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ODE Open Doors for Europe

Stand:


Weihnachten in Polen und in meiner Familie

Bei mir zu Hause, und auch in den meisten polnischen Familien, wird schon Anfang Dezember an Weihnachten gedacht. Weihnachten sind ein religi�s-famili�res Fest. Wegen der Tradition und wegen der spezifischen Rolle dieser Festtage muss man sich auf sie richtig vorbereiten.

Nach der Tradition bereiten sich Katholiken auf die Aufnahme des zur Welt kommenden Gotteskindes in einer vierw�chigen Erwartungsphase - dem Advent. Da finden an mehreren Tagen Andachts�bungen statt, die in den Besuch am Beichtstuhl m�nden, wo wir unsere S�nden bekennen, Besserung und Bu�e f�r unsere Verschuldungen versprechen.

Wenn die Seele schon bereit ist Gott zu empfangen, dann konzentriert man sich auf praktische Aspekte der Vorbereitungen: Wohnungen werden gr�ndlich aufger�umt und geputzt, manche Weihnachtsgerichte werden zubereitet, z.B. werden dann Rotr�ben einges�uert, um nach ein paar Tagen G�rung aromatischen G�rstoff f�r Suppen zu bekommen.

Die Tage direkt vor dem Heiligen Abend sind gesch�ftig und ziemlich anstrengend, weil man ein vielf�ltiges Men� f�r gro�e Anzahl an Personen vorbereiten muss: Weihnachten sind doch ein Fest f�r die ganze Familie.

F�r alle Familienmitglieder ist der Heiligabend am wichtigsten, der dann allm�hlich zur Heiligen Nacht wird, in der Gott als Mensch geboren wird. Diese Nacht, voller Zauber und Macht Gottes, bewegt die Gem�ter von einzelnen Personen und ganzen V�lkern und gibt ihnen den Lebenssinn.

Im Esszimmer steht schon der wundersch�n gezierte Weihnachtsbaum, der Gottes Baum - meist eine Tanne oder Fichte. Der Tisch ist mit einer steifen, ideal wei�en Tischdecke bedeckt, mit einer Handvoll Heu darunter, in der Mitte des Tisches. Von dem Teller aus gl�nzt das Schneewei� der Oblate - des Symbols von Verzeihung, Vers�hnung und Liebe. An diesem Dezembertag wird es schnell dunkel. Die Kinder versuchen den ersten Stern am Himmel zu sichten. Auch wenn der Himmel ganz bedeckt ist, behaupten sie bald mit Freude, einen Stern gesehen zu haben, obwohl niemandem au�er ihnen das gelungen ist und keiner begreift, auf welche Art und Weise sie den Stern erblicken konnten.

Inzwischen sind schon die spezifischen, nur bei diesem einmaligen Abendmahl eingenommenen Gerichte warm und tischreif.

Die G�ste sind festlich gekleidet und in feierlicher Stimmung. Alle n�hern sich dem Tisch und h�ren sich im Stehen einen Absatz aus der Heiligen Schrift an, der �ber die Christi Geburt berichtet. Anschlie�end wird miteinander die Oblate gebrochen, und es werden Gl�ckw�nsche ausgesprochen. Erst nach dem Oblate brechen setzt man sich zu Tisch. In jeder polnischen Wohnung l�sst man einen Platz am Tisch frei. An diesem Abend soll niemand alleine bleiben, deshalb wartet dieser Platz auf eine Person, die vielleicht an unsere T�r klopft und von uns bewirtet werden soll. Jetzt werden mit gro�em Appetit die fleisch- und fettlosen Speisen verzehrt: Borschtsch (Rotr�bensuppe) mit Pilztaschen, gebratener Karpfen, Teigtaschen mit Kohl und Pilzen, Kohlrouladen mit Buchweizengr�tze und Pilzen, Kompott aus D�rrobst, "Kutja" (eine ostpolnische Spezialit�t aus Getreidek�rnern, N�ssen und Honig). Wichtig ist auch, dass es an diesem Abend insgesamt zw�lf Gerichte gibt, weil das Men� mit der Anzahl der Apostel �bereinstimmen soll. Sp�ter bekommt jeder eine Karpfenschuppe, die mit Sorgfalt in der Geldb�rse versteckt wird, weil sie ihrem Inhaber Wohlstand und Reichtum im kommenden Jahr bringen soll.

