Ist Europa noch zu retten?

Antworten
Heinz Pfeiffer

Ist Europa noch zu retten?

Beitrag von Heinz Pfeiffer »

Ist Europa noch zu retten?




Der Artikel Nie mehr allein von Marc Brost in DieZeit vom 21. Juli 2011 hat mich inspiriert, im Rahmen unseres danet-Projektes über unsere gemeinsame Zukunft nachzudenken. Die Euro-Krise und die dabei ans Tageslicht getretenen strukturellen Mängel in der Euro-Zone, will heißen das dadurch sichtbar gewordene Fehlen einer gemeinsamen Finanz- und Wirtschaftspolitik, haben nicht nur mich verunsichert. Eine Lösung des Problems ist im Augenblick nicht zu erkennen. Der Artikel von Herrn Brost macht aber deutlich, worauf es wirklich ankommt.

Projekte wie danet-at-work sind unbedingt notwendig, um die Integration Europas voranzutreiben. Mit finanziellen Anreizen und Investitionen der Wirtschaft alleine ist das nicht zu schaffen, weil es die Wünsche und Bedürfnisse der Menschen nicht berücksichtigt. Ich möchte an dieser Stelle meine schon mehrfach gemachte Feststellung wiederholen, dass wir Alten den Generationen unser Kinder und Enkel gegenüber eine Verantwortung tragen und u.a. helfen sollten, neue Lebensformen zu finden. Es kann auf Dauer nicht angehen, dass der Lebensrhythmus ganzer Familien von den Bedürfnissen der Wirtschaft bestimmt wird.

Dem Artikel selbst habe ich nichts hinzuzufügen. Er entspricht meiner Denkweise. Mit freundlicher Erlaubnis von Herrn Brost werde ich ihn auszugsweise vorstellen und ich bitte euch, das ganze unter www.zeit.de/audio nachzulesen.

Nie mehr allein

Wir brauchen die Vereinigten Staaten von Europa. Nur eine neue Politikergeneration kann dieses Ziel erreichen

Natürlich wird es den Euro am Ende des Monats noch geben. Und wahrscheinlich gibt es ihn auch noch am Ende des Jahres. Eine Währungsunion zerfällt nicht binnen Tagen, es ist ein schleichender Prozess, (…)

Denn tatsächlich steckt der Euro weniger in einer ökonomischen als vielmehr in einer tiefen politischen Krise. Von einer „systemischen Krise“ spricht EU-Währungskommissar Olli Rehm, und das bedeutet im Umkehrschluss, dass man mit den bisherigen Lösungen nicht weiterkommt. Das alte Denken, das waren die Lebenslügen der EU: Eine Währungsunion werde auch ohne politische Union funktionieren; (…)

(…), dass da gerade ein ganzer Kontinent seine Zukunft verspielt. (…)




Und was wäre eigentlich geschehen, hätte Helmut Kohl die deutsche Vereinigung so zögerlich angepackt, wie Angela Merkel bei der Euro-Rettung agiert? Es ist schon seltsam, dass ausgerechnet die Kanzlerin, die so sehr von der Wiedervereinigung und dem Zusammenwachsen Europas profitiert hat, keine Worte dafür findet, was dieser Kontinent und seine Bürger - jenseits wirtschaftlicher Interessen - verbindet. (…)

Was Europa stark macht ist doch, dass 27 selbstbewußte Nationalstaaten offen genug sind, um voneinander zu lernen. Dass es soziale Ausgleiche gibt und damit gesellschaftliche Stabilität. Und dass seine Bürger neugierig und tolerant sind und sich heute viel mehr als Europäer verstehen, als irgendwelche Populisten uns weismachen wollen. Was Europa aber schwächt: dass es immer nur ums Geld geht. (…)

Dieser Kontinent mit seinen unterschiedlichen Sprachen und Traditionen mag ein furchtbar kompliziertes Gebilde sein. Aber furchtbarer ist die Sprachlosigkeit seiner Politiker – und zwar die der jüngeren. Denn heute ist das gemeinsame Europa ein Entwurf alter Männer. Helmut Schmidt, Jacques Delors oder Wolfgang Schäuble haben Krieg und Nachkriegszeit erlebt; der Zusammenschluß verfeindeter Länder ist ihr Friedensprojekt. Für alle Generationen danach aber klingt das banal, weil der Frieden längst selbstverständlich ist. Doch eine andere Begründung für die politische Union hat man nie gefunden.

