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Sabine Bode: „Die vergessene Generation - Kriegskinder brechen ihr Schweigen”

von Hildegard Neufeld

Einleitend zu diesem Buch, das als Taschenbuchausgabe im Piper Verlag im Mai 2006 bereits in 6.Auflage erschienen ist, eine Kurzbeschreibung des Verlags:

"Was viele bislang nur ahnten, wird nun zunehmend offen ausgesprochen: die Kriegsvergangenheit zeigt auch heute noch in vielen Familien Spuren, bis in die zweite oder dritte Generation hinein. Rastlos haben die Kriegskinder das Wirtschaftswunder erarbeitet - doch ihre eigenen Schicksale, Vertreibung, Schmerz und unverarbeitete Erlebnisse sind weitgehend unentdeckte Welt, belegt mit zahllosen Tabus. Sie haben den Bombenkrieg miterlebt oder die Vertreibung, ihre Väter waren im Feld, in Gefangenschaft oder sind gefallen. Erst jetzt beginnen sie zu reden. Ein anrührendes und wichtiges Buch über die Traumata der Kriegskinder. Sabine Bode macht zu Recht deutlich, dass das unverarbeitete Leid der ehemaligen Kriegskinder noch heute eine große gesellschaftliche Aufgabe darstellt".

Sabine Bode hat sich dieser Aufgabe mit ihrem Buch über die Kriegskinder gestellt und geht davon aus, dass das Interesse am Schicksal der deutschen Kriegskinder so schnell nicht erlöschen wird. In ihrer Einführung prognostiziert sie, dass weitere Beiträge und Bücher folgen werden und auch das Forscherinteresse sich melden wird, wenn es darum geht, die Kriegsfolgen wahrzunehmen und zu einem öffentlichen Thema zu machen.

Zum Inhalt:

Das Erleben und Schicksal der deutschen Kriegskinder, der "vergessenen Generation", wird von der Autorin in 14 Kapiteln beschrieben und von verschiedenen Seiten beleuchtet. Sie widmet sich den Kriegserlebnissen sowie deren Auswirkungen auf Flüchtlingskinder, auf Kinder, die Bombenkrieg und Vertreibung miterlebt haben, und läßt auch die Kriegswaisen bei ihren Befragungen und ausführlichen Interviews nicht aus. Sie verknüpft und ergänzt ihre Schilderungen und Kommentierungen mit alten und neuen psychologischen Erkenntnissen.

Zu den einzelnen Kapiteln:

1.Kapitel: Millionen Kriegskinder unter uns
Die von Sabine Bode befragten Kriegskinder sind zwischen 1930 und 1945 geboren. Eine Generation, die überwiegend bereits im Rentenalter angekommen ist. "Im Alter rückt die Kindheit wieder näher. Da hat man das Bedürfnis und endlich auch die Zeit, sich mit seinen Wurzeln und frühesten Eindrücken zu beschäftigen. Das geschieht aber nicht immer freiwillig. In Deutschland wurden vor allem während des Kosovo-Konflikts, auch am 11. September 2001 und während der Bombardierungen in Afghanistan und im Irak viele ältere Menschen mit Kriegserinnerungen überschwemmt, oft in quälender Weise." Hinzu kommt das Interesse der Medien, das ebenfalls dazu beigetragen hat, dass aus "Vergessenem" wieder "Erinnerung" heranwächst und die Vergangenheit Einfluss auf Gegenwart und Zukunft nehmen kann.

2.Kapitel: Was Kinder gebraucht hätten
Kinder mit seelischen Verletzungen, wie sie viele Kriegskinder einst erlitten haben, brauchen vor allem einfühlsame und geduldige Erwachsene, schreibt die Autorin, und weist zugleich darauf hin, dass diese in Kriegs- und Nachkriegszeiten nicht immer helfen oder gar vorhanden sein konnten. Ganz sicher brauchten die Kinder auch ein "sicheres Nest" - und auch das war Mangelware.

3.Kapitel: Eine verschwiegene, unentdeckte Welt
"Verschwiegen" wohl deshalb, weil die Kriegskinder in der deutschen Gesellschaft zunächst nicht als "Betroffene" wahrgenommen wurde. Ende der siebziger Jahre begannen Wissenschaftler mit der Aufarbeitung der Hitlerzeit. Teils aus Schuldgefühlen heraus forschten sie über die Opfer der Nazis: über die Überlebenden des Holocaust und andere verfolgte Gruppen, aber auch über jene, deren Väter bei den Nazis eine exponierte Rolle gespielt hatten. - Das Schicksal der Kriegskinder interessierte noch nicht.

