Diskussionsstrang zum Funkkolleg: "Welt der Geschichten

Hier werden alle Bücher einsortiert, deren Diskussion beendet ist.
Erna
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Beitrag von Erna »

Mit der letzten Sendung über die Metatexte kann ich nicht viel anfangen. Wahrscheinlich muss ich sie mehrmals lesen oder ich habe mir etwas anderes darunter vorgestellt. Vielleicht kann mir ja jemand helfen.
Erna
HildegardN
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13. Funkkolleg

Beitrag von HildegardN »

Wie Erna, hat mir das Funkkolleg am 6. Februar nichts vermitteln können, ganz sicher, weil ich seinem Inhalt infolge fehlenden Wissens nicht folgen konnte. Dagegen hat mich das 13. Funkkolleg am gestrigen Samstag besonders beeindruckt. Die Wirkung, der Erfolg des Erzählens im wirtschaftlichen Bereich, das ist es, was mich in meinem Berufsleben - und noch darüber hinaus - immer wieder beschäftigte und weiter interessiert.
Natürlich hat die Möglichkeit, wirtschaftliche Fakten erzählend aufzuzeigen, inzwischen steigende Chancen erhalten, wie z.B. durch das Internet und die aktuellen Themen wie Globalisierung, Klimaschutz, oft in Verbindung mit Bevölkerungsentwicklung oder auch Migration und Integration. Aber es geht bei den Fakten nicht, wie im Funkkolleg zum Ausdruck gebracht, ohne Authenzitität und Glaubwürdigkeit.
Deshalb hat mich die am Anfang der Sendung gestellte Frage: " Warum ist Erzählen besser als Berichten oder Befragen"? etwas verunsichert. Ich meine, es kommt auf beides an, wobei das Erzählen die Gewichte der durch Befragung oder aus den Berichten gewonnenen Ergebnisse beeinflussen kann.
Im Verlauf des Funkkollegs kommt dies durch folgende Feststellung klar zum Ausdruck: "Der narrative Ansatz wird gepflegt, weil so eine Verdichtung und Dramatisierung der trockenen wirtschaftlichen Daten möglich ist. Die Zahlen, Umsatz, Renditeerwartung und anderes sind nach wie vor entscheidend. Aber die Verpackung wird immer wichtiger...".

Es kommt also wesentlich auf die Verpackung, also auf das Erzählen an, und gar nicht selten, so zeigt die Erfahrung, ist die Verpfackung wirkungsvoller als der Inhalt.
Horst Glameyer
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Funkkolleg: Metatext

Beitrag von Horst Glameyer »

„Metatext“ entspricht dem früher geläufigeren Begriff der „Rahmenerzählung“. Innerhalb einer Geschichte, die als Rahmen dient, erzählen eine oder mehrere Figuren eigene Geschichten, die auf diese Weise glaubwürdiger erscheinen sollen, weil der Autor sie anderen in den Mund legt und er sie sich scheinbar nicht selbst ausgedacht hat.

Die Rahmenerzählung war schon im Mittelalter sehr beliebt, z. B. erzählen sich in Giovanni Boccaccios „Decamerone“ (entstanden 1348 – 1353, gedruckt 1470) sieben Damen und drei Herren an 10 Tagen auf einem Landgut bei Florenz zur Zeit der großen Pest 1348 Geschichten, die von der Liebe handeln, und diskutieren über Liebesmoral.
Im Funkkolleg werden u.a. die „Canterbury-Erzählungen“ von Geoffrey Chaucer erwähnt, die von 1387 – 1400 entstanden. Darin treffen sich am 15. April 1387 in einem Gasthof des Londoner Vororts Southwark 30 Pilger, die zum Grab des Heiligen Thomas Becket in Canterbury wallfahren wollen. Um sich unterwegs die Zeit zu vertreiben, soll jeder zwei Geschichten auf dem Hin- und zwei auf dem Rückweg erzählen. Chaucer selbst beteiligt sich als scheinbar wenig geübter Erzähler an dem Vorhaben und mischt sich damit unter seine kritischen und streitbaren Figuren. Vollendet hat er nur 22 Geschichten.
Im 19. Jahrhundert verwendet Theodor Storm die Rahmenerzählung in manchen seiner Novellen.
Erna
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Beitrag von Erna »

