Melinda Nadj Abonji: Tauben fliegen auf

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Erna
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Melinda Nadj Abonji: Tauben fliegen auf

Beitrag von Erna »

Liebe MitleserInnen,
ab 15. Februar lesen wir das oben genannte Buch. Voraussichtlich ist es für uns sehr interessant, da wir in Deutschland ja auch einen hohen Prozentsatz von Zuwanderern aus Ex-Jugoslawien haben. In meinem beruflichen Leben war es so, dass wir mit den Kindern dieser Ethnie keinerlei Schwierigkeiten hatten.
Allerdings weiß ich nicht, ob sie die vielleicht mit uns hatten. Wir werden es sehen.
Viel Spaß beim Lesen
Erna
Erna
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Re: Melinda Nadj Abonji: Tauben fliegen auf

Beitrag von Erna »

Ich war neugierig und habe die ersten Seiten schon gelesen. Sie beschreiben die Fahrt und Ankunft im Heimatdorf in der Vojvodina. Was mich ein bisschen in Erstaunen versetzt, sind die Erwartungen, die die Kinder an den Ort stellen. Es soll sich möglichst nichts verändert haben, alles soll noch so geblieben sein, wie zu der Zeit, als man ihn verlassen hat.
Erstaunlich sind auch die unheimlich langen Sätze. Oft sind es nur zwei auf einer Seite. Da müssen wir, die wir vom Internet an kurze Sätze gewöhnt sind, schon sehr aufmerksam lesen.
Erna
Marlis Beutel
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Re: Melinda Nadj Abonji: Tauben fliegen auf

Beitrag von Marlis Beutel »

Liebe Erna und liebe Mitleserinnen,

unser jetziges Buch liest sich trotz der langen Sätze ausgesprochen gut. Woran liegt das? Wahrscheinlich sind die Sätze nicht mit Fakten überfrachtet sondern versuchen, das Erzählte möglichst genau zu beschreiben. Ich bin auch erleichtert, dass es nicht um so dramatische Ereignisse geht wie in unserer letzten Lektüre.

Viele Grüße von der Bergstraße, Marlis
Marlis Beutel
Erna
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Re: Melinda Nadj Abonji: Tauben fliegen auf

Beitrag von Erna »

Liebe Marlis,
ich habe direkt schon auf Deinen Beitrag gewartet. Du hast Recht, das Buch liest sich gut. Achte bitte einmal beim Lesen auf die Schreibweise, wenn die Autorin von der Vojvodina berichtet und von der Schweiz.
Ich will noch nichts sagen, weil ich nicht weiß, wie weit die anderen sind.
Bei unseren anderen Büchern hat netterweise ein "Klaus" mitdiskutiert. Kennt jemand von Euch die Mailanschrift? Ich würde ihm auch gern die Mails schicken, die wir manchmal schreiben.
Liebe Grüße
Erna
HildegardN
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Re: Melinda Nadj Abonji: Tauben fliegen auf

Beitrag von HildegardN »

Liebe Mitleserinnen,
Erna machte darauf aufmerksam, dass wir auf die unterschiedliche Schreibweise der Autorin achten sollten, die sich wohl ihres Erachtens, je nachdem, ob es sich um die frühere oder die derzeitige Heimat handelt, unterscheidet. Vielleicht finden wir in dem späteren Kapitel "Welten", das etwa in der Mitte des Buches beginnt, darüber Aufschluss bzw. eine nähere Erklärung.

Ich hatte zu Beginn des Romans etwas Schwierigkeiten, mich mit der Sprache der Autorin anzufreunden. Als ich einige Besprechungstexte befragte, fand ich keine mir einleuchtende Antwort. "Ein schwungvoll und gewitzt erzählter Roman" lautete z.B. eine deutliche Beurteilung, die ich allerdings nicht teilen kann.
Inzwischen habe ich fast die Hälfte des Romans gelesen und habe wieder, wie so oft oder zumeist, Freude an unserer gemeinsam ausgewählten Lektüre.
Euch allen herzliche Grüße aus Bad Homburg, Hildegard
Marlis Beutel
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Re: Melinda Nadj Abonji: Tauben fliegen auf

Beitrag von Marlis Beutel »

Liebe Leserinnen,

Jetzt bin ich bei Seite 175 und finde das Buch sehr mitreißend. Man wird als Leser mit in das Buch hineingenommen, ob man will oder nicht. Bis jetzt ist es ein Pendeln zwischen zwei Welten, in der einen ist das Herz zu Hause, in der anderen der Verstand. In welchem Ausmaß können sich Einwanderer auf die andere Welt einlassen, die sie aus wirtschaftlichen Gründen aufgesucht haben und die sie aufgenommen hat?
Das Seminar in Bad Urach handelt von Südosteuropa. Ich bin deshalb dankbar, dass auch unser Roman davon handelt. Die Eltern der Erzählerin kommen aus Serbien, sprechen aber Ungarisch. Das kann ich bis jetzt nicht einordnen.