Und deswegen liegt die Lösung der politischen Krise jetzt nicht bei den Alten. Es braucht die Kraft - und die Sprache - einer neuen Politikergeneration in Europa. Womöglich ist das die größte Herausforderung.


Dem habe ich nichts hinzuzufügen, Heinz Pfeiffer
Benutzeravatar
helmutf-berlin
Beiträge: 799
Registriert: Mittwoch 28. Juli 2010, 13:24

Re: Ist Europa noch zu retten?

Beitrag von helmutf-berlin »

Den Beitrag von Marc Brost habe ich leider nicht gelesen. Die Probleme mit dem Euro sind sehr ernst, aber eine Krise kann auch dazu führen, dass alle beteiligten enger zusammen rücken und Lösungen gefunden werden die den Euro und Europa = die EU stärken. Manche staatlichen Egoismen die einer geschlossenen europäischen Wirtschaftspolitik entgegenstehen lassen sich u.u. leichter und schneller überwinden.
Die globalisierte Wirtschaft nimmt doch schon lange keine Rücksicht auf die Politik. Einzelne EU-Staaten werden gegeneinander ausgespielt. Nur eine einheitliche Wirtschaftspolitik aller EU-Staaten kann hier klare Grenzen aufzeigen. Zum Wohle aller Bürger in der EU.
Es ist richtig, auch auf mich wirken die derzeitig regierenden Politiker konzeptlos und unentschlossen. Mut und Tatkraft scheinen abhandengekommen zu sein. Ob eine neue Politikergeneration mehr Mut zu klarem Handeln hat? Ich bezweifele es. Auch die Nachwuchspolitiker sind doch im Prinzip reine Parteisoldaten, sie haben nach dem Studium sich in Parteiorganisationen hochgearbeitet. Es entsteht vielfach der Eindruck: bei vielen Entscheidungen wird zunächst gefragt –was ist gut für die Partei – wie erhalte ich mein Mandat – und erst danach – was ist gut für das Land und die Bevölkerung.
Es ist bedauerlich, aber ich habe mit unter das Gefühl viele unserer Politiker leben in einem eigenen Kosmos, abgehoben von den täglichen Problemen der Bevölkerung.
Horst Glameyer
Beiträge: 148
Registriert: Freitag 15. April 2005, 15:09
Wohnort: Cuxhaven

Re: Ist Europa noch zu retten?

Beitrag von Horst Glameyer »

Wenn man auf bestimmte Redewendungen unserer Politiker in Funk und Fernsehen achtet, scheinen sie tatsächlich in einem eigenen Kosmos zu leben. Zum Beispiel sagen sie vielleicht ganz unbewusst: „Die Menschen wollen ...“ oder „Die Menschen draußen im Lande verlangen ...“ Anscheinend gehören sie selbst nicht zu ihnen, sondern fühlen sich göttergleich auf einer höheren Stufe. Dass Rinder und Schweine keine Forderungen erheben können, ist anzunehmen. Weshalb muss deshalb betont werden, dass es die Menschen sind, die etwas wollen oder verlangen? Wer sich dagegen den Menschen zugehörig fühlt, würde „wir“ sagen. Wir Niedersachsen sprechen auch nicht von den „Menschen in Niedersachsen“, es sei denn, wir gehören nicht zu ihnen. Möglicher Weise sind diese Redewendungen zuerst in den Medien verwendet worden und wurden danach von den Politikern übernommen, um unbewusst oder sogar bewusst den Unterschied zwischen Politikern und der breiten Masse der Wähler und Nichtwähler zu verdeutlichen. Sprache kann mitunter sehr verräterisch sein. :roll:
Margret Budde

Ist Europa noch zu retten?

Beitrag von Margret Budde »

Für Heinz Pfeiffer geschrieben

Europa ist zu retten!


