Diskussionsbeitrag aus Mittweida
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Sommerhaus später
Ein
Buch das entgegen der Erwartung doch mehr begeistert und zum Nachdenken anregt.
Ein Spiel: „sich so ein Leben vorstellen“ – Vergangenheitserinnerungen,
die keiner mehr kennen will – Unaufrichtigkeiten der Gegenwart – Angst vor
dem ungelebten Leben – Vergänglichkeit aller Werte im Leben – und der Fluss
der Zeit zieht vorüber, wird immer schneller, weil die breiten Überflutungsräume,
die Tempo nehmen, nicht mehr da sind.
Überschwemmungskatastrophen der anderen Art. – Zukunft, was ist das? – Ist
das später? Ist das Sommerhaus die Zukunft? – Oder rollen die Korallen noch
immer über den Boden?
Rote Korallen – Arbeit und Liebe – oder das was man jeweils dafür hält –
Wir brauchen alle Therapeuten – die schweigen – dann lernen wir wieder
miteinander zu reden – hoffentlich.
Vielleicht hilft es, die Korallen, die wutroten, wegzuschleudern und auf den
Grund des Meeres zu schauen, um die Zukunft zu erkennen und bewusst zu
gestalten.
Wir haben die erste Geschichte gelesen und diskutiert. Die Titelgeschichte und
die Camera Obscura werden am 03.06. folgen. Der Rest ist „fakultativ“. Wir
haben das Buch genutzt, um damit zu arbeiten, Gedanken zu entwickeln, eigene
Gedanken für uns hier. Wir tun es noch.
Die Zuwendung zu jungen Schriftstellern, die wir bereits mit unserem Kontakt zum
ersten Chemnitzer Autorenverein begonnen haben, findet mit diesem Buch eine neue
Qualität.
Mehrere Leser hätten das Buch aus eigenem Antrieb wohl nie in die Hand
genommen. Merkwürdig, mysteriös, verträumt, irgendwo zwischen Traum und
Wirklichkeit schwebend erscheint der Gedankenfluss. Doch die Großmutter kann
man sich gut vorstellen. Viele Bilder sind mit Worten gezeichnet und helfen zu
verstehen. Überall Staub und Dreck. Nur gut – nach unserer Gesprächsrunde
zum Buch war das Staubsauger- und Fensterputzgeschwader hier – man gewöhnt
sich sonst noch daran, wenn man dieses Buch liest und die Darstellung der
Wohnkommunen aus Bad Urach noch im Kopf hat. Gelüftet haben wir auch gleich.
:-)
Die verknappte, verfremdete Darstellung und die Sprünge zwischen Raum und Zeit,
Hintergrund und Vordergrund, Lust und Frust, Vereinzelung und Gesprächslosigkeit
lassen die Romantik, lassen die Werte oft
zurück.
Manches erinnert an moderne Musikstile, die für Ältere nur schwer auszuhalten
sind.
Harte kurze Fakten an den Kopf geworfen. Wie Steine. – Und in der Moderation
wurde das noch bewusst verstärkt. – Unaufrichtigkeit, das ist nicht so unser
Ding. So haben wir nicht gelebt, so wollen wir nicht leben, wir wollen nicht,
dass so über unser Leben geschrieben wird. WIR WOLLEN DAS NICHT. Nicht so sein.
Sind wir auch nicht. – Es gibt mehr als die Bewegung der Staubteilchen.
Auch wenn wir im Universum nur Staubteilchen sind. Wir sehen uns nicht so klein.
Wer sich selbst so klein sieht, der kann für die Zukunft keinen Beitrag
liefern.
Das aber ist der Maßstab – knallhart – wie ein Stein – auch für diese
Autorin.
Der Auftakt war sehr gut. Jetzt muss die hohe Erwartung erfüllt werden. Wir
sind gespannt.
Aus der Diskussion der Lesegruppe in Mittweida
zusammengefasst von Wolfgang Schleicher
P.S.:
Der besondere Service: - Seite 88 –
„Wir
wuschen ihr einmal in der Woche die Haare, dann kauerte sie über der Wanne und
kicherte und sagte: > Es juckt so, das ist schön.< Sie machte ins Bett
und lag dann weinend und unglücklich bis zum Abend. Aber manchmal sang sie und
zwinkerte mit ihrem linken Auge und lachte über etwas von dem wir nichts
wussten, bis ihr die Tränen kamen. Sie hörte nie Musik. Lag ... in dieser
Stille, die einmal laut gewesen war, als die zwei Kinder noch da waren und der
Mann.“
Zum
Werk:
„Zeitanalyse:
Beziehungslosigkeit. Immer wieder die Ichsuche, die Frage nach Woher und
Wohin, vielleicht auch nach dem Du; Variationen über Sinn und Sinnlosigkeit,
Sein und Tod. Was Judith Hermann, 1970 in Berlin geboren, in neun Erzählungen
zu ihrem ersten literarischen Band Sommerhaus, später zusammenfügt,
sind Blicke in den Alltag, an denen sich die Fragen des Lebens brechen.“ (M.Jahrmärker)
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