4.Kapitel: Zwei Frauen ziehen Bilanz
Zwei Kriegskinder, inzwischen Großmütter, erinnern sich. Ein Bild ihrer sehr unterschiedlichen Lebenswege, Erfahrungen sowie ihrer Lebens- und Schicksals-bewältigungen wird vorgestellt.

5.Kapitel: Das fröhliche Kind
"Preußische Disziplin" als Lebenshilfe der Kriegskinder? - Vielleicht ist auch dies eine Erklärung für die aus der Sicht mancher Erwachsenen stets fröhlich erscheinenden Kinder. Einige Beispiele aus der Rolle der Psychoanalyse und -therapie, u.a. zur Frage: Kann man vergessen, dass man z.B. in Kriegs- bzw. Nachkriegszeiten hungern mußte - werden aufgezeigt.

6.Kapitel: Ein ganzes Volk in Bewegung
Flucht und Vertreibung, aber auch Evakuierung im Bombenkrieg (und danach) prägen die Erinnerung vieler Kriegskinder, und manche von ihnen wurden auf der Flucht geboren. Und als der Krieg zuende ging, war längst noch nicht alles vorbei. Viele Belastungen blieben, manche für kürzere oder längere Zeit, nicht wenige für immer. In den Nachkriegserinnerungen tauchen heute nur noch wenig benutzte Vokabeln auf, wie Frieren, Hunger, Hamsterfahrten, Trümmerfrauen u.dg.m.

7.Kapitel: Kriegswaise: Die Suche nach Erinnerung
Nach dem Krieg war jeder vierte Deutsche auf der Suche nach einem Familienmitglied oder wurde selbst gesucht. In den Suchdienststellen des DRK wurden 14 Millionen Meldungen registriert. Kinder, die im Rahmen der Kriegsereignisse verloren gingen, verursachten in den betroffenen Familien tiefe seelische Wunden - und es waren nicht wenige Kinder, die nie gefunden wurden bzw. nicht mehr zueinander fanden, obwohl der Kindersuchdienst noch jahrzehntelang um sie bemüht war. Und die "verlorenen Kinder" selbst, wie haben sie ihren Verlust verkraftet, ihr Schicksal gemeistert? Über das Schicksal verlorengegangener Kriegskinder und über Kriegswaisen wird hier berichtet. "Bis heute suchen Kriegswaisen nach Spuren ihrer Identität". Wer waren meine Eltern? Gibt es noch Geschwister?", schreibt Sabine Bode und führt weiter aus: "Das Grübeln über die eigene Herkunft hört im Alter nicht auf, im Gegenteil. Wenn man nicht weiß, wer man ist - wie soll man dann sein Leben zu einem guten Ende bringen?"

8.Kapitel: Nazi-Erziehung: Hitlers willige Mütter
"Ein deutscher Junge weint nicht!" und "hart wie Kruppstahl" soll der Nachwuchs gestählt ins Leben gehen, hieß es einst in der Nazipropaganda. Eine Herausforderung für die Erzieher, aber auch für die Mütter. Welches waren die Mittel und welches die Folgen? Die Autorin hat nachgeforscht und auch die Langzeit- und Spätfolgen nicht ausgelassen. Zeitzeugen berichten, vor allem als Betroffene.

9.Kapitel: "Aber recht, recht lieb wollen wir sein . . ."
Mit dieser Aussage verbindet die Autorin wohl den 'bedingungslosen Gehorsam', zu dem Kinder einst erzogen wurden. Dass damit auch das eigene Wünschen und Wollen des Nachwuchses eingeengt, wenn nicht sogar unterbunden wurde und evtl. notwendig werdende Reaktionen kaum Chancen erhielten, wurde zu wenig erkannt. Kinder können im Krieg, in Zeiten von Chaos und Elend, zu Freiwild werden, schreibt Sabine Bode und schildert die Kindheit und das Schicksal einer 1944 geborenen Pfarrerstochter, die als Kind eine Kette von Gewalt und Leid erlitt und schließlich als Fünfzigjährige daran zerbrach. Zugleich beschreibt sie, was Traumata anrichten können und dass die Folgen häufig erst viele Jahre später auftauchen und die Symptome meistens nichts über die Ursache verraten.

