Von St. Nikolaus zum Lübecker Dom.

Geschichten zu den Lübecker Kirchenbauten
Da der Heilige Nikolaus u. a. der Schutzherr der Hanse war, hat es mich doch sehr gewundert, dass mir in Lübeck keine Nikolaikirche bekannt ist, obwohl es selbstverständlich in Wismar und in Rostock, in Stralsund, auch in Greifswald und fast überall in der christlichen Seefahrerwelt sowieso  - Nikolaikirchen gibt.
Ich habe nachgeforscht und für Lübeck folgende, höchst merkwürdige Geschichten herausgefunden:

1159 errichteten Kaufleute auf dem Gebiet der heutigen Lübecker Altstadt zunächst zwei kleine Holzkirchen: St. Nikolai im Süden und die Kapelle St. Petri zur Mitte zu.
1163 weihten der Bischof Gerold und Erzbischof Hartwig in Anwesenheit Heinrichs des Löwen feierlich die Kirche St. Nikolai zum ersten Dom in Lübeck.
Bald darauf, 1173 legte Heinrich der Löwe hier auf dem Domberg den Grundstein zum heutigen Dombau. Als Ersatz für den Naturstein, der in und um Lübeck nicht zur Verfügung steht, nahm man erstmalig Backstein als Baustoff.

In dieser spätromanischen Anlage lagen unter einem einzigen Dach zwei in ihrer Funktion unterschiedliche Kirchen:

  • Westlich unter dem Turmwerk (d. h. im Untergeschoss des Westwerkes) die Gemeindekirche „ St. Nikolai unter dem Turme“ und
  • Im Osten die eigentlich Bischofskirche, die Kathedrale und Kapitelkirche Sankt Johann.

Erst 1226 ist dieser Dom im Rohbau vollendet, 1247 erfolgt die Weihe.
Der Lübecker Dom war damit der erste große Backsteinkirchbau an der Ostsee und mit 114 m waren die Türme damals die höchsten in ganz Europa.
Schon 1266 wird begonnen, dem romanischen Dom einen neuen riesigen Chorbau anzufügen. Erst 1335 ist er vollendet und wird 1341 geweiht.
Auch die ursprüngliche romanische Basilika wird verändert und zu einer gotischen Hallenkirche umgebaut. Der Dom war nun mit 130 m Länge eine der längsten Backsteinkirchen überhaupt.
  
Lübecker Dom                                           Triumphkreuz von Bernd-Notke

 Ab 1363 werden als die vier Patrone des Doms die Jungfrau Maria, Johannes der Täufer, St. Nikolaus und St. Blasius genannt und über den Säulen des von Bernd Notke 1477 geschaffenem Lettners als hölzerne lebensgroße Figuren aufgestellt.

Nikolaus

1530 brachte Johannes Bugenhagen die Reformation nach Lübeck: Der Westteil des Doms, also die Gemeindekirche St. Nikolai, wurde evangelisch, der Chor jedoch blieb noch jahrzehntelang bischöfliche Stiftskirche, das katholische bischöfliche Zentrum Lübecks – jedoch wurde das Lesen der heiligen Messe später gänzlich untersagt. Erst 1891 gab es wieder eine katholische Kirche in Lübeck.
1942 sind die Figuren der 4 Schutzpatrone am Lettner mit fast der gesamten Innenausstattung und dem Dach des Domes ver- oder zumindest angebrannt.
1979 war die Restaurierung der Figuren abgeschlossen. Die vier Schutzpatrone und damit auch der Heilige Nikolaus stehen wieder da.

Fazit: Die erste Gemeindekirche Lübecks war eine Nikolaikirche. Daraus wurde der Dom und noch immer kann man darin St. Nikolaus finden.
Jetzt bringt man allerdings den Dom kaum mehr mit ihm in Verbindung. In der dicken Kunsttopografie Schleswig Holstein z. B. sind an die 20 Seiten dem Lübecker Dom gewidmet, aber es gibt nicht einen einzigen Hinweis auf Nikolaus. Und niemand meiner Lübecker Bekannten hat was von St. Nikolaus in Lübeck gewusst.

Die Konkurrenz: die Marienkirche
Dass der Dom so sehr bedeutend war und mit so vielen Superlativen aufwarten konnte, war den Lübecker Kaufleuten und Bürgern nicht angenehm –- w, insbesondere nachdem die Stadt 1226 reichsfrei geworden war und die Auseinandersetzung mit dem Bistum Lübeck erbitterter wurden. So beschlossen sie auf dem höchsten Punkt in der Mitte der Stadt, eine noch größere Kirche zu bauen – die Marienkirche. Sie ist die Haupt-Pfarrkirche des Rates und der Bürger der Hansestadt Lübeck und wurde daher ganz in der Nähe des Rathauses und des Marktes, im Viertel, der Kaufleute, errichtet. Die Türme sind noch 10 m höher als die des Domes: 125 m.
     
Marienkirche

Als Baustoff standen auch hier keine gewachsenen Steine, sondern „nur“ Backsteine zur Verfügung. Die erste Kirche war um 1200 eine romanische Basilika, die schon ab ca. 1250 vergrößert wurde. Da man wie in Frankreich den hochaufstrebenden Stil der Gotik verwirklichen wollte, schuf man die erste Backsteingotikkirche und damit die Mutterkirche der norddeutschen Backsteingotik – Vorbild für rund 70 Kirchen dieses Stils im Ostseeraum (z. B. Nikolaikirche (Stralsund), Nikolaikirche (Wismar)).
Sie beherbergt das höchste Backsteingewölbe der Welt (38,5 Meter im Mittelschiff).
In ihrer heutigen Gestalt war der Bau erst 1444 abgeschlossen.

Größenvergleich

 

Dom

Marienkirche

Türme

115 m

125 m

Gesamtlänge

132 m

103 m

Maximale Breite

53 m

59 m

Gewölbehöhe Mittelschiff

20,5 m

38,5 m


Die bei einem Bombenangriff zerstörten Glocken der Marienkirche.

Ich bin sicher, auch zu den anderen Lübecker Kirchen weitere Geschichten erzählen zu können, und werde sie bei Gelegenheit mitteilen.
Friedel M.– 18.10.2017.

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