Ich bin nicht der einzige, den die EU-, bzw. Euro-Krise umtreibt. Da ich schon eine Weile versuche, die Zusammenhänge zu verstehen, will ich an dieser Stelle meinen derzeitigen Wissensstand darlegen und hoffe, dass der oder die eine oder andere seinen/ihren Standpunkt ebenfalls beschreibt und wir auf diesem Weg zu einem gesamtheitlicheren Bild kommen.

Die EU in ihrer Gründerformation gab es schon vor 1200 Jahren. Wenn man in Aachen den Karlsdom besucht und dort im Touristenzentrum die Treppe hinuntergeht, sieht man an der Wand eine riesige Karte vom Reich Karls des Großen. Dieses Reich umspannte ziemlich genau das Territorium der sechs Gründungsmitglieder der EU.

Zwischen dem Reich Karls des Großen und der Gründung der EU lagen damals fast 1200 Jahre. Dieses Reich, basierend auf der Genialität und dem Machthunger eines einzigen Menschen, mit Kriegen und harter Hand zusammengeschweißt, steht in krassem Gegensatz zu dem Verbund von sechs Völkern, die sich aus freien Stücken zusammen geschlossen hatten, um weiteres Unheil und noch mehr Kriege von Europa abzuwenden. Wenn wir uns einmal vor Augen führen, wie die Völker Europas sich in den 1200 Jahren gegenseitig zerfleischt haben, dann darf es uns nicht wundern, wenn 27 individuelle Staaten nicht von heute auf morgen zu einer Einheit verschmelzen können. Wir werden noch viel Zeit, Geduld und einen langen Atem benötigen.

„Frieden in Europa“, das ist bis heute die zentrale Idee des europäischen Integrationsgedankens. Nur, die Völker Europas haben sich weiter entwickelt, sie wollen Demokratie leben und erleben. Was wir dringend benötigen, sind gemeinsame Regeln an die alle gebunden sind, eine gemeinsame Finanz- und Wirtschaftspolitik. Dazu bedarf es aber weitblickender und mutiger Politiker und einer Vision von Europa.

Wir können die 27 Staaten der EU in drei Gruppen aufteilen. Das eine sind die wirtschaftlich starken Länder, die auch das finanzielle Rückgrat der Gemeinschaft bilden. Dann kommen die hoffnungslos überschuldeten Südländer und schließlich die ehemals kommunistischen Länder. Letztere haben allen anderen gegenüber einen entscheidenden Vorteil, sie hatten noch keine Zeit ihre Sozialsysteme mit Schulden zu finanzieren. Sie träumten und träumen zwar von unserem Wohlstand, aber wenn die gegenwärtige Krise ausgestanden ist, wird die EU nicht mehr dieselbe und dieser Traum ausgeträumt sein!

Die größte Gefahr für die EU geht im Augenblick von den Südländern der Euro-Zone aus. Um es kurz zu sagen, man kann einem Grundschüler der vierten Klasse heutzutage verständlich machen, dass man mit immer mehr Schulden einen Staat auf Dauer nicht am Leben erhalten kann. Politiker scheinen das nicht zu verstehen. Und das wiederum verstehe ich nicht. Wir haben zwar in Deutschland inzwischen eine Schuldenbremse sogar im Gesetz verankert, aber auf europäischer Ebene agiert die deutsche Politik geradezu hilflos.

Gehen wir einmal davon aus, dass die Banken in der gegenwärtigen Krise die Schmarotzer in einem demokratischen System sind. Sie verzocken die Einlagen ihrer Kunden. Geht das gut, streichen sie die Gewinne ein, geht es schief, muß der Steuerzahler für die Verluste aufkommen. Kommt die Allgemeinheit nicht für die Verluste auf und die Banken gehen Pleite, verlieren Millionen Anleger ihre Ersparnisse.

Gehen Griechenland und/oder Italien heute Pleite, verlieren die Banken ihre enormen Einlagen, die sie in Form von Krediten in diesen Ländern investiert haben. Diese Einlagen sind aber der Bank anvertraute Kundengelder. Eine solche Situation wäre nicht nur für die Menschen in den betroffenen Ländern eine Katastrophe, sondern auch für die Anleger bei uns. Und deshalb glaubt die Regierung, dass keine Bank Pleite gehen darf. Dies wiederum stärkt die Position der Banken, die die Politik streckenweise vor sich her treiben. Ergebnis: die Euro-Staaten verschulden sich immer mehr. Es werden Milliarden und aber-Milliarden neue Schulden gemacht, die sich bereits drei Wochen später als zu gering erweisen. Man muß sich das einmal vorstellen: das sind Zahlen mit neun und mehr Nullen. Da können doch eigentlich nur noch bei den Finanzjongleuren mehr Nullen vorkommen.

