindung.

Im Erwachsenenalter
In einem zufriedenstellenden Beruf im angenehmen Kollegenkreis entwickelt sich oft ein gesundes soziales Netz von großer Bedeutung. Gleichzeitig ist man eingebunden in den Aufbau der eigenen Familie, die die wichtigste soziale Beziehung im Leben eines jeden Menschen darstellt.
Im Gegensatz zum alternden Menschen treten in dieser Periode wenig gesundheitliche Probleme auf. Man kann in
„allen Bereichen aus dem Vollen" schöpfen. Durch umfangreiche Aktivitäten in den Bereichen Familie, Beruf, Freizeit und das Verrichten der notwendigen alltäglichen Erfordernisse ist man die meiste Zeit des Tages in irgendeiner Weise eingebunden, hat aber auch viele mehr oder weniger enge Kontakte. Durch dieses sichere tägliche Eingebundensein wird wenig über die Notwendigkeit und die Pflege solcher Beziehungen nachgedacht. Sie sind einfach da.

Im Alter allein?
Freundschaften im Alter sind kein Ersatz für familiäre Beziehungen, jedoch haben sie durch die Gemeinschaft Gleichgesinnter und Gleichaltriger einen hohen Stellenwert.
Das Alleinsein wird den meisten Menschen nicht erspart bleiben. Partner, Kinder und nächste Angehörige stehen nicht mehr zur Seite. Freunde sind verstorben. Wer übrig bleibt, ist nun auf eine Gemeinschaft angewiesen, die mit Rat und Tat zur Seite steht.
Vielen Menschen kommt erst dann das Fehlen einer gesicherten Gemeinschaft zum Bewusstsein, wenn er der Hilfe bedarf. Da ist jeder gut beraten, der sich frühzeitig ein Netz mit Menschen verschiedenen Alters und in unterschiedlichen Interessensgebieten aufbaut.
Image
Jerzy_pixelio.de

Die jetztige ältere Generation ist geprägt durch wenig Kinderlosigkeit.
Durch die Veränderung der Wertevorstellungen, die heute persönliche Freiheit und Selbstständigkeit hervorhebt, werden in Zukunft zunehmend mehr geschwisterlose Einzelpersonen ihr Leben meistern.

Netzwerke
Nicht ohne Grund haben sich im Zeitalter der digitalen Medien die sogenannten Online-Communities, Netzgemeinschaften im Internet, gebildet und stellen einen beliebten Treffpunkt für Menschen jeden Alters dar, zeit- und ortsunabhängig. Facebook, Twitter, schülerVZ, XING und andere sind heute für viele keine Unbekannten mehr.
Laut Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und Neue Medien e.V. waren 30 Millionen Deutsche ab 14 Jahren schon im März 2010 Mitglied in mindestens einer Online-Community.

Image
Gerd Altmann_pixelio.de.

Im Januar 2011 hatte Facebook nach eigenen Angaben 600 Millionen aktive Mitglieder weltweit.
Der Bedarf für ein Eingebundensein in eine tragende Gemeinschaft ist vorhanden. Mag sich jeder entscheiden für ein digitales oder reales Netzwerk. Oder beides.

Ein Leben OHNE soziale Beziehung?
Ein Leben ohne eine soziale Beziehung ist für mich unvorstellbar. Von Natur aus ist der Mensch ein soziales Wesen und somit auf ein Leben in Gemeinschaft ausgerichtet. Zwar ist das soziale Umfeld durch gesellschaftliche Gegebenheiten geprägt, aber jeder Mensch hat den größten Anteil an der Schaffung und Prägung seines eigenen Lebensbereiches.
Ohne aktive Beteiligung aller Beteiligten kann keine Gemeinschaft auf Dauer gelingen. Dies wirkt sich sowohl auf das seelische als auch auf das körperliche Wohlbefinden eines Menschen aus. Somit wage ich zu behaupten, dass das Eingebundensein in eine funktionierende soziale Gemeinschaft positiven Einfluss auf die Lebensdauer nimmt.


Links:

Internationale Kommunikationskulturen

Hamburger Forschungsberichte

Bilder von den Genannten bei www.pixelio.de
 

 
< zurück   weiter >