Jetzt wird auf Geschenke gewartet, die bei mir zu Hause immer ein Engelchen bringt. Beim Essen wird �ber Leute gesprochen, die noch vor Kurzem mit uns zusammen waren, uns aber leider schon verlassen haben, oder �ber Ereignisse, die wir neulich erlebt haben und die uns alle betreffen. Manchmal erz�hlt man sich Bibelgeschichten, um auf ihre Lehren zu verweisen. Wenn alle mit dem Essen schon fertig sind, lenkt man die Aufmerksamkeit der Kinder ab, indem man sie mit etwas besch�ftigt, damit das "Engelchen" seine Chance bekommt die Geschenke unter dem Weihnachtsbaum unterzubringen. Wie gro� ist dann die �berraschung �ber das H�ufchen aus P�ckchen und Gep�cken, wenn die pl�tzlich unter dem Baum entdeckt werden! Wie gro� ist dann die Freude dar�ber, dass das unerm�dliche "Engelchen" auch in diesem Jahr nicht versagt hat, die braven Kinder nicht vergessen, sondern sie so gro�z�gig beschert hat! Anschlie�end h�rt man nur das Knistern von entfernten Verpackungen und fr�hliche Kommentare �ber die erhaltenen Kleinigkeiten, die nat�rlich sofort gegenseitig vorgef�hrt werden m�ssen. Es wird laut, weil alle, vor allem die Kinder, ihrer spontanen Freude Ausdruck geben. Irgendwo um das Herz herum empfindet man dann W�rme, die einen in diesem Moment ergreift.

Nach dem Abendessen wird hei�er Tee getrunken und Festgeb�ck gegessen. Alle sind satt, zufrieden, gut gelaunt und genie�en die Geborgenheit des Familienkreises. Im Hintergrund glitzert der Tannenbaum mit seinen bunten Lichtern, wir singen Weihnachtslieder und schauen nachdenklich zur Weihnachtskrippe hin�ber, in der sich heute ein Wunder vollzieht.

Ich schalte den Fernseher ein und wir h�ren uns die Weihnachtsrede des polnischen Primas an, der �ber Frieden, Liebe und Hoffnung predigt. Die Welt in uns und um uns herum kommt allm�hlich ins Gleichgewicht.

Vor Mitternacht gehen wir von zu Hause weg und wir begeben uns zur Mette, der ersten Weihnachtsmesse, die so genannt wurde, weil es einfache Hirten waren, die als Erste Gott in einem Kind erkannten und mit Zuversicht willkommen hie�en, irgendwo, in einer Bethlehemer H�tte.

Es ist wohl nach dem Silvesterabend die zweitverkehrsreichste Nacht im ganzen Jahr: In Scharen eilen Leute zur Mette. Unter den F��en knirscht angenehm der eingefrorene Schnee. Man gr��t einander, begl�ckw�nscht sich und ruft fr�hlich zueinander: "Gott ist in uns und �berall!". Alles sieht wei�, sauber und festlich aus, wie im Gottesreich. Die Kirche ist �berf�llt, die Leute dr�ngen sich, h�ren aber and�chtig zu, und auf einmal erklingt irgendwo unten, inmitten der Menschenmasse ein Wehnachtslied, das langsam aber m�chtig und w�rdevoll in die H�he, bis zum Kirchengew�lbe emporsteigt:

"Heb dein �rmchen, Gotteskind,
segne unsre Heimat,
unterst�tz' uns mit Ratschl�gen
und bring uns den Wohlstand.
Sch�tz' mit deiner Macht
Land, Obdach und Habe,
Wort wurde zu Fleisch,
lebte unter uns."

Die zwei weiteren Festtage, den 25. und 26. Dezember verbringen wir gew�hnlich im Kreis der Familie oder mit Freunden. Diese Zeit nehmen wir uns f�r gegenseitige Besuche, bei denen die vorher so sorgf�ltig vorbereiteten Speisen mit Genuss verzehrt werden. Dazu geh�ren Heringe und andere Fische, unterschiedlich zubereitetes Fleisch, Rotr�bensuppe, Kohlenrouladen, "Bigos" (eine Spezialit�t aus Sauerkraut, Fleisch, Wurst und Gew�rzen), Leb- und Mohnkuchen. Dabei werden Weihnachtslieder gesungen oder auch angeh�rt, wenn verkleidete Kinder mit einem Stern mal vorbeikommen, was oft der Fall ist.