Viele Grüße, Marlis
Marlis Beutel
HildegardN
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Re: Melinda Nadj Abonji: Tauben fliegen auf

Beitrag von HildegardN »

Liebe Mitleserinnen,
inzwischen habe ich das Buch zuende gelesen.
Besondrs beschäftigt haben mich die beiden Welten, in denen sich das Leben der Einwandererfamilie abespielt, wenn auch mit unterschiedlichen Schwerpunkten. "In der einen ist das Herz zu Hause, in der anderen der Verstand", schreibt Marlis, und so sehe ich es auch bei den Eltern, die sich mit ihrer Vergangenheit auseinander gesetzt und sich vor allem aus wirtschaftlichen Gründen in ihrer neuen Heimat integiert haben.
Anders die beiden Töchter. Sie haben keine belastende Vergangenheit erlebt. Ihre frühere Kindheit verbrachten sie in der Geborgenheit einer liebevollen Familie, wobei die Abwesenheit der Eltern wahrscheinlich keine gravierende Rolle spielte. Diese Situation erleben sie weiterhin bei ihren Besuchen in der alten Heimat, wo sie stets liebevoll empfangen und verwöhnt werden. In der Schweiz, ihrer neuen Heimat, werden sie mit dem Alltag konfrontiert und bald als Heranwachsende auch mit den Anforderungen und Herausforderungen des neuen Lebens.
Ist es da verwunderlich, dass sie in ihrer 'neuen Welt' nicht angekommen sind?

Ich habe den Eindruck, dass die beiden Töchter gar nicht erkennen oder begreifen, dass sich die Lebensbedingungen in ihrer früheren Heimat infolge der politischen Entwicklung völlig verändert haben. Liegt es daran, dass die zielstrebigen Eltern ihren Töchtern weiterhin Geborgenheit bieten und ein eigenes zukunftweisendes selbständiges Handeln weder einfordern noch herausfordern?
Ildikos Aufbruch lässt hoffen, dass sie erkannt hat, ihre eigene Zukunft selbst in die Hand nehmen zu müssen. Den Weg dahin lässt die Autorin offen, aber die "Tauben fliegen auf".

Mit herzlichen Grüßen aus Bad Homburg
Hildegard
Erna
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Re: Melinda Nadj Abonji: Tauben fliegen auf

Beitrag von Erna »

Tauben fliegen auf..
wenn ich dieses Buch lese,oder besserer gelesen habe, musste ich immer wieder feststellen, wie gut hat es doch die Familie in der Schweiz gehabt! Davor habe ich schon eine Reihe von Büchern über Auswanderer nach anderen Ländern gelesen, vor allem auch nach Deutschland. Nur wenige Familien haben mit so wenigen Schwierigkeiten das Leben in einem neuen Land angefangen. Nicht einmal wir, die wir als Flüchtlinge oder Aussiedler in einen anderen Teil unseres Landes gekommen sind. Wir haben erheblich mehr zu kämpfen gehabt. Oder vergleicht man nur diese Buch mit "Leyla" oder "Das Leben ist eine Karawanserei" und noch vielen anderen, dann kommt es mir ein wenig weich gespült vor. Ausgenommen vielleicht das Ereignis in der Toilette, bei dem man nicht weiß, welches war der Grund dafür.
Interessanter empfand ich das Auseinanderbrechen von Exjugoslawien.
Sicher werde ich noch einiges dazu schreiben, denn ich hatte ja Zeit es zu lesen.
Jetzt bin ich wieder zu Hause.
Liebe Grüße
Erna
Brigitte Höfer
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Re: Melinda Nadj Abonji: Tauben fliegen auf

Beitrag von Brigitte Höfer »

Am 28. Januar hat Melinda Nadj Abonji in der Frankfurter Sparkasse 1822 aus ihrem Buch gelesen. Aus diesem Anlass erschien in der Frankfurter Neuen Presse ein Interview mit ihr:
<http://www.fnp.de/fnp/freizeit/veransta ... 68.de.html>

Ich fand dieses Interview sehr interessant. Leider ist der Interviewer nicht namentlich genannt. Er fragt: "Dann hat die Auszeichnung nicht nur positive Folgen für Sie?" Sie antwortet: "Überhaupt nicht, das ist sehr ambivalent. Aber zu solche einem Erfolg gehört wohl dazu, dass man Prügel bekommt. Die ganzen politischen Zuspitzungen in der Schweiz, die ich bisher nur beobachtet habe, erfahre ich jetzt am eigenen Leib ..."

