Europa Global IV.

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Heinz Pfeiffer

Europa Global IV.

Beitrag von Heinz Pfeiffer »

Stärken und Schwächen der EU in der globalen Welt
Der Grundgedanke bei der Gründung der Montanunion war doch zunächst einmal, nach zwei verheerenden Weltkriegen den Frieden im damaligen Resteuropa durch Vernetzung der Schlüsselindustrien zu sichern. Dies bedeutete gleichzeitig steigenden Wohlstand für die Menschen in den an diesem Projekt beteiligten Ländern. Über die Stationen EWG, EG und heute EU wurde die Montanunion zu einem in der Geschichte beispiellosen Erfolgsobjekt.
Und da haben wir bereits das erste Problem. Bezüglich des freiwilligen Zusammenschlusses bis dahin souveräner Staaten gibt es keinerlei geschichtliche Vorbilder, genauso wenig wie bei der Einführung einer Einheitswährung für bisher 17 Mitglieder der Gemeinschaft. Dieser Tatbestand mußte – und muß und wird weiterhin müssen – zwangsläufig zu Fehlentscheidungen führen. Der Montanunion fehlte von Anfang an der solide Unterbau in Form gemeinsamer Regeln wie z.B. im Sozial- und Arbeitsrecht, in der Gesetzgebung, bei Steuern, Investitionen. Andererseits muß man sehen, daß damals mehr nicht möglich war, denn das wiederum hätte Einbußen bei der nationalen Souveränität zur Folge gehabt und dazu wäre außer Deutschland wohl kein Land bereit gewesen. .
In einer globalisierten Welt und einem Markt mit ca. 500 Millionen Einwohnern ist die EU einer der wichtigsten Akteure. Weltweit gefragt sind Investitionen sowohl in als auch aus der EU. Jedoch hat die Finanzkrise 2007 gezeigt wie schwach das Fundament ist auf dem diese Gemeinschaft steht. Man hat versäumt rechtzeitig, bevor die große Erweiterungswelle begann, allgemein gültige Maßstäbe zu setzen. Diese Maßstäbe jetzt zu setzen, dürfte an den nationalen Egoismen scheitern. Es genügt bei einer wichtigen Reform EIN Veto und 27 Staaten schauen in die Röhre. Dabei hat die EU inzwischen ein außerordentlich solides wirtschaftliches Fundament, worauf sich aufbauen ließe. Da bleibt nur die Hoffnung auf einen kleinen, harten Kern von ca.10 Staaten, die mit der Integration voranschreiten, die Tür aber für alle diejenigen offen lassen, die sich an den Reformen beteiligen wollen.
Ganz wichtig wären in diesem Zusammenhang einheitliche, vergleichbare Standards in der Bildung und gegenseitige Anerkennung der Abschlüsse. Spanien ist z.B. im Augenblick dabei in der Ausbildung von Lehrlingen das deutsche duale System zu übernehmen. Einige hundert junge Spanier machen z.Z. ihre Ausbildung in deutschen Unternehmen. Das Problem: Sprachförderung. Andererseits muß man sehen, daß diese jungen Leute in ein paar Jahren zwei- oder mehrsprachig sind, was wiederum das gegenseitige Verständnis fördert.
Wichtig wäre ebenfalls Kooperation in Technologie und Forschung. Forschung im Hochtechnologiebereich ist heute finanziell derart aufwendig, daß ein kleinerer oder mittlerer Staat das aus eigener Kraft gar nicht mehr finanzieren kann. Gleiche Standards im Sozialbereich wären schon deshalb notwendig, um den Sog der Arbeitssuchenden in die reicheren Länder einzudämmen.
Ich glaube aber nicht, daß es möglich sein wird in allen EU-Ländern gleiche Lebens- und Arbeitsbedingungen zu schaffen. Schauen wir uns doch nur den Dauer-Streitpunkt Länderfinanzausgleich in der Bundesrepublik an. Es ist uns bis heute nicht gelungen, in allen Bundesländern gleiche Lebensbedingungen zu schaffen – und das in einem Land mit gleicher Kultur, gleicher Sprache, gleichem historischem Hintergrund! Deshalb sollten die Nationalstaaten, aufbauend auf einem gemeinsamen Fundament, genügend Spielraum für die Ausgestaltung ihres nationalen Lebensgefühls haben.
Die Krise von 2007 hat die Grenzen der Einheitswährung Euro aufgezeigt. Nationale Währungen hätten in dieser Situation abwerten können, um die Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Wirtschaft zu stärken, was in der Vergangenheit immer geklappt hat. Selbst ein Staatsbankrott der Griechen wäre uns sehr wahrscheinlich billiger gekommen, wenn die Gemeinschaft die dortige Industrie gestützt und z.B. die Renten für einen begrenzten Zeitraum übernommen hätte. Die Konsequenz aus diesem Dilemma kann doch nur lauten, gemeinsame Regeln und Kontrollen für die Wirtschaft, vor allem aber für den Finanzsektor. Was bisher geschehen ist war Aktionismus und z.T. auch Pfusch. Mir hat bisher noch niemand plausibel erklären können, warum man die Transaktionssteuer nur in Bruchteilen von Prozenten erhebt. Hier geht es doch in erster Linie darum, die Spekulation in den Griff zu bekommen.
Grenzüberschreitende Kooperation gibt es in sehr vielen Bereichen. Gerade in Forschung und Wirtschaft sind sehr viele Institute, bzw. Unternehmen zur Zusammenarbeit, bzw. Arbeitsteilung gezwungen, weil sie so effizienter arbeiten. Im September diesen Jahres, zwei Wochen vor der Bundestagswahl, erschien in der französischen Tageszeitung LeMonde eine mehrseitige Analyse über Deutschland. Die Zeitung hatte zusammen mit ihren europäischen Kooperationspartnern Süddeutsche Zeitung, Express-PL, La Stampa-I, El Pais-ES, The Guardian-GB nicht nur Berichte ihrer Hauptstadtkorrespondenten, sondern auch von je einem Bürger aus den diesbezüglichen Staaten, die in Deutschland leben und von Deutschen, die seit einigen Jahren in diesen Ländern leben, abgedruckt. Ich kann mich nicht erinnern, jemals einen solch umfassenden, kritischen, aber im Grundton positiven Bericht über die Bundesrepublik Deutschland gelesen zu haben. Der Wunsch nach Integration ist auf sehr vielen Ebenen vorhanden. Nur die Politik hinkt hinterher!!!
Schlußfolgerung: Schon alleine die Tatsache, daß es den Menschen in den Mitgliedsländern der EU heute wirtschaftlich besser geht als zum Zeitpunkt des Beitritts zeigt, daß die EU nicht nur nach außen sondern auch im regionalen Bereich zu den Gewinnern der Globalisierung gehört.
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