Gibt es wirklich kein Mittel, diesem Treiben der Banken Einhalt zu gebieten? Antwort: Sparen!!!

Die gegenwärtige Finanzkrise kam ja nicht von heute auf morgen. Sie wurde über Jahrzehnte aufgebaut. Jede Regierung glaubte vor den Wahlen Wahlgeschenke in Form von immer mehr Sozialleistungen - „Wohlstand für alle!“ - verteilen zu müssen. Solange wir beim Bruttosozialprodukt jährliche Steigerungsraten von 5% und mehr hatten, ging das auch. Spätestens in den 80er Jahren, als diese Raten drastisch zurück gingen, und noch mehr nach der Wiedervereinigung, war kein Geld mehr da, um die immer höheren Ansprüche zufrieden zu stellen. Da ging die Verschuldung erst richtig in die Höhe. Ob wir es wahrhaben wollen oder nicht, unser Wohlstand beruht zu einem großen Teil auf Verschuldung. Und die gilt es durch Sparmaßnahmen drastisch abzubauen. Sonst werden uns unsere Kinder einmal verfluchen – müssen! Es wird in demselben Maße wie wir sparen der Einfluß der Banken schwinden! Und es wird dann kaum noch Schmarotzer mehr geben - können!

Heinz Pfeiffer
Horst Glameyer
Beiträge: 148
Registriert: Freitag 15. April 2005, 15:09
Wohnort: Cuxhaven

Re: Ist Europa noch zu retten?

Beitrag von Horst Glameyer »

Mir erscheint es zu einfach, die wachsenden Staatsverschuldungen in Europa und vornehmlich in Deutschland hauptsächlich auf steigende Sozialleistungen in Form von Wahlgeschenken vergangener Jahre zurückzuführen. Der einstige CDU-Bundeswirtschaftsminister und Bundeskanzler Ludwig Erhard hat zwar immer wieder Sparsamkeit angemahnt, aber auch „Wohlstand für alle“ gefordert. Nicht etwa „Reichtum für alle“ oder „Reichtum für wenige und Armut für viele“. Angestrebt wurde von den Regierungen der alten Bundesrepublik Deutschland in der Nachkriegszeit für alle Beschäftigten ein Einkommen, das den Lebensunterhalt deckte und sie auch im Krankheitsfall oder bei unverschuldeter Arbeitslosigkeit vor Armut schützte.
„Otto Normalverbraucher“, wie ihn der Schauspieler Gerd Fröbe einst verkörperte, lebte auch nach der Währungsreform 1948 meistens nicht über seine Verhältnisse. Vergünstigungen zu Lasten des Staates in der Steuergesetzgebung kamen mehr den Besserverdienenden zugute, deren Interessen nach dem Ausspruch des ehemaligen Bundesaußenministers und einstigen Parteivorsitzenden Klaus Kinkel von seiner „Partei der Besserverdienenden“ (FDP) gut vertreten würden.
Wenn ich mich recht entsinne, schloss nach der Wiedervereinigung die Treuhandanstalt ihre Arbeit mit einem beträchtlichen Defizit zu Lasten der neuen Bundesrepublik Deutschland ab. Allerdings habe ich mich in den letzten Jahren oft gewundert, wenn die Bundesfinanzminister erklärten, die Staatsverschuldung sei vermindert worden, da sie diesmal einen geringeren Kredit als im Vorjahr aufgenommen hätten.
Unverständlich bleibt mir jedoch, weshalb gerade an den Sozialleistungen für jene Rentner, Geringverdiener und Hartz IV-Empfänger zum Abbau der Staatsschulden gespart werden soll, die von den geplanten Steuersenkungen keinen Vorteil haben, wohl aber von einer möglichen Erhöhung der Mehrwertsteuer mehr als andere betroffen sein werden.
Antworten