Europa muß eine Zukunft haben

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Heinz Pfeiffer

Europa muß eine Zukunft haben

Beitrag von Heinz Pfeiffer »

Europa muß eine Zukunft haben


Vorbemerkung

Hätte ich vor etwa vier Wochen diesen Kommentar so geschrieben, wie ich ihn damals schreiben wollte und aus Zeitmangel nicht schreiben konnte, wäre das meiste davon heute schon Makulatur. Diese Feststellung zeigt bereits, wie schwierig es ist, bei dem Thema Europa klare Aussagen zu machen. Es geht eben um unsere Zukunft und nicht um Geschichte, wo wir eine sichere Faktenlage haben. Ich will es aus einem anderen Blickwinkel noch einmal versuchen.

Freiheit

Am 01. Januar 2008 fielen in fast allen EU-Ländern die Grenzkontrollen weg. Mitte April desselben Jahres brachen meine Frau und ich mit unserem Wohnwagen zu einer Reise rund um die Ostsee auf. In drei Monaten besuchten wir neun EU-Länder, wobei wir kein einziges Mal unsere Ausweise vorzeigen mußten oder in anderer Form kontrolliert wurden. Wir haben in Europa im Umgang mit unseren Nachbarn eine Freizügigkeit erreicht, wie sie in unserer Geschichte einmalig ist. Offene Grenzen bedeuten nun einmal offenen Umgang mit Menschen jenseits unserer Grenzen. Wir haben auf dieser Reise vor allem in den ehemals kommunistischen Ländern immer wieder Menschen getroffen, die geradezu begierig nach Informationen waren.

Unfreiheit

Wie es andersherum einmal war haben wir auch erlebt. Das einzige Mal wo wir die alten Grenzanlagen, einer mittelalterlichen Festung nicht unähnlich, nur daß Schießscharten fehlten, noch völlig intakt vorfanden war in der Hohen Tatra auf der Fahrt von Tatranska Lomnika nach Zakopane in Polen. Man hatte wohl vergessen sie abzubauen, denn sowohl bei der Hin- als auch bei der Rückfahrt ist uns kein Auto begegnet. Der Fahrweg bestand aus Schlaglöchern, nicht aus Asphalt! Eine gespenstische Atmosphäre! Ein Gedanke darf bei einer solchen Fahrt nicht aufkommen: Was passiert, wenn das Auto schlapp macht!!!

In Narva, der nord-östlichsten Stadt Estlands und gleichzeitig Grenzstadt zu Russland, waren die Grenzanlagen in Betrieb. Vier bis fünf Meter hoher Doppelzaun mit viel Stacheldraht und Strom. Am Eingang zwei riesige Doppeltore. Wer diese passiert hat muß zunächst einmal sein Fahrzeug verlassen und wird in ein Gebäude geführt. Dann nehmen sich die Zöllner das Fahrzeug vor. Nach ca. 30 Minuten geht die Fahrt weiter in Richtung Russland, über eine ca. 200 m lange Brücke über den Fluß Narva. Dort steht dem Reisenden dieselbe Prozedur noch einmal bevor. Von der mittelalterlichen Festung Narva aus, die hoch über dem Fluß thront, konnten wir das alles gut beobachten.

Jeder von uns, der solche Beobachtungen einmal machen durfte, kommt da wohl ins Grübeln und es wird uns plötzlich klar, was wir alle verlören scheiterte das Projekt EU. Andererseits sind die Menschen nicht so leicht bereit, einmal errungene Freiheiten so leicht aufzugeben. Das stimmt mich positiv!


Was muß passieren?

Die Vereinigten Staaten von Europa, wovon wir als Studenten in den 60er Jahren einmal träumten, sind heute eine Illusion. 27 Länder mit noch mehr Sprachen und Kulturen müssen die Freiheit haben, sich eigenständig weiterzuentwickeln. Was nicht ausschließt, daß wir eine europäische Identität entwickeln können, langfristig sogar müssen.

Was wir brauchen, sind feste Regeln für alle und wie es scheint, wird die Entwicklung jetzt endlich in diese Richtung gehen. Ich hoffe nur, daß Frau Merkel sich dieses Mal durchsetzt, was beim Schreiben dieser Zeilen noch nicht sicher war. Jede Krise beinhaltet bekanntlich die Chance zum Neubeginn. Dennoch hat die gegenwärtige Krise uns so viele Probleme beschert, dass sie nicht nur für den Normalbürger kaum noch überschaubar sind.


Ursachen

Das Internet macht’s möglich! Die internationalen Finanzmärkte könnten nicht in dieser menschenverachtenden Form agieren, gäbe es das Internet nicht. Heute finden in sekundenschnelle Finanztransaktionen rund um den Globus statt, welche die Politik vor eine schier unlösbare Aufgabe stellen. Zu verhindern sind diese Aktionen nicht. Man kann sie aber verlangsamen, bzw. kontrollieren indem man das traditionelle Bankgeschäft von den Investment Aktionen trennt und gleichzeitig von der Investmentbranche eine höhere Eigenkapitaldecke fordert. Das vermindert das Risiko für Steuerzahler und kleine Anleger, mit deren Geld die Herrschaften nämlich zocken.

Diejenigen, die sich diesen Bestrebungen vehement entgegenstellen, sind die Engländer. Sie fühlen sich nicht als Europäer, sie sind keine Europäer. Mitglied der in der EU sind sie nur ihres eigenen Vorteils wegen.

Vor diesem Hintergrund wird auch das Dilemma der Eu-Staaten verständlich. Mit wenigen Ausnahmen haben sich alle EU-Staaten so hoch verschuldet, daß sie jetzt dem Spiel der Märkte ausgeliefert sind. Da helfen auch noch so viele Solidaritätsbekundungen der einzelnen Mitgliedsstaaten nichts. Siehe Griechenland. Ohne feste Regeln und eisernes Sparen geht da nichts mehr!


Unsere Zukunft

Daß die Globalisierung unser aller Leben tiefgreifend verändern wird, ist keine leere Floskel. Eine Zukunftsprojektion über die Rolle der EU im globalen Handel zeigt folgendes:
Der Anteil der 27 EU-Länder am Welthandel beträgt heute ca. 30%. Im Jahr 2050 wird er noch 5% betragen. Dies würde unter anderem bedeuten, dass Deutschland, einmal die Nummer 2 im Welthandel und dem mit Abstand größten Wirtschaftspotential in der EU mit nicht einmal mehr 1% am Welthandel beteiligt wäre. Wieso?

Länder wie China, Brasilien, Rußland und Indien drängen mit unglaublicher Brutalität in die Weltmärkte und erobern sich dort ihre Anteile. Die USA sind, wenn sie kein Wunder schaffen, eine Weltmacht auf Abruf. Die EU haben sie immer nur als lästige Konkurrenz empfunden. Wir haben in Europa keine andere Wahl als die Integration Europas voranzutreiben.

Zu allem Überfluß sind wir auch noch der Kontinent mit den weltweit geringsten Bodenschätzen. Ein langfristiges Überleben schaffen wir nur, wenn wir unsere Kräfte bündeln, wenn wir innovativer sind als die anderen. Ich sehe keinen Grund, warum wir das nicht schaffen können.

Heinz Pfeiffer
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