Zu Hildegard:
Genausso wie es heute immer wichtiger ist, dass ein Geschenk schön verpackt
wird, manchmal kostet die Verpackung mehr als der Inhalt, ist es auch in der Literatur. Es ist für mich viel amüsanter, authentische Fakten narrativ aufbereitet zu lesen, als Statistiken und Zahlenreihen, bei denen ich nach kurzer Zeit müde bin und es lasse.
Zu Horst:
Danke Dir Horst für die Einführung des Wortes Rahmenerzählung, mit dem ich etwas anfangen kann. Aus dem Text, meine ich, war es nicht zu verstehen.
Erna
Brigitte Höfer
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Metatext

Beitrag von Brigitte Höfer »

Liebe Erna,

Metatext ist eine Sammelbezeichnung für alle Texte, die von Texten handeln, also auch der Rahmenhandlungstext, wie Horst Glameyer es anführt, aber auch die Buchrezension und die Inhaltsangabe eines Textes, also alle Sekundärliteratur, die es zu einem Text gibt - sei er literarisch oder wissenschaftlich.

Auch ich hatte Schwierigkeiten mit der Sendung. Es war alles ein wenig viel: Die Figuren, die ihre eigene Fiktionalität reflektieren; der Träumer. der träumt, nie wieder aus dem Traum aufzuwachen; das Verhältnis Text zu Sprache und Text zu Welt im Spiel miteinander verwoben durch die Konstruktion, durch Tricks und Spielereien und durch die Verquickung von Illusion und Desillusion. Die Kunstgriffe sind schwer durchschaubar, wenn Schriftsteller versuchen, die Möglichkeiten und die Grenzen des Erzählens auszuloten.
Erna
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Beitrag von Erna »

Allmählich wird auch diese Sendung verständlich, danke Brigitte. Manches bekommt einen neuen Namen und schon findet man sich nicht mehr zurecht. Ich habe allerdings auch nicht im Buch nachgesehen, ob dort etwas darüber steht.
Erna
renate breiter2

Beitrag von renate breiter2 »

Liebe Erna, dir wieder einmal herzlichen Dank, dass du die Frage nach den Metatexten im FK formuliert hast; auch ich war mir unsicher, da ich die Metaebene bisher nur bei der Linguistik kennengelernt hatte.
Liebe Brigitte, das war eine pädagogisch sehr gute Erklärung - damit würden die Geschichten von 1001-Nacht auch innerhalb der Metaebene spielen?
Zu Hildegard: dass man Marketing und PR-Fragen in Wirtschaft und Wissenschaft auf eine "Erzähl"ebene transponiert, um damit die Wirksamkeit zu erhöhen, finde ich faszinierend; ein Einbruch der weichen Faktoren in die doch angeblich so harten mit Zahlen belegbaren Fakten. Heißt das denn in der Konsequenz, dass Berufe/Studien, die die Fähigkeiten zum Erzählen fördern, beste Zukunftsaussichten haben?
HildegardN
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Beitrag von HildegardN »

Liebe Renate, alles, was schön verpackt ist, kommt besser an, das wurde hier schon vermerkt und gilt, davon bin ich überzeugt, auch für trockene Fakten. Die erzählende Darstellung hat hier gute Chancen.
Erna
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Beitrag von Erna »

Die letzte Sendung über Geschichte und Geschichten hat mich sehr interessiert. Dabei ist mir der Roman "Die Vermessung der Welt" eingefallen, wo der Autor ganz wissentlich die Vorkommnisse anders geschildert hat, als sie in Wirklichkeit waren, z.B. das Verhältnis von Gauss zu seiner zweiten Ehefrau und seinem Sohn. Wenn es eine historische Erzählung gewesen wäre, wäre es fatal. Aber es war ein Roman.
Wobei man davon ausgehen muss, dass Geschichtsschreibung, Wissenschaft hin oder her, nie die absolute Wahrheit darstellt, da spielen Umfeld und Sichtweise eine zu große Rolle, von der auch schon die Quellen betroffen sind.
Vielleicht gab es auch deswegen den großen Widerstand gegen die oral history in Deutschland.
Erna
Horst Glameyer
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Zum Funkkolleg: Geschichte erzählen

