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Armgard Dohmel

Der folgende Text wurde im Rahmen eines ZAWiW-Seminars in Bad Urach von Armgard Dohmel vorgelesen. Darin befasst sich die Autorin mit ihrem Eintritt in den Ruhestand. Aber im Gegensatz zu Mireille kann sie an diesem Schritt in den „Dauerurlaub“ und das „freie Rentnerleben“ auch eine ganze Reihe von Schattenseiten entdecken. Ein Stück aus dem Leben gegriffen, und meistens im Widerspruch zur „Dame in Blau“ von Noelle Châtelet. Sehr lesenswert.

Armgard Dohmel( 2000 )

Rentners Leid


Seit ich Rentnerin bin, werde ich von vielen meiner Bekannten, die selbst noch im Erwerbsleben stehen, glühend beneidet. Ich gebe ja gerne zu, dass es mir nicht gerade schlecht geht: Auch mein Wecker ist im Ruhestand und ich stehe morgens nach dem "Lustprinzip" auf. Scheint die Sonne, muss ich nicht erst auf den Feierabend oder das Wochenende warten, sondern nutze das schöne Wetter spontan für Aktivitäten im Freien. Die unbedingt notwendige Hausarbeit sowie die Einkauferei kann ich mir einteilen und flexibel während der Woche erledigen, wenn mir nichts Besseres einfällt. Früher gingen diese Arbeiten am Wochenende zu Lasten meiner Freizeit und ich musste mich im Supermarkt durch das Heer all der anderen Berufstätigen kämpfen. Abends brauche ich nicht mehr mit den Hühnern schlafen zu gehen, um am nächsten Morgen in aller Frühe fit für meinen Brötchengeber zu sein. Wenn mir der Sinn danach steht, kann ich für kürzere oder längere Zeit verreisen, ohne bereits lange vorher planen, einen Urlaubsantrag ausfüllen und meine Wünsche mit den Kolleginnen abstimmen zu müssen. All diese Dinge sind zweifellos recht angenehm, wie ich nun täglich feststellen kann. Und die lieben Mitmenschen, die noch in der beruflichen Tretmühle stecken, seufzen neidvoll: "So schön wie du möchte ich's haben!"

Doch das "freie Rentnerleben" hat auch Schattenseiten, für die kaum jemand rechtes Verständnis aufbringt. Ja, ich wage zu sagen, dass wir Rentnerinnen und Rentner auf geradezu unglaubliche Weise benachteiligt sind. Damit meine ich nicht die traurige Tatsache, dass wir jeden Tag älter werden - davon sind auch die jungen Leute nicht ausgenommen -, und ich meine auch nicht die Zipperlein, die sich zunehmend einstellen.

Aber damit fängt es schon an: Fühlte ich mich während meiner Berufstätigkeit krank, so ging ich selbstverständlich in der Arbeitszeit zum Arzt und erhielt, wenn notwendig, ein Arbeitsunfähigkeitsattest, das mich vom Dienst befreite. Wer schreibt mich jetzt noch krank? Kein Hahn kräht danach, wann und wie lange ich meine Grippe auf eigenes Risiko im häuslichen Bett kuriere - ohne Krankmeldung und ohne gute Wünsche und Blumenstrauß vom Chef.

Und wenn alle Berufstätigen sich auf den Feierabend freuen: Was bleibt mir? - Nichts! Selbst das Wochenende ist nicht mehr das, was es früher einmal war, als ich nach einer stressigen Woche am Freitagnachmittag aufatmend und voller Vorfreude auf zwei freie Tage die Bürotür hinter mir schloss. Ich habe keine "freien Tage" mehr, seit ich nicht mehr im Beruf stehe - ebenso gibt es für mich weder Mittagspause noch Feierabend noch Urlaub. Unter solchen Bedingungen würde heutzutage niemand mehr arbeiten und die Arbeitsgerichte müssten mit einem gigantischen Anstieg der Klageverfahren rechnen. Das simple Argument, dass ich ja nicht mehr arbeite, ist da nur ein schwacher Trost und trifft den Kern der Situation nicht.

All diese Dinge habe ich mir zu wenig überlegt, als ich den Schritt aus dem Berufsleben in den Ruhestand - ins "dritte Lebensalter" - wagte. Doch hat man erst einmal das Stadium des "Dauerurlaubs" erreicht, gibt es keinen Weg zurück, und nun erlebe ich die Konsequenzen am eigenen Leib. Die Würfel sind gefallen - die Bürotür bleibt für den Rest meines Lebens geschlossen. Da hilft auch keine Gewerkschaft - mir bleibt nur, mich fürderhin mit den menschenunwürdigen Bedingungen des Rentnerlebens abzufinden.