Elfriede Jelinek:Neid - Privatroman

Hier werden alle Bücher einsortiert, deren Diskussion beendet ist.
Erna
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Registriert: Freitag 1. April 2005, 10:47

Beitrag von Erna »

Musik ist etwas, von dem ich nichts verstehe, leider. Es hat sich so ergeben. Den Artikel habe ich gelesen und finde, dass er der Betrachtung Jelineks zustimmt. Aber ist das nicht eigentlich das Los aller Lehrer/innen?
Sie sollen Wissen vermitteln, gleich auf welchem Gebiet, aber als Lehrende werden sie nie als Experte für dieses Fach angesehen.
Erna
Horst Glameyer
Beiträge: 148
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Beitrag von Horst Glameyer »

Zweifellos ist es quälend, ohne die gebührende Anerkennung seitens der Fachleute und Virtuosen seinen Lebensunterhalt damit verdienen zu müssen, indem man mehr oder minder begabten Schülern Klavier- oder Geigenunterricht erteilt; und das nur, weil man die angestrebte musikalische Karriere nicht erreicht hat, obwohl man durchaus begabt genug war.

Verhinderte Dozenten und Professoren gibt es auch unter anderen Lehrern. Selten sind sie zum Leidwesen ihrer Schüler gute Lehrer, von denen sie manche so herablassend behandeln, als würfen sie Perlen vor die Säue.

Zum Lehren gehören Idealismus, Begeisterungsfähigkeit und Freude, anderen, auch schwachen Schülern beim Lernen zu helfen und gleichzeitig die oft überragenden Fähigkeiten der Begabten neidlos anzuerkennen und zu fördern. Die Schüler werden sich gern und dankbar an einen solchen Lehrer erinnern, und das wird ihm Anerkennung genug sein; denn Lehren ist ein dienender, aber auch ungemein wichtiger Beruf, der nicht aus Enttäuschung oder wegen mancher Vorteile ergriffen werden sollte.
Horst
Erna
Beiträge: 878
Registriert: Freitag 1. April 2005, 10:47

Beitrag von Erna »

Ich habe das 1. Kapitel von Neid beendet. Die letzten Seiten, ca 20, habe ich nacheinander gelesen und war froh, als ich am Ende war. Es war für mich sehr niederdrückend, nur Negatives zu lesen. Manchmal fragte ich mich, warum hat Österreich die Vergangenheit noch weniger aufgearbeitet wie wir? Vorausgesetzt, es ist so, wie Jelinek es beschreibt. Warum sind viele Österreicher gegen den Tourismus, nicht nur J., wenn sie doch davon leben?
Trotzdem, es ist schon erstaunlich, wie viele Assoziationen sich bei der Autorin bei einem Gedanken einstellen und wie gekonnt sie mit Sprache umgehen kann.
Erna
ursel

Sprach-Wurstmaschine

Beitrag von ursel »

Liebe Erna,
es gibt eine Namensvetterin von Dir namens Erna (Pfeiffer), die schreibt im JeliNetz gar nicht so positiv darüber, wie J. mit Sprache umgehen kann. Sie redet von einem unaufhörlichen Schwall, von eigenen und fremden Stimmen, die sie durch ihre Sprach-Wurstmaschine gedreht hat, von Wiederaufgekochtem aus früheren Werken. „Elfriede findet keinen Frieden, dreht Endlosschleifen aus Jelinek, Jelinek & Jelinek um den steirischen Erzberg herum“. Dann folgt noch so etwas wie …Rosenkranzgemurmel von Waschweibern, Vor- und Nachbeten, subtiles Gewäsch…
Wer es nachlesen will:
Erna Pfeiffer, Professorin in Graz: Einen „Neid“ will sie sich machen“.
http://www.univie.ac.at/jelinetz/index. ... ich_machen
ursel
p.s. ich teile die Ansicht nicht, denn ich finde es herausragend, wenn man Gedanken so lebhaft sprudeln lassen kann wie E.J. und sie auch noch so verpacken kann wie sie.
ursel

