Jung Chang: Wilde Schwäne

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Brigitte Höfer
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Jung Chang: Wilde Schwäne

Beitrag von Brigitte Höfer »

Jung Chang: Wilde Schwäne, Knaur 2004 (Neuauflage mit einem Vorwort der Autorin) 732 Seiten, 9,95€
Die Schriftstellerin Jung Chang erzählt in ihrem Weltbestseller "Wilde Schwäne" das Schicksal ihrer Familie im China des 20. Jahrhunderts. Im Mittelpunkt stehen dabei drei Frauen: Ihre Großmutter, ihre Mutter sowie sie selbst. In deren Leben spiegelt sich die Entwicklung Chinas von der späten Kaiserzeit über die japanische Besetzung und den Bürgerkrieg zwischen Kuomintang und Kommunisten bis zur Errichtung der kommunistischen Diktatur unter Mao. Eindringlich wird geschildert,wie die Fehlplanungen Maos zum Hungertod für Millionen führten. Gleichzeitig wird die Indoktrination der Gesellschaft und der absurde Personenkult um Mao aufgezeigt. Nach Maos Tod erhält sie ein Stipendium für eine Studium in England. Nach einem Besuch ihrer Mutter und deren Erzählungen über sich und ihre Mutter entschließt sich die Autorin, die Familienchronik zu verfassen. Sie gewährt dem Leser einen Einblick in die lange beschönigte Zeit der kommunistischen Herrschaft in China.
Wir wollen diesen Roman als eine Vorbereitung für unser Seminar "Asien" in Februar 2016 in Bad Urach lesen. Wir freuen uns über eine lebhafte Diskussion hier im Forum.
Brigitte
Brigitte Höfer
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Re: Jung Chang: Wilde Schwäne

Beitrag von Brigitte Höfer »

Hier ein Artikel aus dem Spiegel aus dem Jahr 2005:

http://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/ ... f/42008763

LG Brigitte
Annemarie Werning
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Re: Jung Chang: Wilde Schwäne

Beitrag von Annemarie Werning »