Es wäre schön, wenn unsere Ulmer Lesegruppe, die das Buch bereits gelesen und besprochen hat, auch einmal einen Beitrag ins Forum schreiben würde!

Liebe Grüße, Brigitte
Margret Budde

Re: Melinda Nadj Abonji: Tauben fliegen auf

Beitrag von Margret Budde »

Liebe Lesegruppe,

Sehr genau lese ich immer eure Kommentare zu den Büchern und kann somit wenigstens etwas an den Inhalten teilhaben, da mir die Zeit fehlt, auch das Buch zu lesen. Leider, ich kann mich nicht überall engagieren, wenn ich auch oft möchte.

Brigittes Vorschlag kann ich nur unterstützen. Habt ihr in Frankfurt Kontakt mit dieser Gruppe, dass ihr von euren jeweiligen Leseprojekten wisst?

Aber auch die Frankfurter Lesegruppe besteht aus mehr Personen als die, die hier immer mitdiskutieren. Wenn einige mehr ihre Beiträge, die sie in der Gruppe zusammentragen auch ins Forum stellen, würde es noch spannender. Seht es bitte nicht als Vorwurf sondern als Vorschlag. Ich kenne mich selbst. Oft ist es nur eine Sache der Umgewöhnung. Da ich ziemlich früh eure neuen Leseplanungen erfahre, bin ich jedesmal gespannt, was ihr dazu schreibt.
Für Menschen wie mich, die eine fundierte Übersicht über ein Buch erhalten möchten, eben weil sie nicht das ganze Buch lesen können oder wollen, wäre das ein tolles Angebot.

Das ist übrigens ein Vorschlag für uns alle, auch einmal über den Tellerrand zu schauen, d.h. in andere Foren.
Man kann nicht überall schreiben. Aber ein Forum nur mit alten Daten ist nicht unbedingt sehr einladend.

Viele Grüße
Margret
Erna
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Re: Melinda Nadj Abonji: Tauben fliegen auf

Beitrag von Erna »

Liebe Margret,
was meinst du , wie wir uns freuen würden, wenn ein paar mehr Leser schreiben würden! Dabei brauchen sie sich nicht einmal als Mitglied dieser Gruppe zu empfinden. Wie oft habe ich schon an die ViLE-Mitglieder geschrieben.
Aber wir sind zufrieden, wenn wir immer noch die jetzigen SchreiberInnen haben. Vor allem Marlis und Hildegard! Wir hatten auch schon einmal Madeleine aus Lyon und Christa und so weiter und wir freuen uns auch über Klaus.
Immerhin sind die meisten von uns bereits sechs Jahre zusammen. Du darfst auch gern Deinen Kommentar dazu schreiben, wenn Du einmal ein Buch kennst.
Demnächst noch etwas zu den Tauben.
Erna
Marlis Beutel
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Re: Melinda Nadj Abonji: Tauben fliegen auf

Beitrag von Marlis Beutel »

Liebe Lesefreundinnen,

das Buch habe ich beendet und noch einmal begonnen. Bei anderen Romanen fand ich beim zweiten Lesen genügend Stellen, die ich gern noch einmal nachlas und durchdachte. Diesmal ist es anders. Die Autorin lässt bei ihrer Erzählung nichts aus, kommt mir vor, ist so genau wie möglich mit ganz vielen Einzelheiten. Ein zweites Mal will man diese Einzelheiten aber nicht unbedingt wissen, so interessant sind sie nicht. Da interessiert mehr der rote Faden und Folgerungen, die sich aus dem Gesagten ergeben beziehungsweise Hintergründe.
Ich habe auch nicht wirklich verstanden, was die Autorin mit der Toilettengeschichte sagen will.
Soll das ein ausländerfeindlicher Akt sein? Mit Ärgernissen und Gemeinheiten schlägt sich doch jeder zuweilen herum. Die Eltern gehen auch zur Tagesordnung über.
Diese Familie integriert sich immerhin in ihre neue Heimat, lernt die Sprache, bemüht sich um die Staatsbürgerschaft. Und dass die Töchter irgendwann ihr eigenes Leben führen wollen und sich abnabeln, ist in ihrer neuen Heimat normal.

