von Horst Glameyer
Verlangte die Verletzung
von Ehre und Treue einst nach blutiger Rache, geht man hierzulande in unseren
Tagen weitaus zivilisierter damit um, während sie in einigen anderen Kulturen
oft noch auf archaische Weise geahndet wird.
Auge um Auge,
Zahn um Zahn
Wer zur Pause an einem Schulhof vorübergeht oder Schulkinder auf dem Heimweg
beobachtet, entsinnt sich vielleicht noch der eigenen Schulzeit, die im
schulischen Zusammensein nicht immer friedlich verlief. Ehrverletzungen wie
Verleumdungen, üble Nachrede sowie Tätlichkeiten, die dazu dienten, den
Einzelnen, meistens Schwächeren, zu beleidigen und zu demütigen oder eine ganze
Gruppe zu schmähen, waren keineswegs völlig harmlos und auch nicht selten. Nach
dem Motto „Wie du mir, so ich dir!" fügte man sich gegenseitig Kränkungen mit
Worten und Handgreiflichkeiten zu.
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Das war im Altertum unter Erwachsenen weitaus gefährlicher und konnte oft nur
mit Blut abgewaschen werden. Die verletzte Ehre des Opfers, seiner Familie oder
seines Stammes verlangte zur Wiederherstellung nach Rache; dennoch sollte sie
nicht maßlos sein (2. Mose 21,23-25).
Sühneregeln im Mittelalter
Gegenüber der Blutrache setzte sich nach und nach das Wergeld (wer =
(althochdeutsch): = Mann) durch. Im Sachsenspiegel aus dem 13. Jh. findet sich
eine Liste über die Höhe des Wergeldes und der zusätzlichen Buße, die der Täter
für die Tötung eines Menschen (je nach dessen Stand) oder der Art des Tieres zu
zahlen hatte. Außerdem fand ein Gerichtsverfahren statt. Das Wergeld erhielten
die Angehörigen des Opfers, die höhere Buße war an den Fürsten zu zahlen. Für
einen Freien Mann betrug das Wergeld 18 Pfund. Das entsprach etwa 18
Reitpferden. Für einen freien Pächter und landfremde Freie waren 10 Pfund zu
entrichten. Die Tötung einer verheirateten Frau wurde mit dem halben Wergeld
aufgewogen, das für die Tötung ihres Mannes hätte gezahlt werden müssen. War
sie unverheiratet gewesen, fiel der Betrag an ihren Vater.
Mittelalterliche Gottesurteile
Beschuldigte ein Laie einen anderen eines Verbrechens, so hielt der Richter dem
Angeklagten die Tat vor. Leugnete er sie und konnte nicht überführt werden,
ordnete der Richter einen Zweikampf an. Damit war die Entscheidung über Schuld
oder Unschuld durch den Sieg oder die Niederlage der Kämpfer in die Hand Gottes
gelegt.
Handelte es sich bei dem Kläger oder Angeklagten um eine Frau oder einen
Geistlichen, so mussten Frauen ihre Unschuld durch eine Feuer- oder Wasserprobe
beweisen, während Geistliche sich dem „geweihten Bissen" oder der
Abendmahlsprobe zu unterziehen hatten, da ihnen der Zweikampf untersagt war.
Außerdem gab es noch das Kreuzgericht und das Bahrrecht. Wer ein derartiges
Gottesurteil lebend bzw. unversehrt überstand, galt als schuldlos.
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Das Duell
Im Gegensatz zu den Zweikämpfen in der Antike und im Mittelalter konnte das
Duell zwar für einen der Beteiligten tödlich enden, doch es genügte, wenn sich
der Beleidigte und sein Beleidiger dem Risiko aussetzten, getötet oder verletzt
zu werden. Damit hatte der Beleidigte „Genugtuung" (Satisfaktion) erhalten.