Hier ein historischer Überblick über die Zeit bis 1949.hervorging. Die Mandschurei ging an China zurück. Nach einer Revolution wurde 1912 in China die Republik ausgerufen. Formal blieb sie es bis 1949. Provisorischer Präsident wurde der Revolutionsführer Sun Yatsen, ihm folgte der Militärmachthaber Yuan Shikai, der 1916 starb. Von 1917 – 1928 war die Mandschurei unter dem chinesischen Kriegsherrn Zhang Zuolin völlig autonom.
Im Frühsommer 1924 kommt es zur Begegnung zwischen dem Urgroßvater und dem General Zuo-lin, ihrem Großvater. Bald darauf wurde die Großmutter seine Konkubine mit eigenem Haus und Dienerschaft. Zuo-Lin war abhängig von dem Militärherrscher über Peking Wu Pei und seiner Zhili-Clique. Im Herbst 1924 stürzte der christliche Zhili-General Feng Yuxiang den Machthaber von Peking.
Damit verlor Zuo-Lin seinen Job. Er lebte fortan in der Enklave Tianjin und seiner Villa in Lulong.
Peking und die Mandschurei wurden bis 1928 von Zhang Zuolin beherrscht. 1931 wurde die Mandschurei von Japan erobert, das 1933 den Marionettenstaat Mandschuko unter dem letzten Kaiser der Qing Monarchie errichtete. Japan hatte es auf die Rohstoffe und auf das Getreide der Mandschurei abgesehen und beutete das Land aus.
1935 heiratete die Großmutter Dr. Xia, einen Arzt der Mandschu Ethnie, die 2 % der Bevölkerung Chinas ausmachte. Beide zogen mit der Mutter der Verfasserin nach Jinzhou.
Bereits 1923 bildete sich in Südchina die nationale Partei Kuomintang, deren späterer Führer Chiang Kai-shek war. Sie kämpfte für die Einheit Chinas und gegen den imperialistischen Druck Japans und der westlichen Mächte.
Bereits 1921 wurde die KP Chinas in Shanghai gegründet. Zunächst kämpfte sie zusammen mit der Kuomintang. 1927 kam es zum Bruch zwischen den Kommunisten und der Kuomintang. Chiang ließ alle Kommunisten und Arbeiterführer in Shanghai verhaften und hinrichten. Die KPCH wurde verboten.
1928 nahm Chiang Peking ein und gründete eine Nationalregierung mit der Hauptstadt Nanking. Die Regierung wurde als Regierung Chinas anerkannt.
Die Kommunisten gingen nach 1927 in den Untergrund. Eine Gruppe versuchte in den Städten Aufstände zu initiieren, die andere unter Mao Tse-tung ging aufs Land und stellte eine Bauernarmee auf.
Zwischen 1930 und 1934 unternahm Chiang 5 Einkreisungs- und Vernichtungsfeldzüge gegen die von der KP im Süden gehaltenen Gebiete. Die Kommunisten flohen auf dem „Langen Marsch“ mit vielen Umwegen nach Nordwestchina, wo sie in der Nähe von Yanan 1936 eine neue Basis errichteten. Ihre Armee galt als diszipliniert und gut geführt.
Im September 1931 besetzte Japan die Mandschurei. Chiang wurde im Dezember von Generälen gezwungen, mit der KP eine Einheitsfront gegen Japan zu bilden.
Im Juli 1937 begann der 2. Japanisch-Chinesische Krieg. Im Dezember 1937 besetzten die Japaner die Hauptstadt der Kuomintang Nanking. Es kam dort zu einem Massaker, bei dem 300.000 chinesische Zivilisten ermordet wurden. 1938 hatten die Japaner die wichtigsten Küstenstädte und Industriezentren Chinas besetzt. 1941 brach dann erneut der Bürgerkrieg zwischen Kuomintang und KP aus. Am 7. 12. 1941 griffen die Japaner die amerikanische Pazifikflotte in Pearl Harbour (Hawaii) an. Amerika ist danach in den 2. Weltkrieg eingetreten. Es unterstützte von da an die Kuomintang.
Am 8. 8. 1945 erklärte die Sowjetunion Japan den Krieg und marschierte mit über einer Million Soldaten in die Mandschurei ein. Am 15. August kapitulierte Japan nach dem Abwurf der Atombomben über Hiroshima und Nagasaki. Die japanischen Truppen in China ergaben sich am 9. September 1945. Die Mandschurei kam wieder zu China.
Kurz nach der Kapitulation Japans brachen die Kämpfe zwischen Kuomintang und KP erneut aus. Die Zahl der Mitglieder der KPCH war inzwischen auf 1,2 Millionen gestiegen, ihre Armee auf 1,3 Mio. Soldaten. Der Bürgerkrieg dauerte bis 1949. Ab 1948 erreichten die Kommunisten das militärische Übergewicht. Die Regierung (Kuomintang) zog sich mit den übriggebliebenen Streitkräften nach Taiwan zurück. Am 1. 10. 1949 rief Mao in Peking die Volksrepublik China aus.
Annemarie Werning
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Re: Jung Chang: Wilde Schwäne

Beitrag von Annemarie Werning »

In Kapitel 5 läßt sich verfolgen, wie terroristischer Untergrund - hier als Befreiungskampf geschildert - funktioniert.
Die Mutter der Verf. hat keinerlei Skrupel, Sprengstoff in ein Gebäude zu schmuggeln, in dessen Nähe durchaus auch Menschen sind. Das wird als Heldentat gesehen, so wie die IS-Mtglieder die Terroranschläge in Europa bejubeln.
Annemarie
Annemarie Werning
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Re: Jung Chang: Wilde Schwäne

Beitrag von Annemarie Werning »