Eine Woche sp�ter wird auch bei uns der letzte Tag des alten Jahres, der Silvesterabend, gefeiert. Bekanntlich hei�t das Fest so nach dem Namenstagskind, das eben an diesem Tag seinen Namenstag begeht. Musik, Tanz, lockere Unterhaltung, gegenseitige Gl�ckw�nsche, allgemeine Freude vor dem Hintergrund von krachenden Sektverschl�ssen und Knallern und aufblitzenden Raketen setzen sich auf die unwiederholbare Atmosph�re dieser Nacht zusammen. Das Motto der Nacht hei�t "austoben" und wird entweder auf kleinen privaten Partys und gesellschaftlichen Treffen oder auf vornehmen B�llen in eleganten Lokalen in die Tat umgesetzt.

Dazu gibt es aber auch Alternativen. Schon seit mehreren Jahren kann man in Lublin den Silvesterabend im Konzertsaal der Lubliner Philharmonie verbringen, sich dort die sch�nsten Fragmente aus bekannten Operetten anh�ren, und in der Pause auch einen Toast mit einem Glas Wein ausbringen. Dabei kann man sich mit Vergn�gen Gedanken dar�ber machen, ob man den Rest des Abends gem�tlich zu Hause beim leckeren Abendessen verbringt oder lieber doch zu einem verr�ckten Ball geht. Wenn jemand keine Lust auf klassische Musik in der Philharmonie hat, dann kann er diese Nacht weniger geschmackvoll vertreiben und sich der Menschenmasse anschlie�en, die sich um Mitternacht auf dem Litauer Platz im Stadtzentrum versammelt. Die Leute dr�ngen sich zusammen, Sekt flie�t in Str�men, alle freuen sich, prosten sich zu und schreien laut, manche feuern Raketen und Knaller ab, im Hintergrund h�mmern schrille Rhythmen aus riesigen Lautsprechern. Es gibt sehr viel Verkehr und Unterhaltung. Alle warten auf die Mitternacht, auf das Neue Jahr, das bald kommt und nat�rlich viel besser als das vergangene sein wird.

Nach der verr�ckten Nacht muss man richtig ausschlafen und t�chtig essen, meistens erst gegen Mittag. Nach dem Essen wird oft ein langer Spaziergang, am besten mit der ganzen Familie, unternommen, damit der Organismus gr��ere Chancen hat, wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Am Nachmittag klopfen oft verkleidete "Kaminkehrer" an die T�r: Ihr Besuch soll uns Gl�ck im neuen Jahr bringen. Sie kommen zwar mit Gl�ckw�nschen zu uns, haben aber auch (versteht sich - zuf�llig!) neue Kalender dabei, die man ihnen abkaufen kann.

Nach sechs Tagen kommt der Dreik�nigstag, der die Weihnachtszeit abschlie�t. Vor diesem Festtag bekommen wir in den Kirchen geweihte Kreidest�cke, mit denen man dann �ber die Eingangst�r die Buchstaben K+M+B schreibt. Die Buchstaben sind Initialen der Namen Kaspar, Melchior und Balthasar, denn so hie�en nach der Bibel die drei Weisen, die einem hellen Stern folgend nach Bethlehem kamen, dem Christkind in der Krippe, dem K�nig aller K�nige, huldigten und ihm Gold, Weihrauch und Myrre schenkten.

Mit der wei�en Schneedecke, die der Gegend wider frostige Luft Gem�tlichkeit verleiht, mit aufrichtigen W�nschen unserer Angeh�rigen, mit festen Absichten, sein Leben zu verbessern, klingt die Weihnachtszeit allm�hlich aus: Zwei Wochen lang waren wir Zeugen von etwas Unbegreiflichem, wir haben Gottes Zauber empfunden und die Macht des Allm�chtigen, die sich der Hand des Neugeborenen leiten lie�.

Wanda Jaśkiewicz, Lublin