Viele Grüße von der Bergstraße, Marlis
Marlis Beutel
Erna
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Re: Melinda Nadj Abonji: Tauben fliegen auf

Beitrag von Erna »

Liebe Marlis,
weil Du sonst immer nach der Bedeutung des Titels fragst, habe ich versucht herauszubekommen, was er uns sagen will. Es gibt drei Stellen, die von Tauben sprechen, einmal mag die Mutter die Taubensuppe von Mamika so gern, dann ist Bela stolz darauf, dass die Westler seine Tauben für etwas Besonderes halten und endlich sieht Ildiko die Tauben am Himmel fliegen. Sind die Tauben das Einzige, auf das die Exjugoslawen noch stolz sein können?
Nichts ist mehr so wie früher nach dem Zerfall des Landes. Obwohl die Familie Koczis meiner Meinung nach in der Schweiz einen verhältnismäßig leichten Anfang hat, ist sie doch nirgendwo "daheim". Vielleicht muss man dies auch wollen und bejahen und sich auf das Neue einlassen?
Erna
HildegardN
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Re: Melinda Nadj Abonji: Tauben fliegen auf

Beitrag von HildegardN »

Liebe Lesefreundinnen,
auch ich würde diesen Roman, ebenso wie Marlis, nicht ein zweites Mal lesen wollen, obwohl einige Begebenheiten oder Passagen mich zum Nachdenken anregten. Gefesselt hat mich allerdings dieses Buch keineswegs.

Marlis fragt, ob die "Toilettengeschichte" als ein ausländerfeindlicher Akt zu verstehen ist. Ich habe ihn als ein solches Zeichen verstanden, und Ildiko hat daraus ihre persönlichen Konsequenzen gezogen und ist ausgezogen. Trotzdem sehe ich ihn nicht als ihren eigentlichen Grund an, ihr Elternhaus und ihr bisheriges Leben aufzugeben, sondern als Auslöser für diesen Schritt.

Anders als ich Ernas Ausführungen vestanden habe, meine ich allerdings nicht, dass die "ganze Familie Koczis" in der Schweiz nicht heimisch geworden ist. Die Eltern bemühen sich doch redlich um einen wirtschaftlichen Erfolg in ihrem neuen Land und wollen ihre Töchter auch mit einbeziehen. Anders als die beiden Mädchen scheinen sie auch nicht unzufrieden und mehr der Realität zugewandt.
Wahrscheinlich verbinden Eltern und Kinder unterschiedliche Werte mit ihrer früheren Heimat und auch ihre Prioritäten sind anders.

Mit herzlichen Grüßen aus Bad Homburg
Hildegard
Marlis Beutel
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Re: Melinda Nadj Abonji: Tauben fliegen auf

Beitrag von Marlis Beutel »

Liebe Erna,

gerade hatte ich ein Gespräch mit einer Frau, die als Kind aus Ostpreußen flüchten musste. Sie sagte, sie würde sich hier nicht restlos zu Hause fühlen, in Ostpreußen allerdings auch nicht. Ich war mehrmals mit meinem Mann "zu Hause" in Tschechien. Einmal hatten wir sein Elternhaus besucht. Anschließend bekamen wir schmutzige Schuhe auf dem Weg zum Hotel. Er sagte: "Ich hole schnell eine Schuhbürste!" Sein Elternhaus war tatsächlich noch so, wie er es als Kind gekannt hatte! (Er hatte es mir beschrieben.)
Du hast sicher auch einiges zu diesem Thema zu sagen. Was mir jetzt im Alter wichtig erscheint, ist, dass man sich als verantwortungsbewusstes Glied der Gesellschaft verhalten sollte, die man gewählt hat, bzw. in der man lebt. Die Familie Kocsis tut das. Sie erwirbt die Staatsbürgerschaft, was ihr gar nicht so leicht fällt. Die anderen Sitten fallen noch schwerer. Am liebsten würden die Eltern die Familie immer zusammenhalten. Aber auch die Kinder wünschen sich, dass im Haus der Großmutter alles bleibt, wie sie es gekannt haben.

Viele Grüße von der Bergstraße, Marlis
Marlis Beutel
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