Europa Global V.

Antworten
Heinz Pfeiffer

Europa Global V.

Beitrag von Heinz Pfeiffer »

Kann die Eurokrise gelöst werden?
Grundsätzlich möchte ich diese Frage mit JA beantworten.
Jede Krise bietet die Chance für einen Neubeginn!
Zum besseren Verständnis der Problematik sollten wir uns die inneren Strukturen der EU näher betrachten. Die EU als Staatengemeinschaft ist eine in sich keinesfalls homogene Einheit. Zunächst einmal haben wir es mit 28 Staaten zu tun, von denen jeder mindestens eine nationale Sprache, eine eigene Kultur mit eigener Geschichte hat. Die Verhaltensmuster jedes einzelnen Landes werden stark durch die Mentalität seiner Bürger geprägt. Deren Lebensgefühl im Alltag spiegelt sich auch im Finanz- und Wirtschaftsgebaren wider. Alleine die Tatsache, daß auf dieser Basis wichtige Entscheidungen einstimmig getroffen werden müssen, ähnelt einer Quadratur des Kreises.
Wir können die EU heute in zwei große Gruppen aufteilen. Das eine sind die Staaten Westeuropas, die sich nach dem zweiten Weltkrieg wirtschaftlich entwickeln konnten und es zu einem beachtlichen Wohlstand brachten. Dabei dürfen wir aber nicht übersehen, daß ein Teil unseres Wohlstands, zumal im sozialen Bereich, auf Schuldenbasis erreicht wurde. Und diese Schulden wiederum sind die Ursache für die Staatskrisen im südlichen Europa. Die nord- und mitteleuropäischen Staaten sind zwar auch verschuldet, aber aufgrund ihrer wirtschaftlichen Stärke sind die Auswirkungen weniger heftig.
Die Staaten Osteuropas hatten zu Zeiten des Kalten Krieges weder die Möglichkeit demokratische Strukturen zu bilden noch war es ihnen möglich ihre nationalen Volkswirtschaften auf unsere Standards zu bringen. Ihr größter Nachteil: es gibt in einigen dieser Länder keine politische Klasse, die den Anforderungen, die an moderne Staatsmänner gestellt werden, gewachsen ist und die häufig kommunistischen Kadern entstammt. Ein kleiner Lichtblick: Diese Staaten hatten aufgrund ihrer neueren Geschichte noch keine Möglichkeit ihre Sozialsysteme mit Schulden zu finanzieren.
Was sich heute als entscheidender Fehler der Vergangenheit darstellt: man hat versäumt vor dem Erweiterungsmarathon der EU allgemein gültige Regeln zu erstellen, ohne die ein demokratisches und in diesem Fall höchst kompliziertes politisches Gebilde nun einmal nicht funktionieren kann. Ob eine Korrektur heute überhaupt noch möglich ist wage ich zu bezweifeln. Auch sollten wir uns darüber im Klaren sein, daß zukünftig außer Island nur noch ehemals kommunistische Länder in der EU aufgenommen werden. Sobald diese Länder in der Mehrheit sind, wird das auch das Abstimmungsverhalten in der EU verändern.
Klare Richtlinien zur Lösung der Eurokrise gibt es nicht und wird es auch nicht geben. Zunächst sollten wir festhalten, daß die Eurokrise zwar von europäischen Banken mit verschuldet wurde, ihre Ursachen aber in der angelsächsischen Welt und deren Finanzgebaren zu suchen sind. Also wäre hier schon einmal ein globaler Ansatz notwendig. Wenn sich europäische Regierungen in der Zeit vor 2007 fast hoffnungslos überschuldet haben, dann ist dies nicht nur der Skrupellosigkeit und Geldgier der Finanzindustrie, sondern auch dem mangelnden Weitblick und der Dummheit europäischer Regierungen anzulasten. Zentraler Ansatzpunkt für die Lösung der Krise muß demnach die Kontrolle des Bankensektors sein. Der Geldgier von Spekulanten wie den Hedgefonds muß ein Riegel vorgeschoben werden. Die Finanztransaktionssteuer scheint hier ein wirkungsvolles Instrument zu sein. Wie sonst ist es zu erklären, daß sich nicht nur diese Fonds sondern auch der angelsächsische Bankensektor vehement dagegen wehrt. Nur verstehe ich nicht, wieso man da bei der zu erhebenden Steuer mit dem Bruchteil eines Prozents auskommen will. Es geht doch schließlich darum Spekulation zu verhindern!
