Marías, Javier: Mein Herz so weiß

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Carmen Stadelhofer
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Registriert: Donnerstag 31. März 2005, 19:48
Wohnort: Ulm

Sprache, Struktur, Beziehungen

Beitrag von Carmen Stadelhofer »

Bei unserem Treffen in Ulm haben wir über Sprache, Struktur und Beziehungen diskutiert.
Die meisten fanden, dass man einige Zeit konzentriert lesen muss, um sich in die Sprache einzufinden, dass man sich ihr aber dann kaum entziehen kann. Wie ein Chirurg seziert der Ich-Erzähler Juan Situationen, Gesprochenes und Nicht - Gesprochenes, aus der Perspektive des distanzierten Beobachters, und stellt Hypothesen auf: so kann es sein, aber auch so. Übersetzen und Dolmetschen sind immer Interpretations- aber auch Aktionsakte (Gespräch der beiden Regierungsvertreter) wird uns verdeutlicht. Das Analytische und ständig Mitdenkende und Interpretierende seines Berufs appliziert Juan dannn auch auf sein Privatleben.
Der Aufbau (das erste Kapitel wie ein Gemälde, zugleich, wie bei einem Krimi, der Start-Schuß, dann puzzleartig verschiedne Handlungselemente, die sich verdichten durch z.B. Motivwiederholung, Symbolhaftigkeit der Namen, etc. ) wurde als sehr gekonnt eingeschätzt. Bezüge zwischen Marias und Markus Werner wurden hergestellt.

Trotzdem diskutierten wir wohl die meiste Zeit über die Beziehungen in diesem Roman. Juan-Luisa, Juan- Ranz, Ranz und seine Frauen, etc. Eine Teilnehmerin konnte absolut nicht verstehen, dass die Mutter von Juan als jüngere Schwester der verstorbenen zweiten Frau von Ranz diesen heiratet, wenn doch das zwar freiwillige, aber schreckliche Ende der Schwester unmittelbar im Zusammenhang mit Ranz steht (noch in den Flitterwochen). Verschiedene Hypothesen wurden zusammengetragen.
Auch der Selbstmord und sein pschologischer Hintergrund wurde in seinem Kontext und dem Kontext des Titels des Buches "Mein Herz so weiß" länger diskutiert. Die Bedeutung der Geheimnisse, die man nicht erzählen soll. Auch: War das Aussprechen der Schuld für Ranz eine Erlösung?
Es war eine rundum angeregte und anregende Diskussion, mit unterschiedlichen Standpunkten, aber Einigkeit darin, dass es sich gelohnt hat, dieses Buch intensiv zu lesen, ja, dass es soviel an Gedanken beinhalte, dass eine erneute intensive Lektüre sicherlich zu weiteren Erkenntnissen führen wird. Manche hätten das Buch vielleicht nach 50 Seiten weggelegt, weil ihnen der Zugang schwierig war, aber die bevorstehende Gruppendiskussion "verpflichte" zum Weiterlesen, und keine hat es bereut, eher das Gegenteil
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