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    _Maria Nurowska  
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_ _ Briefroman
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_ Inhaltsangabe
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"Briefe der Liebe" - Inhalt

" ‚Krystyna Chylinska ist nicht dein wirklicher Name', sagtest du wie beiläufig und ohne auf meine Antwort zu warten. Dabei weiß ich nicht, ob das eine Frage oder eine Feststellung war. Dein Gesicht war undurchdringlich. Nachher, als du mit einem Freund telefoniertest, erfuhr ich, dass man dich mit sofortiger Wirkung entlassen hatte. ‚Was soll's, sagtest du, sie veranstalten eine Hexenjagd'".....
Der Roman beginnt wie ein Krimi, er entwickelt sich aber zu einem Psychogramm einer Frau, die in sieben Briefen, die aus unterschiedlichen Lebensetappen zwischen 1943 und 1968 datieren, in ungeschminkter, selbstkritischer Weise Rückblick auf ihr Leben nimmt. Diese Briefe richten sich an Andrzej, den geliebten (Ehe-)Mann. In diesen Briefen erklärt sie, warum sie ihm verschwiegen hat, dass sie aus dem Ghetto geflohen ist und ihren Namen geändert hat und wie diese "Lebenslüge" sie belastet, ohne dass sie sie aufzuheben vermag.

Als Kind muss sich Elisabetha Elsner entscheiden, ob sie mit dem Vater, einem bekannten und bei den Studenten sehr beliebten Professor der Philosophie jüdischer Abstammung, ins Warschauer Ghetto geht oder bei der Mutter bleibt, die Arierin ist. Sie entscheidet sich für den Vater und lebt mit ihm im Ghetto ein Leben, das zunehmend von Entbehrungen geprägt ist. Um sie beide zu ernähren, verkauft sie ihren Körper, eine Tatsache, vor der er die Augen verschließt.

Nach seinem Tod gelingt ihr die Flucht mit einer falschen Kennkarte auf den Namen Krystyna Chylinska. Der Zufall führt sie vor die Tür von Andrzejs Mutter, die dort mit ihrem Enkelsohn lebt. Der Vater ist im Krieg, die Mutter ist im KZ. Als dann noch die Großmutter stirbt, bleibt sie mit dem kleinen Michal alleine zurück. Es entwickelt zwischen den beiden eine innige Beziehung, die auch durch die Rückkehr des Vaters nicht beendet ist.

Zwischen Andrzej und Krystyna entwickelt sich eine große Liebe. Um dieser Liebe willen verleugnet Krystyna sich und ihre jüdische Herkunft, weil sich Andrzej, im politischen Widerstand von einem Juden an die Faschisten verraten, als überzeugter Antisemit erweist. Sie führt Existenz, deren Lebensfacetten sie nicht zusammenfügen kann : gebildete Tochter eines jüdischen Professors für Philosophie, minderjährige Edelnutte in einem Ghettobordell, liebende (Ehe-)Frau, fürsorgliche Mutter, aufopfernde Pflegerin von Andrzejs sterbender Frau, als Geliebte eine Offiziers des Stabsicherheitsdienstes, eines getarnten Juden und Kommunisten, den sie im Ghetto als Dichter kennen gelernt hatte.

Immer wieder kreist sie um das Thema "Identität" - "was ist die ‚wahre Haut'?", beschäftigen sie Fragen nach Wahrheit, Schuld, Strafe, Rechtfertigung, Schicksal - Selbstbestimmung, echtes und falsches Leben, Hingabe - Selbstaufgabe-Betrug, körperliche Abhängigkeit- Wollust- seelische Verbundenheit/Liebe.

Der Roman ist historisch-soziologisch eingebunden in die Zeit zwischen 19943 bis 1968 in Polen, die Geschichte von Elisabetha alias Krystyna ist eingebettet in die Geschichte der Judenverfolgung in Warschau durch die deutschen Nationalsozialisten, die Verfolgung polnischer Widerständler und Niederschlag des Aufstands der polnischen Bevölkerung durch die Nazis, die Verfolgung polnischer Intellektueller in der kommunistisch geprägten Nachkriegsherrschaft und den polnischer Antisemitismus.

Das Buch ist ein Liebesroman, ein psychologischer Roman, aber auch Dokument polnischer Zeitgeschichte. Der Aufbau des Buches versetzt den Leser/die Leserin in Spannung. Ausgehend vom "letzten Brief" wird die Lebensgeschichte der Protagonistin von dieser selbst in sechs Briefen mit "Zeitsprüngen" erzählt (Jetzt-Zeit, Vor-Zeit, Nach-Zeit), es ist die selbstkritischer Betrachtung (sozusagen mit "Röntgenaugen") und Auseinandersetzung mit der eigenen Lebensrealität bzw."Lebenslüge" und Suche nach Identität. Es ist aber auch die Geschichte von Gewalt und Vergewaltigung in Kriegszeiten, von Menschen, die der Hunger zum Verkauf ihrer Haut bringen, von Tätern und Opfern, die die dramatischen Erlebnisse bis zu ihrem Lebensende wie quasi in die Haut eingebrannt mit sich herum tragen. Das Buch endet mit einem überraschenden Schluss.

Mit großer sprachlicher Sensibilität werden die unterschiedlichen Gefühlslagen analysiert, wobei die Sprache klar und direkt ist. Auch die erotischen Beschreibungen sind sehr einfühlsam gestaltet.
Carmen Stadelhofer