1949 bis 1959:
Mao Tse tung wurde am 26. 12. 1893 in einer Bauernfamilie in einem Dorf in der Provinz Hunan geboren. Er besuchte erfolgreich ein Lehrerseminar. 1920 wurde die KPCH gegründet. Mao erhielt den Auftrag, die Partei in der Provinz Hunan aufzubauen. Er befasste sich intensiv mit der Bauernbewegung und nach dem Bruch mit der Kuomintang 1927 mit dem Aufbau der Volksbefreiungsbewegung (Rote Armee).
Als nach der Kapitulation Japans der offene Bürgerkrieg zwischen den Kommunisten und der KMT ausbrach, war es der revolutionäre Kampf auf dem Lande, der die Unterstützung der Bevölkerung auf der Grundlage des nationalen Interesses und des Interesses an einer Bodenreform brachte.

1949 –nach 12 Jahren Krieg – lag die Landwirtschaft am Boden, das Bewässerungssystem war durch wiederholte Sprengungen der Deiche außer Kontrolle geraten, die Industrie und die Infrastruktur waren weitgehend zerstört. Das erste Ziel der KPCh unter Mao war es, die urbane Wirtschaft wieder aufzubauen. Bis 1951 waren die meisten Großbetriebe in Volkseigentum überführt worden. Das patriarchale Familienrecht wurde 1950 durch ein Ehegesetz mit der Gleichberechtigung der Frau abgelöst.
Die Bodenreform wurde in der Zeit von 1950 – 1952 durchgeführt. Die größeren Grundbesitzer, die ihr Land verpachtet hatten, wurden enteignet und ihr Land an Arme und Landlose verteilt. Dazu gab es eine Kampagne gegen Großgrundbesitzer mit Schauprozessen, in denen einfache Bauern Anklagen erheben konnten, und die in der Regel mit Todesurteilen endeten. Schätzungsweise wurden mehrere Millionen Menschen hingerichtet. Ab 1952 kam es zur Kollektivierung des Landes. Es sollten sich die Bauern eines Dorfes zusammenschließen und ihre Geräte und Arbeitskraft einbringen. Die Ernteerträge mussten an den Staat verkauft werden, über 5 % der landwirtschaftlichen Fläche durften die Bauern frei verfügen.
Parallel zu dieser Kampagne gab es in den Städten eine Kampagne gegen die Konterrevolutionäre zur Beseitigung politischer Gegner und der administrativen Schicht unter der Kuomintang. Auch hier wurden Schauprozesse durchgeführt, die durch das Votum der Massen meist mit Todesurteilen endeten. Es gab mehr als eine Million Getöteter.





Es folgte eine Kampagne gegen Korruption, Verschwendung und Bürokratismus, die sich gegen die Funktionäre in den eigenen Reihen wendete. Es wurden 5 % der Kader aus der Verwaltung entfernt.
Eine Kampagne gegen Bestechung, Steuerhinterziehung, Betrug richtete sich gegen kleine Unternehmer, Handwerker und Kaufleute. Schikanen führten dazu, dass die Betriebe an den Staat verkauft wurden und die Inhaber als Geschäftsführer weiter tätig waren. Der Handel mit lebenswichtigen Konsumgütern wurde 1955 monopolisiert.
Kopfarbeiter wurden in Lehrgängen „umerzogen“.
Bis 1952 hatte sich der Bruttoproduktionswert von Industrie und Landwirtschaft verdoppelt.