Im Zuge der Eurokrise wurde der Bankensektor mit Milliardenkrediten von der EZB gestützt. Zum einen um einen Kollaps dieses Sektors zu verhindern, zum anderen damit die Banken genügend Liquidität haben um die notleidende Industrie ihrer Länder mit Krediten zu versorgen. Letzteres ist häufig nicht geschehen. Die Banken haben das Geld für ihre eigenen Ziele verwendet. Ein Strafzins wäre doch ein probates Mittel um diesen Banken vor Augen zu führen, daß sie neben der Gewinnorientierung auch eine Verantwortung gegenüber der Volkswirtschaft ihres Landes haben.
Der verschärfte Euro-Stabilisierungspakt ist eine weitere Möglichkeit nicht nur die südeuropäischen Volkswirtschaften zu einer soliden Haushaltspolitik zu zwingen. Wer über seine Verhältnisse lebt und Schulden macht, muß zahlen. Dies alles sind aber nur Maßnahmen die Euro-Krise kurzfristig zu entschärfen, vielleicht längerfristig zu beenden.
Viel wichtiger wären Strukturmaßnahmen. Ein Land welches wiederholt gegen den Stabilitätspakt oder gegen bestehende Verträge verstößt oder die Korruption nicht energisch bekämpft, dessen Mitgliedschaft kann unter festgelegten Regeln von der Kommission ausgesetzt werden. D.H. die Abgeordneten dieses Landes verlieren für einen bestimmten Zeitraum ihr Stimmrecht im Parlament, Kredite und andere Finanzleistungen werden ausgesetzt bis z.B. Herr Victor Orban in Ungarn wieder demokratische Regeln zuläßt. Nur! Diese Reformen müssen einstimmig beschlossen werden und da beißt sich die Katze bereits wieder in den Schwanz.
Davon ausgehend, daß es in naher Zukunft keine weitere Weltwirtschafts- oder Finanzkrise geben wird und wir die Euro-Krise überwinden, wäre es dringend erforderlich die EU nicht nur im Finanz- und Wirtschaftsbereich zu reformieren, sondern ihr eine stabilere Basis in allen Lebensbereichen zu geben, um für die Zukunft gegen Krisen jeglicher Art gerüstet zu sein. Die EU-Verfassung läßt es zu, daß unter gewissen Voraussetzungen 10 Mitgliedsstaaten einen Sonderweg einschlagen können. Deutschland zusammen mit den drei skandinavischen EU-Staaten und den Niederlanden aus dem ehemaligen Westen, die drei Baltischen Staaten zusammen mit Polen und der Slowakei aus Osteuropa wäre eine Möglichkeit, um im Zuge einer Zweigleisigkeit Europa für die Zukunft auf ein krisenfesteres Fundament zu stellen.
bheinze
Beiträge: 121
Registriert: Montag 23. Mai 2011, 13:11

Re: Europa Global V.

Beitrag von bheinze »

Diese Europabeiträge finde ich sehr beachtlich, ich kann nur dazu gratulieren. Es ist ein sehr schwieriges Feld, ein komplexes Konglomerat aus Politik, Wirtschaft, Juristerei und und und. Irgendwie habe ich aber den Eindruck, dass man das Ganze auch mehr von "unten" unterstützen muss, mit Reisen, gemeinsamen Projekten, Schüler- und Studentenaustausch, auch nicht zu vergessen den Seniorenaustausch. Man sollte dabei auch nicht aus den Augen lassen, dass EUROPA unsere einzige Chance zu bestehen ist gegenüber den Blöcken Ostasien, aber auch ein ernst zu nehmender Partner der USA. Und - es gehört viel Idealismus, Optimismus dazu, und Freude, dass ein größerer Teil der Welt offen geworden ist für Zugänge und Kommunikation, seit dem zweiten Weltkrieg.
Antworten