Beitrag von Horst Glameyer »

Liebe Erna,
es trifft zu, dass sich die Geschichtswissenschaft nicht nur mit Quellen und feststehenden Tatsachen beschäftigt, sondern sie versucht häufig, das Vergangene trotz mancher Lücken in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen und allgemein verständlich zu beschreiben. Ähnlich verfahren wir, wenn wir unsere eigene Lebensgeschichte aus der Erinnerung und anhand von Briefen und anderen Urkunden erzählen.
Außerdem ist der Historiker gegenüber einer geschichtlichen Persönlichkeit, die eine Entscheidung treffen musste, im Vorteil, weil er im Gegensatz zu ihr stets die Folgen ihrer Entscheidung kennt. So kann er sie aufgrund des zeitlichen Abstands als richtig oder falsch beurteilen.
Wie sehr Historiker sich auch um Objektivität bemühen mögen, welches Geschichtsbild über den Schulunterricht dem Volk vermittelt werden soll, darüber entscheiden die jeweiligen Regierungspolitiker in den Lehrplänen.
Mit Geschichtsbildern aber können in öffentlichen Reden und Medien Emotionen für oder gegen Angehörige anderer Völker, Rassen, Religionen und Kulturen geweckt werden. Oft genug weichen die Geschichtsbücher benachbarter Länder in der Deutung feststehender Ereignisse weit voneinander ab und beeinflussen damit ganze Generationen in ihrem gegenseitigen Verständnis.
So wurde das Vordringen Heinrichs des Löwen im Mittelalter nach Osten im Geschichtsunterricht des Dritten Reiches für die Richtigkeit der eigenen Ostpolitik in Anspruch genommen. Die Gefolgschaftsverweigerung gegenüber Kaiser Friedrich I. Barbarossa auf dessen Zug nach Italien hielt man deswegen für gerechtfertigt.
Geschichtsschreibung war und ist alles andere als harmlos. Selbst die berühmte antike Schlacht zwischen den Spartanern und Persern bei den Thermopylen, in der die Spartaner unterlagen, kann immer wieder neu gedeutet werden. Aus Niederlagen werden dann nachahmenswerte Heldentaten, wie z. B. aus der Berufung auf die Schlacht auf dem Amselfeld (Sieg der Türken über die Serben im Jahre 1389) der heutige Kosovokonflikt entstand.
Gruß Horst
Erna
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Beitrag von Erna »

Lieber Horst,
als ich Deinen Artikel las, fiel mir auch gleich die Schlacht vom Amselfeld ein. In der Türkei ging man sogar so weit, dass Atatürk um die verschiedenen Völker in seinem Staat für den Nationalstaat zu vereinnahmen, ein Fach "nationale Geschichte" einführte.
Erna
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ellen
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Beitrag von ellen »

Ganz so dramatisch und darüber hinaus etwas schwarz-weiß wie Horst, sehe ich das nicht, jedenfalls nicht im gegenwärtigen Deutschland. Was hier passiert ist eher Aktionismus denn politisch gefärbt, als da wäre die Einführung des G 8 oder der Turbo-Abiturs. Da wird unreflektiert "entrümpelt", welche Entscheidungsgrundlage da vorliegt weiß man nicht so recht - Verwaltungsjuristen? Aber mit dem Dritten Reich sicherlich nicht zu vergleichen.
Für den ganz normalen Geschichtsunterricht habe ich denn doch in unserem Staat Vertrauen in die Köpfe unserer Lehrer, denn sie sind es letztlich, die auch abseits des Lehrplans unterrichten bzw. diesen auszuschmücken wissen - habe ich selber erlebt.
Auch halte ich die Historiker nicht für so unbedarft gegenüber der Beurteilung von Geschichte. Aber da liest sicher jeder ein bißchen anders und anderes.
Nachdenklich macht mich dagegen aber, was andere Staaten über die Welt wissen wollen - oder eben nicht. Da hört man doch Schlimmes aus den USA. Aber die können sich das als Weltmacht wohl leisten? Ich kann prima in den USA leben, ohne je einen Fuß in die Welt gesetzt zu haben. Aber kann ich das auch in Europa oder Deutschland? Da sind wir doch immer wieder mir unseren Nachbarn konfrontiert und da lohnt es zu wissen, damit das Zusammenleben funktioniert. Ellen
Horst Glameyer
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Funkkolleg: Welt der Geschichten