Ab 1953 wurden mit sowjetischer Hilfe 700 Großprojekte auf dem Gebiet der Stahl- und Eisenverarbeitung, Energiewirtschaft, Maschinenbau und Transportwesen in Angriff genommen. Das führte zu einem jährlichen industriellen Wachstum von 15 %.
1957 rief Mao zur Kampagne der „Hundert Blumen“ auf. Es wurden Intellektuelle aufgefordert, Kritik an den herrschenden Zuständen zu üben. Nachdem das zu einer Sturzflut von Anschuldigungen führte, folgte eine „Rechtsabweichler-Kampagne“ mit der Bestrafung der Kritiker.
1958 rief Mao zum „großen Sprung nach vorn“ auf. Seine Idee war, dass nur die Industrie das agrarische China zur Großmacht machen kann, weil nur sie die Maschinen und Waffen liefern kann, die die Macht des Staates steigern. Die Bauern sollten beim Ausbau der Stahlproduktion durch kleine Hochöfen im ländlichen Raum mithelfen. Die Landwirtschaft sollte durch die Errichtung von großflächigen Volkskommunen ertragreicher werden.
Letztlich scheiterte der Große Sprung jedoch, es kam zu erheblichen Produktionseinbrüchen in der Landwirtschaft. Während 1958 200 Mio. Tonnen Getreide erzeugt wurden, waren es 1960 nur 143 Mio. Tonnen. Es verhungerten geschätzte 19 bis 40 Millionen Menschen.
1959 zog sich Mao zurück, behielt aber den Parteivorsitz. Sein Nachfolger wurde Liu Shao-Chi. Es kam zu einer gemäßigten Wirtschaftspolitik. Die Volkskommunen wurden aufgelöst und Privatparzellen mit kleinen Arbeitsgemeinschaften geschaffen . Die Landwirtschaft sollte wieder die Wirtschaftsbasis darstellen.

Annemarie
Erna
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Re: Jung Chang: Wilde Schwäne

Beitrag von Erna »

Liebe Annemarie,
ich bewundere deine Ausdauer bei der Beschreibung der politischen Zustände in China. Da ich noch ziemlich am Anfang bin, kann ich nicht viel dazu schreiben. Wenn ich aber daran denke, dass meine Mutter, die 1922 heiratete, sich ihren Ehemann selber aussuchte, während in China den Mädchen die Füße verkrüppelt wurden, weil sie dann erotischer für den Mann waren, durch die Art, wie sie sich bewegten und außerdem nur schwerlich das Haus verlassen konnten, gibt dies ein sehr gutes Bild von der Verschiedenartigkeit der Kulturen zu dieser Zeit. Heute scheint der Unterschied zwischen uns und ihnen sich weitgehend angenähert zu haben. Wenn auch die Wertigkeit zwischen Junge und Mädchen ja noch immer groß ist, was aus der Zahl der Abtreibungen hervorgeht.
Erna
bheinze
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Re: Jung Chang: Wilde Schwäne

Beitrag von bheinze »

Die politischen Situationen in China erscheinen mir sehr verwirrend, sind auch durch die Erläuterungen von Annemarie irgendwie chaotisch. Aber im Grunde ist kaum ein Unterschied in den Grausamkeiten, die die drei Frauen zu leben haben. Ich habe erst die ersten Kapitel gelesen, finde aber gerade die Biographie der Großmutter besonders interessant, mit Details, die mir nicht so bekannt waren: die Heirat der Frau in sehr jungem Alter, mit einem "Großvater", auch der zweite Mann, den sie sich selbst auswählt, ist ein "Großvater"; auch die genaue und anschauliche Beschreibung der Beerdigung des ersten Mannes. die Beerdigung mit der Konkubine, die sich auch umbringen musste, die Konservierung der Leiche mit Quecksilber und Kohle. Jung Chang versucht auch eine relative objektive Bewertung der Kuomintang, der Kommunisten usw. Besonders beeindruckend der Durchhaltewille und Mut ihrer Mutter. Die Biographie der Mutter habe ich noch nicht angefangen, aber auch dies wird eine Geschichte der unvorstellbaren Grausamkeinten, wie ich von anderen Beschreibungen in Erinnerung habe. Das Buch ist jedenfalls sehr gut geschrieben und wirklich lesenswert. Mir war das Buch noch nicht aufgefallen, weil ich mich bisher nicht so sehr für China interessiert hatte.
Brigitte Höfer
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Re: Jung Chang: Wilde Schwäne

