Die vergessene Generation-Kriegskinder brechen ihr Schweigen

Hier werden alle Bücher einsortiert, deren Diskussion beendet ist.
HildegardN
Beiträge: 262
Registriert: Mittwoch 20. September 2006, 14:13

Frieden

Beitrag von HildegardN »

Liebe Brigitte, ich pflichte Dir voll bei, wenn Du schreibst: "Frieden ist nicht eine Sache, die einfach da ist!" Und ich möchte hinzufügen: "Um Frieden müssen wir uns bemühen, Friedenswille muß auch praktiziert werden.
Und eines der Mittel, den Frieden zu erhalten, Frieden zu fördern oder auch zu gewinnen, ist es deutlich zu machen, was Krieg bedeutet und was er anrichtet und hinterläßt. Auch das Buch über die Kriegskinder leistet hier einen wichtigen Beitrag.
Hildegard
Erna
Beiträge: 878
Registriert: Freitag 1. April 2005, 10:47

Beitrag von Erna »

Es gibt Kriegskinder, also Kinder, die zu der von Bode angesprochenen Generation gehören, die nichts von der Zeit lesen und wissen möchten. Manchmal habe ich das Gefühl, sie haben Angst, auf Begebenheiten zu stoßen, die sie nicht haben und wissen möchten, oder die sie verdrängt haben. Selbst Menschen, die ihr halbes Leben bei Therapeuten verbracht haben, weigern sich, z.B. das Bode-Buch zu lesen. Denn Vorfahren zu haben, die Nazis waren, ist auch heute nicht gut. Dabei können die Kinder doch gar nichts dafür. Haben sie möglicher Weise Angst, dass sie vielleicht ebenso gehandelt hätten in der gleichen Situation ? Viele Male haben Menschen anderen nur helfen können, weil sie selbst in irgend einer Organisation waren. Dafür kenne ich auch Beispiele.
Erna
Erna
Beiträge: 878
Registriert: Freitag 1. April 2005, 10:47

Beitrag von Erna »

Hier ein Beicht von M Schulzki, den sie mir als Mail schickte.

Sie haben mir aus der Seele gesprochen, ich bin auch ein Flüchtlingskind geboren am 2.7.1940 in Angerburg Ostpreußen. Ich musste zuerst mit meiner Großmutter Ostpreußen verlassen, da mein Vater von der russischen Front geschrieben hat, dass sie diese nicht halten können. Da aber meine Eltern einen Bauernhof hatten, blieb meine Mutter und meine 10 Jahre ältere Schwester solange bis es hieß, um 12,oo Uhr muß die Stadt geräumt sein. Meine Schwester sagte, dass sie uns auch nicht früher fliehen ließen.
Meine Großmutter und ich waren zuerst in Sachsen, dann wurden die Flüchtlinge nach Österreich geschafft. Meine Mutter erfuhr über das Rote Kreuz, als sie in Sachsen ankamen, dass wir in Österreich sind.
Wir lagen auf dem Boden in einer Schule, wir beide hatten Lungenentzündung so kamen wir zu einem Bauer der selber 9 Kinder hatte. Meine Oma merkte, dass sie sterben wird. Sie nahm der Bäuerin das Versprechen ab, mich nicht wegzugeben, bis sich meine Familie einfindet.
Eine Frau wollte mich adoptieren. Sie hatte nur einen Sohn, der im Krieg gefallen war. Ich versteckte mich immer wenn sie kam. Als meine Mutter mit meiner Schwester kam, erkannte ich sie nicht mehr und sagte zu ihr: "du bist nicht meine Mama ich warte bis meine Mama kommt." Ich machte einen großen Bogen um sie.
Heute werden die Kinder gleich therapeutisch betreut wenn etwas passiert. Wer hat uns betreut? Wir mussten nach der damaligen Erziehung außerdem funktionieren.
Als ich mal wegen der ewigen Streiterei zwischen meinem Schwester und meiner Mutter, als 16 Jährige
das Haus heimlich verlassen habe, holte mich mein Bruder, aus dem Jugendheim wieder nach Hause.
Als später eine Betreuerin nach mir sah, als ich auf einem Feld mit den Stiefel in ein Dreckloch trat, sagte sie zu mir so wäre ich auch im Dreck versunken, wenn man mich nicht geholt hätte, ich solle meinen Eltern dankbar sein.
Ich hatte so eine Wut, was wußte sie von meinen Gefühlen. Ich musste funktionieren keiner fragte mich was mich bewegt. Mein Vater begann wieder mit der Landwirtschaft. Ob ich oder nicht meine Mutter das wollten, wir wurden nicht gefragt. Nur meine Schwester und mein Vater bestimmten.

Mit freundlichen Grüßen

M.Schulzki
ursel

Manuskript einer Sendung im SWR2: Kindheit im Krieg

Beitrag von ursel »

Heute gab es im SWR 2 10:05 bis 10:30 zu hören: Kindheit im Krieg - Lebenslange Spuren - Von Ursula Jeshel
"Die Sinnlosigkeit des Krieges zeigt sich am schmerzlichsten in dem Leiden der Kinder, die an den Folgen oft lebenslang zu tragen haben. Viele von denen, die im Zweiten Weltkrieg geboren wurden, haben jedoch erst in den letzten Jahren begonnen zu recherchieren und sich mit ihren frühen Erfahrungen auseinander zu setzen. Erst jetzt – vielleicht, weil allmählich ein Bewusstsein dafür entstanden ist, dass es auch im Land der Täter Traumatisierte geben kann. Der Psychoanalytiker Prof. Dr. Michael Ermann spricht von einer „Not und Notwendigkeit des Erinnerns“. Wenn persönliche Geschichten öffentlich gemacht werden, bildet sich aus der individuellen Trauer langsam ein nationales Gedächtnis. Beim gemeinsamen Erinnern an prägende und schmerzliche Erfahrungen machen wir uns gleichzeitig auf die Suche nach neuen Werten, die unsere Gesellschaft wachsen lassen."
Von dieser Seite aus kommt man zum Manuskript der Sendung: http://www.swr.de/swr2/programm/sendung ... index.html
ursel

Seminar U3L Frankfurt Main im Sommersemester 2007

Beitrag von ursel »

Ein Tipp für Interessierte im Raum Frankfurt aus dem Online-Vorlesungsverzeichnis - vorläufige Angaben:
Erziehung und Sozialisation der Kriegskinder nach 1945. Dozentin: Christine Hamann http://univis.uni-frankfurt.de/form?__s ... _1&__e=552
ursel

Deutschlandfunk 29.06.2007 10:10

Beitrag von ursel »

Gerade gelesen:
morgen im DLF 10:10 - 11:30, Journal am Vormittag, Lebenszeit, Kriegserfahrungen: Trauma für Generationen
http://www.dradio.de/dlf/programmtipp/l ... it/640660/
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