Die Steuerschraube: Drehung in die falsche Richtung

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Die Steuerschraube: Drehung in die falsche Richtung

Beitrag von hwest »

Die Steuerschraube: Drehung in die falsche Richtung

Nun hat auch das Bundeskabinett die von Steinbrück und Roland Koch ausgebrütete Unternehmenssteuerreform gebilligt. Es gibt zwar Kritik von mehreren Seiten, aber wieder einmal lachen sich die Kapitalgesellschaften ins Fäustchen.

Begründet wird die Reform mit dem Argument, die Steuersätze seien im Vergleich zum Ausland zu hoch, der Standort Deutschland werde attraktiver, mehr Investitionen kämen ins Land. Da fällt der kleine Schönheitsfehler kaum auf, dass die Reform zunächst Steuerausfälle von mindestens sechs Milliarden Euro verursacht.

Verblüffend ist, das man offenbar nur lange genug falsche Behauptungen wiederholen muss, damit alle sie glauben.

Das spricht gegen die Unternehmenssteuerreform:
Die steuerliche Belastung hat sich seit Jahren bereits vom Faktor Kapital auf den Faktor Arbeit verlagert.Das sinkende Aufkommen der Unternehmenssteuern und das wachsende Gewicht der Lohnsteuer zeigen das. Deutschland gehört zu den Industrienationen mit der niedrigsten steuerlichen Belastung des Faktors Kapital. Dies wird durch eine vergleichende Untersuchung belegt, welche die Europäische Kommission für das Jahr 2001 vorlegte: Im Kreis der Länder der EU-15-Gruppe blieb nur Griechenland noch hinter Deutschland zurück.

Nach einer Studie des DIW Berlin wurde durch die deutschen Steuersenkungen der letzten Jahre kein Effekt auf unternehmerische Tätigkeiten festgestellt.

Wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen, dass es „weder theoretische Argumente noch empirische Befunde zur Untermauerung der These gibt, dass Besteuerung wichtige Wachstumseffekte erzeugt.“ Inzwischen haben Dutzende von Studien die Aussage bestätigt, dass Steuersenkungen kein Patentrezept für eine hohe Wachstumsrate sind.

Die Bundesregierung musste die Mehrwertsteuer mit Beginn diesen Jahres erhöhen, weil angeblich der Haushalt dies unbedingt erfordert. Dagegen kann man auf den Ausfall von Milliarden durch die Unternehmenssteuerreform offenbar leicht verzichten. Eine weitere Milliarde verpulvert die Regierung laut letztem Panorama-Bericht durch die Tonnagesteuer, die die steuerliche Belastung der Schifffahrt erheblich verringert – ein Steuergeschenk an die Reeder ohne jede Gegenleistung, obwohl deren Geschäfte florieren.

Eine unserer beiden Koalitionsparteien entblödete sich nicht zu behaupten, dass der Ausbau der Kinderbetreuung nur finanziell machbar sei, wenn dafür das Kindergeld eingefroren wird. An anderer Stelle scheinen dagegen Milliardenausfälle offenbar locker verkraftbar zu sein.

Die Medien geben zu: Eine milliardenschwere Entlastung für gut verdienende Konzerne ist schwer vermittelbar, wenn dieselbe Regierung Arbeitnehmer nach Kräften schröpft. Aber im Grundsatz glauben sie dennoch alle dem Bundesfinanzminister, der die Steuerentlastung der Wirtschaft für dringend nötig hält.

Der Steuersatz soll von 38,7 auf 29,8 Prozent sinken. Die Frage ist allerdings: Wer zahlt denn heute 38,7 Prozent? Hierzu einige Beispiele aus Monitor: Laut Handelsbilanz hat der Stromriese E.ON im Jahr 2005 vor allem in Deutschland als Gewinn vor Steuern 10 Milliarden Euro verdient, tatsächlich an Steuern gezahlt hat er 10 Prozent. Und BMW? Gewinne vor Steuern laut Handelsbilanz 3,29 Milliarden; darauf tatsächlich gezahlte Steuern: 18 Prozent.

Steuerexperte Lorenz Jarass wurde in der Sendung so zitiert: "Dass die tatsächlich bezahlte Belastung der deutschen Kapitalgesellschaften im Jahr 2005 nur noch 16 Prozent beträgt. Und immerhin betrug sie 1999 noch rund 24 Prozent.“ Nicht im Inland versteuerte Gewinne der Konzerne in 2005: 65 Milliarden Euro. Jarass: "Das heißt, die deutschen Kapitalgesellschaften zahlen rund 25 Milliarden Euro Körperschaftssteuer und Gewerbesteuer in der Summe zu wenig. Diese 25 Milliarden Euro sind ziemlich genau das, was die Verbraucher jetzt durch die Mehrwertsteuererhöhung zusätzlich bezahlen müssen."

Zum Schluß die Frage: Mit wie viel Prozent tragen die Unternehmen in Deutschland zum gesamten Steueraufkommen bei? Man staune: mit 2,6 Prozent.

Wann entledigen sich unsere Politiker endlich der Herrschaft der Wirtschaft?

Horst
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