Beitrag von Brigitte Höfer »

Bericht zum ViLE-Webinar zur Vorbereitung des Asienseminars am Freitag, 15.1.2016 um 15.00 Uhr
Diskussion des Romans „Wilde Schwäne“ von Jung Chang, Knaur Verlag 1991
Der umfangreiche Roman wurde von zwei Mitgliedern der Gruppe Gemeinsam lesen vorgestellt und besprochen: Annemarie befasste sich mit den historischen und politischen Ereignissen Chinas im ausgehenden19. Und 20. Jahrhundert und Brigitte konzentrierte sich auf die autobiographischen Teile der Autorin, die in sehr bewegenden Bildern ihre Erlebnisse während der Kulturrevolution schilderte. Ein besonderes Augenmerk erhielt die sogenannte Mao-Bibel, das kleine rote Buch mit den Worten des Vorsitzenden Mao-Tse-Tung, das bei jeder Demonstration dabei sein musste und auch im Westen sehr populär war.
Im Vorwort zur Jubiläumsausgabe 2004 beschreibt Jung Chang, wie sie, angeregt durch ihre Mutter, es fertigbrachte, die Geschichte ihrer Familie zu schreiben. Ihr Mann Jon Hallyday, ein britischer Historiker, unterstützte sie dabei sehr. Mit ihm zusammen schrieb sie eine fast tausendseitige Mao-Biographie, die 2005 im Blessing-Verlag herauskam.
An dem Webinar nahmen insgesamt 16 Personen teil. Die Technik spielte uns leider einen Streich: Die Sprachübertragung erfolgte so zeitverzögert, dass eine Sprachübermittlung per Telefon das Mittel der Wahl war. Somit war auch eine Diskussion am Ende nicht gut möglich. Dennoch hoffen wir, dass dies eine gute Einstimmung auf das Asienseminar in Bad Urach war.
Zur weiteren Information findet man viele Filme zu Mao auf Youtube:
Mao - Der große Diktator
https://www.youtube.com/watch?v=sDBec4HdWfk

Brigitte
Erna
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Re: Jung Chang: Wilde Schwäne

Beitrag von Erna »

Liebe Brigitte,
danke für den Link. Da bekommt man ja eine Menge weiterer Informationen über China!
Erna
Marlis Beutel
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Re: Jung Chang: Wilde Schwäne

Beitrag von Marlis Beutel »

Liebe Annemarie und liebe Brigitte,

das Webinar fand ich sehr spannend und möchte mich herzlich für Eure Informationen bedanken.

Grüße von der Bergstraße,
Marlis
Marlis Beutel
Annemarie Werning
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Re: Jung Chang: Wilde Schwäne

Beitrag von Annemarie Werning »

Der Text vom Webinar:


Die Familie des Urgroßvaters von Jung (Han Chinesen) lebte in einem kleinen Ort der chinesischen Region Mandschurei. Die Großmutter wurde 1909 geboren. Zu dieser Zeit wurde China noch von der seit 1644 herrschenden Mandschu-Dynastie beherrscht. Unter dieser Dynastie hatte China bis zum Ende des 18. Jhd. seine größte Ausdehnung mit vielen Gebieten, die ihm tributpflichtig waren, erreicht. Die Bevölkerung hatte sich durch Kolonisationen und gute Lebensbedingungen von 100 auf 275 Millionen erhöht. Von da an ging es aber bergab.