Sendung über Jelineks Neid

Beitrag von ursel »

wie bereits am 01.09. gepostet: morgen, Dienstag, 11.09.07 im Deutschlandradio Kultur 19:30
In mein altes Radio kriege ich den Sender nicht rein, aber ich kann die Sendung im Internet hören:
http://www.dradio.de/dkultur/programmti ... ur/663849/
Auf dieser Seite ist rechts: Live Stream. Bei mir klappt es via flash oder via WMP
Viel spass dabei. Ursel
Brigitte Höfer
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Neid

Beitrag von Brigitte Höfer »

Es fällt mir schwer, mich zu Jelinek zu äußern, denn ich bin sehr ambivalent ihrem online-Roman gegenüber. Auf der einen Seite stört mich auch der Wortschwall, auf der anderen Seite verstehe ich es.
Wem das Herz voll ist, dem geht der Mund über.
Neid. Ich bin gespannt, in welche Richting der Roman gehen wird. Wird es der Neid der Geigenlehrerin Brigitte K. sein, in der falschen Zeit am falschen Ort zu sein und nicht dazugehören zu können?
Weil ihre Herkunft eine völlig andere ist. Sie kann mit der Bergmusikkapelle und den Alpenrebellen ( siehe die Homepage der Gemeinde Eisenerz Österreich - über Google zu erreichen) überhaupt nichts anfangen. Es ist nicht ihr Leben. Sie ist für ein anderes Leben vorbereitet worden. Aber das gibt es hier nicht.
Das Leben, das sie (die J.) hier vorfindet, bereitet ihr Übelkeit. Wer will ihr verübeln, dass sie sich auf dem Papier auskotzt? Schließlich müssen wir den Dreck ja nicht wegmachen. Wir können weggucken und weghören.
Wenn wir aber zuhören und ihren Text wie eine Folie auf die Internetseiten der Gemeinde Eisenerz Österreich und auf die Willkommensrede des Bürgermeisters Gerhard Freiinger legen, dann fällt auch uns auf, dass alles ein wenig geschönt klingt und dass da etwas fehlt. Vor allem in dem Kapitel Geschichte.
Und das ist schon ärgerlich. Zumindest ist es verständlich, dass jemand, der an Geschichte interessiert ist, sich darüber ärgert.
Man kann natürlich sagen: jetzt hört doch endlich auf, in dem alten braunen Sumpf herumzurühren, das ist doch schon lange her, und heute geht es uns doch gut und alles ist schön.
Kann man neidisch sein auf die Menschen, die alles nur von der schönen Seite betrachten? Vielleicht.
Warten wir, was Brigitte K. dazu zu sagen hat.
Bis Freitag, liebe Grüße von Brigitte H.
Erna
Beiträge: 878
Registriert: Freitag 1. April 2005, 10:47

Beitrag von Erna »

Da geht es Dir, Brigitte, so wie den meisten von uns. Auf der einen Seite Hochachtung vor der Frau und ihrer Kreativität, auf der anderen Seite, ja was? Manchmal schüttelte ich den Kopf, manchmal denke ich, so kann die vergangene Zeit aber nicht aufgearbeitet werden und warum schreibt sie dann? Dann weckt es auch in mir Assoziationen und so fort. Ich muss mich mal bei meiner öster. Freundin erkundigen.
Erna
ursel

Treffen der Leserunde

Beitrag von ursel »

Wir hatten gestern beim realen Treffen der Leserunde ViLE Mitte in Frankfurt eine lebhafte Diskussion über inhaltliche Details vom „Neid“, besonders über das Konzentrationslager Eisenerz, die politische Vergangenheit und wie Jelinek darüber schreibt. Da sich unsere Runde aus älteren und jüngeren Senioren zusammensetzt, sind die Standpunkte oft unterschiedlich. Aber es war auch eine Gelegenheit, dass die Älteren den Jüngeren eigene Erlebnisse berichten konnten. Das war eine der immer seltener werden Gelegenheiten von „oral history“. Wobei auch die Jüngeren geprägt sind von der Schwierigkeit, ihre Vergangenheit zu bewältigen. Das hatte sich ja bereits in der Sachbuch-Lektüre „Die vergessene Generation“ gezeigt.