Selbst unverletzt galten die Duellanten danach in der Gesellschaft wieder als
Ehrenmänner. Allerdings war nur Adligen, Offizieren und Studenten trotz
offiziellen Verbots das Duellieren vorbehalten. Erst im 19. Jh. zählten Bürger
dazu, sofern sie höheren Gesellschaftskreisen angehörten. Sie hatten nicht bloß
ihre persönliche, sondern auch die Standesehre zu verteidigen. Offiziere, die
nicht dazu bereit waren, konnten wegen mangelnden Ehrgefühls entlassen werden.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurden Duelle nicht mehr ausgetragen.
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Bürgerliche Ehrenrechte
Seit dem 1. Strafrechtsreformgesetz vom 25.6.1969 ist die Aberkennung der
bürgerlichen Ehrenrechte nicht mehr möglich. Nur wer wegen eines Verbrechens zu
Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wurde, darf kraft Gesetzes
für fünf Jahre kein öffentliches Amt bekleiden und kann keine Rechte aus
öffentlichen Wahlen erlangen.
Bis ins frühe 20. Jahrhundert waren Angehörige höherer Gesellschaftskreise der
Meinung, sie besäßen ein feineres Ehrgefühl als andere und lösten
Ehrverletzungen im Duell nach ihren eigenen Regeln mit Säbeln, Degen und
Pistolen gewaltsam. Nach wie vor ist die Würde des Menschen unantastbar; aber
man reagiert in Fragen der Ehre, abgesehen von Verletzungen der Ganovenehre,
weniger empfindlich und nicht mehr gewaltsam.
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Treue
O. F. Bollnow schreibt in seinem Buch „Wesen und Wandel der Tugenden" (S. 154):
'Die Treue in einem allgemeinen Sinn gehört offensichtlich zu den grundlegenden
Tugenden des menschlichen Daseins; denn ohne dass sich der eine auf den andern
verlassen könnte, dass er ihm „trauen" könnte, ist menschliches Zusammenleben
schlechterdings nicht möglich.' und auf Seite 155: 'Treue ist ihrem Wesen
zufolge „ewige Treue", es gibt keine Treue auf Zeit und mit Vorbehalten, und
wir zollen dem die höchste Anerkennung, der „treu bis in den Tod" auch im
Untergang noch unwandelbar an seiner Treueverpflichtung festhält. [...] In jedem
Falle handelt es sich bei der Treue ganz allgemein gesprochen um eine
Festlegung des Menschen für die Zukunft, und zwar derart, dass er sich in der
Gegenwart durch etwas gebunden fühlt, was schon in der Vergangenheit geschehen
ist.'
Treuversprechen
Treue beruht stets auf Gegenseitigkeit. Sie kann formlos unter Freunden
versprochen werden oder vor Zeugen, z.B. mit einem Jawort bei der Trauung, mit
einem Eid oder dem feierlichen Gelöbnis gegenüber einer staatlichen
Institution, die sich ihrerseits verpflichtet, dem Einzelnen für seine
Pflichterfüllung angemessenen Unterhalt und Schutz zu gewähren. Im Falle seines
Todes erstreckt sich die Unterhaltsleistung unter bestimmten Bedingungen auch auf
seine Hinterbliebenen.
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Untreue
O. F. Bollnow weist in seinem o.g. Buch darauf hin, dass sowohl der Mensch als
auch seine Lebensverhältnisse sich nach Abgabe des gegenseitigen
Treuversprechens im Laufe der Zeit wandeln können. Bereits im Karneval 1935
sang man:
„Du kannst nicht treu sein,
nein, nein, das kannst du nicht,
wenn auch dein Mund mir wahre Liebe verspricht.
In deinem Herzen hast du für viele Platz;
darum bist du auch nicht für mich der richt' ge Schatz."
So wurde das Ehescheidungsrecht zum 1.7.1977 durch Gesetz entsprechend dem
Zerrüttungsprinzip neu gestaltet. Seither werden Ehepartner gerichtlich nicht
mehr schuldig oder unschuldig geschieden. Nach kirchlich katholischem
Eheverständnis bleibt die Ehe jedoch unauflöslich. Im Geschäftsleben ist
Untreue ein Straftatbestand.
Links:
Blutrache
Auge
um Auge 2. Mose - Kapitel 21
Wergeld
Gottesurteile
Duell
Ehre
Treue
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