Wegen der Überbevölkerung verarmten Bauern, die Korruption wuchs, die persönliche Moral sank, Opiumkonsum unter Beamten und Kaufleuten begann. Die Europäischen Mächte wollten in China Fuß fassen. Die britische East India Company lieferte Opium an die chinesische Küste, wo es Schmuggler unerlaubtermaßen übernahmen und verbreiteten. Der Opiumkonsum durchdrang bald den Beamten und Militärapparat. Es floss mehr Silber – das war die damalige Handelswährung - aus China ab, als China durch den Verkauf von Tee, Seide und Porzellan einnahm. Als die chinesische Regierung Gegenmaßnahmen ergriff, kam es 1840 zum ersten von mehreren Kriegen mit England und später anderen Westmächten. China verlor sie wegen seiner technischen Unterlegenheit alle . Es musste im Laufe der Zeit immer mehr Einschränkungen seiner Souveränität hinnehmen und hohe Zahlungen an das Ausland erbringen. Im Land kam es zu Aufständen, sie wurden von Generälen mit Soldaten, die ihnen persönlich ergeben waren, niedergeschlagen. Das führte dazu, dass einzelne Generäle Teile des Reichs nahezu unabhängig kontrollierten. Um die Jahrhundertwende nahmen irreguläre Truppen, die sich zum Ziel gesetzt hatten, die Ausländer aus dem Land zu vertreiben, im Boxeraufstand Peking ein. Der Aufstand wurde durch englische, französische, deutsche, russische, österreichische, italienische und japanische Truppen niedergeschlagen.
Auslandschinesen bildeten nun gemeinsam mit Eliten im Land 1905 eine Revolutionäre Allianz, die den Sturz der Mandschu Dynastie und die Errichtung einer Republik nach westlichem Vorbild zum Ziel hatte. Im Oktober 1911 besetzten junge Offiziere eine Militärkommandatur und riefen die Republik für ganz China aus. Bis Ende November 1911 erklärten fast alle Provinzen ihre Unabhängigkeit von der Dynastie. Der Kaiser dankte im Februar 1912 ab.

Formal blieb China Republik bis 1949. Provisorischer Präsident wurde der Revolutionsführer Sun Yatsen, ihm folgte der Militärmachthaber Yuan Shikai, der 1916 starb. Danach gab es nur noch formal eine Zentralregierung. Wechselnde lokale Militärmachthaber beherrschten das Land. Die Mandschurei wurde bis 1928 autonom von dem Kriegsherrn Zhang Zuolin beherrscht.
Im Frühsommer 1924 kommt es zur Begegnung zwischen dem Urgroßvater von Jung und dem General Zuo-lin, Bald darauf wurde die Großmutter 15jährig dessen Konkubine mit eigenem Haus und Dienerschaft. Zuo-Lin war von dem Militärherrscher über Peking abhängig. Als dieser 1924 gestürzt wurde, verlor er seine Stellung. Er lebte fortan in der Enklave Tianjin und seiner Villa in Lulong. 1930 besuchte er Jungs Großmutter erstmals wieder und zeugte ihrer beider Tochter. Sie wurde 1931 geboren. 1933 starb Zuo-Lin. Er gab testamentarisch die Großmutter frei.
1931 wurde die Mandschurei von Japan erobert. 1933 errichtete Japan den Marionettenstaat Mandschuko unter dem letzten Kaiser der Mandschu Monarchie. Japan hatte es auf die Rohstoffe und auf das Getreide der Mandschurei abgesehen und beutete das Land aus.
1935 heiratete die Großmutter Dr. Xia, einen Arzt der Mandschu Ethnie. Beide zogen mit der Mutter der Verfasserin nach Jinzhou.
Bereits 1912 war in Südchina die nationale Partei Kuomintang, deren späterer Führer Chiang Kai-shek war, gegründet worden. Sie kämpfte für die Einheit Chinas und gegen den imperialistischen Druck Japans und der westlichen Mächte. 1928 nahm Chiang Peking ein und gründete eine Nationalregierung mit der Hauptstadt Nanking. Die Regierung wurde als Regierung Chinas anerkannt.

