Martin Suter: Small World

Hier werden alle Bücher einsortiert, deren Diskussion beendet ist.
Brigitte Höfer
Beiträge: 440
Registriert: Donnerstag 9. Februar 2006, 17:51
Wohnort: 61440

Martin Suter

Beitrag von Brigitte Höfer »

Ich fand das Verwirrspiel des Autors großartig und habe inzwischen noch weitere Bücher des Autors gelesen. Ein sehr intelligenter Mann! Und sehr gut konstruierte Plots! Mit seiner klaren und schnörkellosen Sprache führt er uns in die fremdesten Umgebungen, mit denen wir in kurzer Zeit vertraut sind. Aber wie ein Schlafwandler übersieht der Protagonist und damit der Leser die entscheidenden Sachverhalte. Erst ganz zum Ende löst sich das Rätsel. Genial!
Brigitte
Marlis Beutel
Beiträge: 364
Registriert: Mittwoch 5. April 2006, 18:54
Wohnort: 64646 Heppenheim

Noch einmal Suter

Beitrag von Marlis Beutel »

Der Leser kann den Roman nicht wie ein Schlafwandler über sich ergehen lassen. Dafür ist das Thema zu brisant. Außerdem weist ja der Autor ständig darauf hin, dass etwas nicht stimmt.
Man kann den Roman nicht einordnen. Hat der Autor vielleicht einen Krimi aus dem Stoff gemacht, um die Krankheit nicht zu Ende zu denken?
Die Art und Weise, wie Konrad um eine gesunde Entwicklung gebracht wurde, löst im Leser eine ziemliche Wut aus. Mit Elviras Selbstmord und dem Tod ihres Fahrers ist keineswegs die Welt wieder in Ordnung.

Ich finde es immer noch schwierig, das Buch aus der Distanz zu beurteilen.

Viele Grüße von der Bergstraße, Marlis
Marlis Beutel
Brigitte Höfer
Beiträge: 440
Registriert: Donnerstag 9. Februar 2006, 17:51
Wohnort: 61440

Small world

Beitrag von Brigitte Höfer »

Vielleicht sollte man den Titel wirklich metaphorisch nehmen. Leben wir nicht alle in einer kleinen Welt, sprich: unsere Welt ist klein konstruiert, erst von den Eltern, dann auch von uns. Die Tabus werden gesellschaftlich vermittelt. Was man nicht denken darf, wird nicht gedacht. Es sei denn, es gerät etwas aus den Fugen, und das Unbewusste gibt Dinge frei, die noch nicht erledigt sind. Dann ist die Aufregung groß...
Suters Roman schildert die Welt aus der Perspektive Konrads. Am Anfang hat man wenig Sympathien mit ihm, weil er als Alkoholiker auftritt. Das hat die Konnotation von Verantwortungslosigkeit und sogar Gefährlichkeit. Als Gegenfigur wirkt Elvira als die Zuverlässige und Großzügige, die bereit ist, Konrad immer wieder zu verzeihen.
Suter gibt dem Leser nicht viele Hilfen, hinter die Fassade zu schauen. Die einzige Figur, die dem Leser hilft, ist Simone. Mit ihrer Detektivarbeit kommt das erste Misstrauen in die Idylle der Koch-Familie. Am Ende gibt uns Suter einen direkten Hinweis auf die Intrigen von Elvira, indem er sie an den Ort ihrer Vergewaltigung zurückkehren lässt.

Zerstörung und Selbstzerstörung beherrschen die Welt im Kleinen und im Großen, oder? (Zumindest wenn man Elfriede Jellinek liest, ist das so.)

Brigitte
Erna
Beiträge: 878
Registriert: Freitag 1. April 2005, 10:47

Beitrag von Erna »

Unser neues, leider etwas angeschlagenes Lesemitglied Sigrid Peicke schrieb diese Bemerkung:

Im nachhinein hat mich das Buch doch sehr bewegt. Eine Frau setzt die Personen wie Schachfiguren ein zu ihrem Vorteil. Es ist grausam wie sie die Identität von Konrad (nicht zuletzt auch von ihrem Sohn) zerstört. Er ist wie ein Leibeigener. Als er sich endlich ein eigenes Leben mit einer Frau aufbauen will, die ihn so nimmt wie er ist, kommt just die alte Abhängigkeit wieder in die Quere, der er letzten Endes nur durch die Flucht in die Krankheit entrinnen kann. Hier kann er sich nun einrichten.
Sigrid
Gesperrt