_
  [ Online-Journal "LernCafe" ] [ZAWiW] [ SoLiLL ] [ Chat ]
_ _ _
  Dreieck nach obenGemeinsamLernen  
_ _ _
  Dreieck nach obenLerngruppen Logo ZAWiW
_ _
  Dreieck nach obenGemeinsam Lesen
_ _ _
    Dreieck nach obenWebseiten  
_ _ _ _
    Dreieck nach obenLeserunden  
_ _ _ _
    Dreieck nach obenAlte Leserunden  
_ _ _ _
    Dreieck nach obenLeserunde 1  
_ _ _ _
    Dreieck nach obenArbeitsraum  
_ _ _ _
    Dreieck nach obenAutoren  
_ _ _ _
    _Dohm  
_ _ _ _
_
_  
_
_ Zurück - Inhalt
_ _
_ _
_ _
_ Inhaltsangabe
_ _
_ _ Relevanz des Texts
_ _
_ _ Lübecker Gruppe
_ _
_ _ Mittweida Gruppe
_ _
_ _ Ulmer Gruppe
_ _
_ _
_

Druckversion

Kommentierte Inhaltsangabe von Peter Joksch


Erzählung: Werde, die du bist. Veröffentlicht 1894 (61 Jahre)

Hedwig Dohm; geb. 1833; gest. 1919 (86 Jahre); u. a. Frauenrechtlerin


Eine Erzählung. Hauptperson: Agnes Schmidt, 60 Jahre, Patientin in einer Irrenanstalt.
Hedwig Dohm beschreibt in ihrer Erzählung das Leben der Agnes Schmidt und zwar haupt-sächlich die Zeit ihrer Witwenschaft. Sie beschreibt die Gesellschaft und klagt die Art und Weise an, mit der Mädchen, Frauen und insbesondere Witwen von der Gesellschaft als zweit-rangige, untergeordnete Wesen behandelt werden.
Agnes Schmidt, Tochter eines Geheimen Kanzleirats, heiratete mit 20 Jahren einen jungen Beamten und hatte zwei Töchter. Als sie 44 Jahre alt war, erkrankte ihr Mann und war seit-dem gelähmt. Sie pflegte ihn 8 Jahre lang bis zu seinem Tod. Ihre Töchter heirateten. Marga-rete einen Fabrikanten, Magdalene einen Amtsrichter. Beide zogen von Berlin fort.
Nach dem Tod ihres Mannes begann Agnes Schmidt ein Tagebuch zu führen, welches den Hauptteil der Erzählung bildet.
In diesem Tagebuch klagt sie die Gesellschaft, ihre Kinder und Schwiegersöhne an, Mädchen, Frauen und insbesondere Schwiegermütter und Witwen als zweitklassige Menschen zu be-handeln. Entsprechende Stellen sind:
Eine alte Frau aber, die arm ist und Witwe, die ist so gut wie tot. (S. 5)
Sie (die Eltern) zogen mir aber den Bruder vor, ... (S. 5)
Jetzt weiß ich, warum man mir den Bruder vorzog; weil er Sohn war und ich nur Tochter. (S. 5)
Ich glaube bestimmt, die Eltern hätten es (den Tod des Sohnes) weniger bitter empfunden, wenn ich gestorben wäre. (S. 5)
Doch erinnere ich mich, dass sie (die Mutter) streng auf Ordnung und Schicklichkeit hielt. Was die Anderen taten, das war für sie das Richtige. (S. 6)
Wir kleideten uns nach dem Kalender und nicht nach der Temperatur. (S. 6)
Ich glaube, er (der Vater) hielt nur Söhne für rechte Kinder. Mädchen müssen doch wohl un-tergeordnet sein, da Eltern immer enttäuscht sind, wenn ihnen Töchter anstatt Söhne geboren werden.(S. 6)
Was sie (die Ehe) sei, und was sie für Anforderungen an das Weib stellte, danach fragte ich nicht und niemand belehrte mich darüber. (S. 6)
Dass er (der Ehemann) von seiner Superiorität mir gegenüber überzeugt ... war, ... . Ich machte ihm nie Opposition. (S. 6)
Urlaub in ihrer Ehe war für sie lediglich doppelte Arbeit (S. 7). Ihre Kleidung nach dem Tod ihres Mannes war: schwarzes Kleid, schwarze Schürze, schwarzes Filetnetz und sie kam sich geschmacklos vor.
Sie entschließt sich, ihre Töchter zu besuchen, um auch ihre Enkelkinder kennen zu lernen, die sie noch nie gesehen hat. Nach 8 Wochen reist sie wieder nach Hause. Insbesondere ihre Schwiegersöhne hatten ihr zu verstehen gegeben, dass sie störe und Eugen, Margaretes Mann, versuchte an ihr Geld zu kommen. Sie freute sich, dass sie abreisen konnte.
Wieder daheim beginnt sie sich zu "emanzipieren". Sie besucht Galerien und Theater. Sie liest und lernt dadurch die Ansicht kennen, dass es nicht wahr sei, dass die Frau ein untergeordne-tes Geschöpf sei, vorbestimmt für niedere Lebensfunktion. Sie wird "eitel" und achte mehr auf ihre Kleidung. Sie sehnt sich nach dem Süden.
Zitate in diesem Teil der Erzählung sind:
Ich merke, dass ich zuweilen den Spott der Menschen errege, ... ... Sie haben ja dekretiert, wie der Mensch in jedem Lebensalter sein soll. ...
Der Alte ist eine liebenswürdige Vorstellung, die Alte eine unangenehme. ... (S. 16)
Man hatte meine natur an die Kette gelegt. (S. 17)
Hatte Eduard (ihr Mann) das Recht zu sagen, lebe für mich? (S. 17)
Das Unrecht, das man mir getan, man hat es allen getan. (S. 24)
Sie streift die gesellschaftlichen Fesseln ab, indem sie erkennt: Und ich ließ mich festhalten von Fesseln, dünn wie Spinnweben ... (S. 27)
Sie verliebt sich (zum ersten Mal) in einen jungen Mann, was sie zu dem Ausspruch verleitet: Der 70-jährige Goethe wird bewundert für seine Liebe zu einem jungen Mädchen, empfindet eine alte Frau tief und stark für einen Mann, so ist sie erotisch wahnsinnig. (S. 33)
Agnes Schmidt übersteht die Loslösung von den allgemeinen gesellschaftlichen Regeln nicht unbeschadet. Ihr Geist verwirrt sich und sie endet als Patientin in einer Nervenheilanstalt.
Hedwig Dohm hat die Situation der Mädchen und Frauen des 19. Jahrhunderts beschrieben und die Ungerechtigkeiten aufgezeigt. Die gesellschaftlichen Regeln und Vorurteile be-schreibt sie als derart festgefügt und verkrustet, dass der Befreiungsversuch ihrer Hauptperson mit deren geistiger Erkrankung endet.
Wenn auch ein literarischer Wert der Erzählung fehlt, so haben wir jedoch eine eindrucksvol-le Schilderung der Vorurteile und Regeln mit denen Frauen und Mädchen zu dieser Zeit leben mussten.