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Zusammenfassung der Arbeitsraum - Texte zu Bertolt Brecht - Die unwürdige Greisin (1949)
Die Kalendergeschichte von Brecht bereitete den Lesegruppe weit aus weniger Mühe und langen Atem als der Text von Hedwig Dohm. Nicht zuletzt die hoffnungsvollere Grundstim-mung, die sich bis zu ihrem Ende über alle "Konventionen" und Gerüchte hinwegsetzende und durchsetzende "Greisin", ließ schon viel eher die Stimmung des Vergleichs mit der Ge-genwart, des sich selbst Wiederfindens in der Erzählung aufkommen. Alle Äußerungen zum Text gehen davon aus, dass es auch heute noch keine grundsätzliche Änderung im Verhalten der Generationen in dieser Frage gibt. Kurz und prägnant habe der Autor viel von der Prob-lematik erfasst und uns nahe zu bringen vermocht: die Gegenüberstellungen der Familienposi-tionen mit ihren unterschiedlichen gesellschaftlichen Konventionen, die Einschätzung der Ehe nicht nur als einfache Bindung sondern oft auch als Kette, und sogar die zeithistorischen Ver-änderungen in Deutschland. Die alles entscheidende Frage und Auslöser der Diskussionen war aber das Wort "unwürdig". Übereinstimmend haben alle LeserInnen zu dem Schluß ge-funden, dass Unwürdigkeit am ehesten noch auf den neidischen Sohn zutrifft. Bezogen auf die Lebensverhältnisse vor dem Tod des Ehemannes blieb die spannende Frage im Raum stehen, ob nicht eine Unwürdigkeit für die Frau in der Ehe bestanden habe. Das Gefühl ihrer neu gewonnenen Freiheit wurde von Brecht ja wirklich auch trefflich dargestellt. Und die Fragen, die sich für so manche Leserin für die heutige Zeit daraus ergeben, müssen noch beantwortet werden, vor allem von der jüngeren Generation. Diese hat sich durch die Stuttgarter Gruppezu diesem Text mit einigen sehr nachdenklichen Gedanken dazu geäußert: Die Frage nach der Bedeutung des Todes eines Partners, Räumliche Nähe der Familie, das Rollenverhalten in der eigenen Familie und das fast schon Zugeständnis an das Überleben solcher Konventionen auch in der eigenen Generation. Wenn am Ende dann von der Stuttgarter Gruppe nach den Rollen, ihren Erwartungen und Ausbrüchen gefragt wird, so ist mehr oder weniger von einer Veränderung in all den Jahrzehnten seit der Entstehung dieser Geschichte nicht sehr viel pas-siert. Und dies wurde durchgehend mit Bedauern festgestellt.
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