Beitrag von Horst Glameyer »

Gerade sah ich zu nächtlicher Stunde die Arte-Fernsehsendung „Mustapha Kemal Atatürk“. Wie Erna erwähnt, ließ Atatürk eigens ein Geschichtsbild entwerfen, das ohne Rücksicht auf die tatsächliche Geschichte Anatoliens dazu diente, in den Türken das von ihm erstrebte Nationalbewußtsein zu wecken. Nach dem Fernsehbeitrag zu urteilen, war es durchaus erfolgreich.

Aus der Sowjetunion ist bekannt, wie die Spuren der bei Stalin in Ungnade geratenen Personen aus dokumentarischen Filmaufnahmen, Urkunden und anderen Dokumenten derart geschickt entfernt wurden, als hätten sie nie existiert. Vor allem autoritäre und diktatorische Regime üben oft zu ihrer Legitimierung starken Einfluss auf die Geschichtsschreibung aus, dem sich Historiker nicht immer gefahrlos entziehen können. Wichtige Zeugnisse unliebsamer Vorgänge sind wohl zu allen Zeiten im Auftrag der Herrschenden beizeiten vernichtet worden, damit sie der Nachwelt nicht bekannt und deren Ansehen schädigen würden.
Wer sich ein möglichst zutreffendes Geschichtsbild von einem bestimmten Ereignis oder einer Entwicklung verschaffen möchte, sollte die von Historikern verschiedener Länder verfaßten Darstellungen dazu heranziehen. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo in der Mitte.
Horst
renate breiter2

Beitrag von renate breiter2 »

Leider habe ich das FK vom 8.3. zur Geschichte nicht gehört - der Podcast liegt noch ungehört bereit!
Aber auch am 15.3. die 17. Folge, die die Psychologie der eigenen Erzählweise und die der anderen im Blick hat, hat mich so fasziniert, dass ich das Skript ausgedruckt habe. Es ist 12 Seiten lang und etwas schlecht zu lesen; aber für Menschen die sich mit Autobiografischem Schreiben auseinandersetzen wollen fast ein Muss. Weiteres nach dem Lesen.
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ellen
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Beitrag von ellen »

Leider keine Antwort auf Eure Anmerkungen zum Thema, sondern nur etwas zum Fundkkolleg bzw. Podcasting: Bei der Vorbereitung meines Podcast-Newsletters habe ich bei hr2 reingeschaut und gesehen, dass man die 1. Klausur herunterladen kann. Auch wenn man nicht an der Weiterbildung in der vom hr angebotenen Form teilnehemen will, so kann es doch interessant sein herauszufinden, was im Kopf hängen geblieben ist? Wen immer das interessieren mag, von der Startseite des Funkkollegs beim hr2 findet Ihr einen Link zum Download (12 Seiten Word-Dokument).

Ich habe dann auch noch einen Blick auf den weiteren Terminplan beim FK geworfen: der nächstes Sendetermin ist wegen der Osterferien der 5.4.08. Danach läuft das FK noch ca. einen Monat. Hätte danach jemand Lust und Laune eine kleine Diskussion/Aussprach zum Funkkolleg/zum Podcasting bei uns im Netzwerk mitzumachen? Vielleicht könnte man dann ja bei nächster Gelegenheit solch ein Lernangebot etwas größer ankündigen - oder gar nicht oder in einer ganz anderen Form oder so. Ellen
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