Im Zusammenhang mit der Neid-Lektüre bzw. „Arbeit“ mit dem Jelinekschen Online-Roman hat uns die Entdeckung besonders gefreut, dass der Austausch unserer Leseerfahrungen in diesem Forum auf der Startseite des „JeliNetz“ unter Aktuelles mit einem Hinweis aufgenommen wurde. Das könnte ein Ansporn sein, die Diskussion weiterzuführen. Ich glaube, ohne die Inhalte dieses speziellen „Neid“-Portals wäre der Zugang zum Roman bedeutend schwieriger gewesen.
ursel
Erna
Beiträge: 878
Registriert: Freitag 1. April 2005, 10:47

Beitrag von Erna »

Die gestrige Diskussion über den Jelinek-Roman "Neid" war wirklich sehr lebhaft, vor allem auch deswegen. weil Brigitte viel Hintergrundwissen mit eingebracht hat.
Lange wurde darüber gesprochen, warum Jelinek ständig negativ und vielleicht wütend? schreibt. Soll es daran liegen, dass so viele Familienmitglieder im Nationalsozialismus ihr Leben lassen mussten? Natürlich ist das ein Grund, nur diese Haltung hilft weder anderen noch ihr. Wahrscheinlich kann man es nicht auflösen.
Aus unserer Runde hat eine Leserin für sich eine andere Lösung gefunden.
Erna
ursel

E.J. - ein Porträt

Beitrag von ursel »

Ich habe per Zufall dieses Fundstück erwischt. 2006 bei Rowohlt erschienen, auch als Taschenbuch:
Verena Mayer und Roland Koberg: Elfriede Jelinek. Ein Porträt. Keine Biografie, sagen die beiden österreichischen Autoren - wohnhaft in Berlin - sondern ein Porträt von E.J. als Mensch, Schriftstellerin und öffentliche Person.
Interessant finde ich die Leseprobe, sie bietet schon sehr viel Infos über E.J. (S.7-28, nach dem Inhaltsverz. folgt ein interessantes Vorwort)
http://www.litrix.de/mmo/priv/18873-WEB.pdf
Hier die eigentliche Buchbesprechung
http://www.litrix.de/buecher/sachbueche ... eindex.htm
Ich bin entschlossen, mir das Taschenbuch zu kaufen, weil mich der Lebenshintergrund der Schriftstellerin sehr interessiert.
ursel
ursel

Jelinek: Neid. Kapitel 5, 1.Hälfte ist erschienen

Beitrag von ursel »

Das Taschenbuch (s.o.) habe ich mir gekauft und es mit Gewinn gelesen. Der Neid bleibt kein Fragment, wie manche gewahrsagt hatten: Anfang März 2008 ist vom 5. Kapitel der erste Teil (in 3 Abschnitten) ins Netz gestellt worden. Der 2. Teil wird noch folgen, als Abschluss des Romans. Im Jelinetz ist bereits ein Essay von Bärbel Lücke zum Kapitel 5 erschienen.
ursel
Erna
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Beitrag von Erna »

Die von Ursel angegebenen Links zu Elfriede Jelinek sind sehr interessant.
Erna
ursel

Ende von Neid erschienen

Beitrag von ursel »

Der letzte Teil des 5.Kapitels vom "Neid" - und damit der Schluss des Privatromans - wurde von E.J. am 24.04.2008 auf ihrer Webseite in 5 Abschnitten veröffentlicht. Die Befürchtungen, sie würde ihren Online-Roman nicht fertigstellen, waren also nicht gerechtfertigt.
ursel
Erna
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Beitrag von Erna »

Auf ihrer Homepage hat E. Jelinek sich auch zu dem Geschehen von Amstetten geäußert.
Erna
Erna
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Beitrag von Erna »

Anneliese und Brigitte haben den Beitrag, den E. Jelinek zu Amstetten schrieb, "Im Verlassenen", bei unserem realen Treffen im Dialog gelesen. Durch den ganz ausgezeichneten Vortrag, erschloss sich mir der Text, den ich vor einigen Wochen bereits einmal gelesen hatte, auf eine ganz besondere Weise. All die Wortspiele und Assoziationen, die eine Stärke von E. Jelinek sind und die beim Lesen manchmal ermüdend wirken, waren hier sehr lebhaft und logisch. Es war ein bereichender Abschluss von E.Jelineks "Neid".
Erna
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