Bereits 1921 wurde die KP Chinas mit sowjetischer Unterstützung in Shanghai gegründet. Zunächst kämpfte sie zusammen mit der Kuomintang. 1927 kam es zum Bruch zwischen den Kommunisten und der Kuomintang. Chiang ließ alle Kommunisten und Arbeiterführer in Shanghai verhaften und hinrichten. Die KPCH wurde verboten.
Die Kommunisten gingen danach in den Untergrund. Eine Gruppe versuchte, in den Städten Aufstände zu initiieren, die andere unter Mao Tse-tung ging aufs Land und stellte eine Bauernarmee auf. Sie versprachen den Bauern eine Bodenreform.
Zwischen 1930 und 1934 unternahm Chiang Vernichtungsfeldzüge gegen die von der KP im Süden gehaltenen Gebiete. Die Kommunisten flohen auf dem „Langen Marsch“ mit vielen Umwegen nach Nordwestchina, wo sie in der Nähe von Yanan 1936 eine neue Basis errichteten. Der Lange Marsch hatte eine Strecke von 12.500 km. Der 1921 geborene Vater der Verfasserin schloss sich 1940, 19jährig, in Yanan den Kommunisten an. Ihre Armee galt als diszipliniert und gut geführt. Im Gegensatz zur Kuomintang bezahlten sie, was sie verbrauchten.
Im Juli 1937 begann der 2. Weltkrieg in Japan. Bis 1938 hatte Japan die wichtigsten Küstenstädte und Industriezentren Chinas besetzt. In Nanking, das sich wehrte, kam es zu einem Massaker, bei dem 300.000 chinesische Zivilisten ermordet wurden. Am 7. 12. 1941 griffen die Japaner die amerikanische Pazifikflotte in Pearl Harbour (Hawaii) an. Amerika ist danach in den 2. Weltkrieg eingetreten. Es unterstützte von da an die Kuomintang gegen Japan.
Am 8. 8. 1945 erklärte die Sowjetunion Japan den Krieg und marschierte mit über einer Million Soldaten in die Mandschurei ein. Am 15. August kapitulierte Japan nach dem Abwurf der Atombomben über Hiroshima und Nagasaki. Die japanischen Truppen in China ergaben sich am 9. September 1945. Die Mandschurei kam wieder zu China.
Kurz nach der Kapitulation Japans brachen die Kämpfe zwischen Kuomintang und KP erneut aus. Die Zahl der Mitglieder der KPCH war inzwischen auf 1,2 Millionen gestiegen, ihre Armee auf 1,3 Mio. Soldaten. Der Bürgerkrieg dauerte bis 1949. Ab 1948 erreichten die Kommunisten das militärische Übergewicht. Die Regierung (Kuomintang) zog sich mit den übriggebliebenen Streitkräften nach Taiwan zurück. Am 1. 10. 1949 rief Mao in Peking die Volksrepublik China aus.
Im Sommer 1949 heirateten die Eltern von Jung und gingen unter großen Strapazen nach Yibin in der Provinz Sichuan. Die Eltern arbeiteten als Parteifunktionäre in der Verwaltung und bekamen 5 Kinder.
Die Kommunisten begannen zwischen 1950 und 1953 durch eine Reihe von Verfolgungskampagnen gegen Grundbesitzer und Selbständige die bisherige Führungsschicht zu beseitigen. Es sollen dabei ca. 10 Mio Menschen umgekommen sein.
Im Mai 1956 kam es durch die Parteiführung zur Hundert Blumen Kampagne, die zur Verfolgung von sogenannten Rechtsabweichlern führte.
Um die Industrialisierung schneller voranzubringen, wurde der „große Sprung nach Vorn“ initiiert. Er führte zum Hungertod von geschätzten 20 – 40 Mill. Menschen.
Die Kulturrevolution begann 1966, durch sie wollte Mao seine Macht stärken und die Parteistruktur zerstören. Sie wurde durch das Militär unter Lin Bao gestützt.
1971 wurde China Mitglied der Vereinten Nationen.
1972 besuchte Nixon China, im gleichen Jahr nahm Deutschland diplomatische Beziehungen zu China auf.
1976 starb Mao 83jährig.
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