Wege aus der Krise - Modul 1

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Heinz Pfeiffer

Wege aus der Krise - Modul 1

Beitrag von Heinz Pfeiffer »

Wege aus der Krise

Vom 2. März bis 05. April 2012 nahm ich an dem Internet- Kurs „Europa – Wege aus der Krise“ teil, welches von der Zentrale für politische Bildung in Stuttgart veranstaltet wurde. Wir Teilnehmer haben jede Woche eine Aufgabe zu einem gestellten Thema bearbeitet, zu dem uns die Zentrale Informationsmaterial zur Verfügung stellte. Der Gedankenaustausch unter den Teilnehmern war sehr rege. Da ich mit viel Engagement an dieser Veranstaltung teilgenommen habe, stelle ich allen Interessierten meine Wochenaufgaben zur Einsicht zur Verfügung.

Modul 1: Geschichte und Ziele der EU

1. Was haltet Ihr für das historisch wichtigste Ereignis in der Geschichte der europäischen Einigung?
2. Was sind für Euch die wichtigsten Ziele und Werte für die die EU steht?
3. Wird es Eurer Meinung nach jemals die „Vereinigten Staaten von Europa“ geben?


Zu 1.
Für mich sind dies zwei Ereignisse. Als ich zu Beginn der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts an der Universität Poitiers in Frankreich studierte, war ich Mitglied einer Gruppe von deutschen und französischen Studenten, welche sich zum Ziel gesetzt hatten, sich aktiv für die deutsch-französische Verständigung einzusetzen. Wir hatten als Kinder den Zweiten Weltkrieg erlebt. Einige unserer Väter hatten im Krieg als deutsche Soldaten bzw. französische Widerstandskämpfer ihr Leben gelassen. Uns war klar, daß wir, um weitere Massaker zu verhindern, neue Formen des Umgangs zwischen Deutschen und Franzosen finden mußten. Unser Glück war, daß der französische Staatspräsident de Gaulle und der deutsche Kanzler Adenauer hießen.
Um zu verstehen, was dieses Unterfangen damals bedeutete, müssen wir uns vergegenwärtigen wie die politische Situation in Europa war. Die eine Hälfte Europas war hinter dem Eisernen Vorhang verschwunden, die andere Hälfte war unter dem Schutz der Amerikaner frei. Das Damoklesschwert eines Atomkrieges schwebte Jahrzehntelang über uns. Im "freien Europa" gab es zunächst die sechs Gründungsmitglieder der EU. Die Engländer weigerten sich dieser Vereinigung beizutreten. Sie wollten ihr eigenes Süppchen kochen und gründeten die EFTA (European Free Trade Association). Bis auf die neutralen Staaten Schweden und Schweiz und die von den Russen neutral gemachten Finnen und Österreicher gehörten die restlichen freien Westeuropäer dazu. Daß Spanien und Portugal faschistische Diktaturen waren, störte die Briten nicht.
Als die EU zur europäischen Erfolgsgeschichte wurde, traten England , Irland und Dänemark schleunigst bei. Spanien und Portugal mußten selbstverständlich (!) draußen bleiben, Norwegen und Island wollten nicht. Die deutsch-französische Verständigung ist bis heute die Voraussetzung für ein Weiterbestehen der EU. Die britische Politik versucht bis heute jegliche Integration in Europa zu unterbinden.
Am 1. Januar 2008 fielen die Grenzkontrollen in der EU - außer nach Großbritannien, Rumänien, Bulgarien. Mitte April desselben Jahres brachen meine Frau und ich mit dem Wohnwagen zu einer Reise rund um die Ostsee auf. In drei Monaten besuchten wir neun EU-Länder und fuhren 11000 km. Es war einfach erhebend. Bei keinem Grenzübertritt sind wir in dieser Zeit kontrolliert worden. Wir haben uns mit Menschen unterhalten, deren Sprache wir nicht kannten - und umgekehrt! Ihr glaubt ja gar nicht wie leicht es ist in diesen Ländern Kontakte zu finden.
Verträge sind wichtig, um in einer Staatengemeinschaft gleiche Regeln für alle zu haben. Wichtiger sind die Menschen und die wollen die einmal erreichte Freiheit nicht wieder verlieren.
Zu 2.
Für mich ist Frieden nicht eines der wichtigsten Ziele und Werte in der EU, sondern die Grundvoraussetzung für deren Existenz. Die Gründungsväter der EU wollten verhindern, daß nach zwei fürchterlichen Weltkriegen nicht noch einmal solch ein Gemetzel auf europäischem Boden stattfindet. In Friedenszeiten können sich demokratische Strukturen bilden, die eine weitere Voraussetzung für das Gedeihen der Mitgliedsstaaten sind. Freiheit im weitesten Sinn des Wortes kann nur so gedeihen. Gesunde Wirtschafts- und Finanzstrukturen, Bildung und Forschung benötigen ebenfalls eine freiheitliche Gesellschaftsordnung, wenn sie für die Menschen da sein sollen. Für alle Mitgliedsstaaten der EU kann man sagen, daß sie heute auf dieser Grundlage einen größeren Wohlstand erreicht haben als sie zum Zeitpunkt ihres Beitritts hatten.
Allen 27 Staaten der EU ist gemeinsam, daß sie in ihrer Verfassung die Dreiteilung der Gewalten festgeschrieben haben. Dieser Begriff geht auf den französischen Philosophen Montesquieu zurück. Seit der Französischen Revolution 1789 bildet die Dreiteilung der Gewalten das Gerüst für jede demokratische Verfassung.
Die Ungarn sind gerade dabei diese gemeinsame Basis zu verlassen!
Zu 3.
Die "Vereinigten Staaten von Europa" nach dem Vorbild der USA kann es schon einmal gar nicht geben. In der EU haben sich auf freiwilliger Basis 27 Staaten mit noch mehr verschiedenen Sprachen und Kulturen gefunden. Ihnen allen gemeinsam sind die in 2. beschriebenen Ziele. Unser großes Problem ist die Kommunikation untereinander. Da wir nicht erwarten können, daß einzelne Völker ihre Sprache und somit auch über Jahrhunderte gewachsene Strukturen und Traditionen aufgeben werden, müssen wir die Mehrsprachigkeit anstreben und uns dabei auf eine oder mehrere Amtsprachen einigen. Das wird die Aufgabe künftiger Generationen sein.
Die Schweiz ist zwar nicht Euroland, aber dort spricht man vier Landessprachen. Und es funktioniert!
Schaffen wir eine von allen akzeptierte Mehrsprachigkeit, dann haben wir auch eine allgemein anerkannte europäische Identität.
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