10.Kapitel: Das Trauma, der Krieg und die Hirnforschung
Die größte Leistung unseres Gehirns besteht im Verarbeiten von Informationen. "PET-Untersuchungen haben gezeigt", schreibt die Autorin, "dass die unter traumatischen Extremsituationen aufgenommene Information anders gespeichert wird als die üblichen Alltagsinformationen. Den Studien zufolge scheint die unter der Extrembelastung aufgenommene Information regelrecht im Verarbeitungssystem steckenzubleiben." "Die Traumaforschung weiß heute, dass man vierzig, fünfzig Jahre braucht, um sich dem Schrecken zu stellen, das Entsetzen zu finden, das uner dem Vergessen liegt". - Das betrifft auch das Erleben der Kriegskinder.

11.Kapitel: Die große Betäubung
Hier geht es um die Langzeitfolgen des Krieges, die den Betroffenen,aber auch ihren Angehörigen, Freunden und Bekannten schmerzlich vertraut sind. Der Kampf mit Hilfe von Tabletten, Alkohol und Nikotin gegen die Todesangst. Aber auch die Psyhotherapie hat hier ihren Platz.

12.Kapitel: Als alter Mann werde ich glücklich sein
Den Kriegsschrecken der Eltern geerbt! - Ein 26jähriger Sohn leidet an den Spätfolgen von Kriegsereignissen, die 50 Jahre zuvor - lange vor seiner Geburt - stattgefunden haben. Gemeinsam mit seinem Vater konnte er seine psychische Gesundheit wiedererlangen.

13.Kapitel: Trostlose Familie
Nicht nur die Menschen der Kriegsgeneration können unter den Folgen ihres frühen Traumas leiden. Es gibt eine Verschiebung in die zweite und dritte Generation. Die Symptome sind die gleichen. Welches ist die Ursache? In einer wissenschaftlichen Untersuchung mit dem Ziel, unbewußte Einstellungen sichtbar zu machen, die an die Nachgeborenen weitergegeben wurden, stellte der Psychologe Wolfgang Neumann "eindeutige Prägungen (von Kriegsfolgen) in der zweiten und dritten Generation fest. Diese zeigten sich auch dann, wenn die Herkunft und die alte Heimat in einer Flüchtlingsfamilie keine Rolle mehr spielten". "Anstatt zu trauern", so Neumann, "war es den Eltern häufig nur möglich, zu beschuldigen, und damit sind sie in der Opferhaltung geblieben. - Wenn man sich als Opfer fühlt, kommt man schwer an andere Gefühle ran, z.B. an Trauer".

14.Kapitel: Ein Plädoyer für Vernunft und Trauer
"Wie sollten wir der Kriegsschrecken gedenken", fragt die Autorin, und gibt darauf u.a. die folgende Antwort: "Mit dem Schicksal Frieden schließen!" Auch Heide Ostmann-Simon ergreift hierzu das Wort: "Es ist jetzt an der Zeit, das Geschehene zu verarbeiten und zu trauern. Und zwar deshalb: damit Menschen ihre psychische Energie, die sie in die Verdrängung gesteckt haben, wieder frei bekommen. Damit sie diese Energie in die wichtige Aufgabe investieren können, gut alt zu werden".

ViLE-Mitglieder gehören in ihrer überwiegenden Mehrheit der hier beschriebenen Kriegskindergeneration an. Sie werden vieles nachempfinden und aus eigenem Erleben beurteilen können, was hier zur Rede steht. Deshalb haben wir dieses Buch ausgewählt. Wir wollen es nicht nur gemeinsam lesen, nicht nur beurteilen und diskutieren, sondern auch als Zeitzeugen miteinbezogen werden. Besonders auch deshalb wird um eine rege Beteiligung, um viele MitleserInnen gebeten.

Als Denkanstöße können die unten stehenden Fragen dienen:
  • Was hat Sabine Bode mit ihrem Buch bezwecken wollen?
  • Welchen Einfluss haben die Erlebnisse und Ereignisse auf das Leben der Kriegskinder?
  • Sind Traumata und Langzeitfolgen der Kriegsereignisse des zweiten Weltkrieges heute wirklich noch feststellbar?
  • Sollten die Auswirkungen und Folgen der Kriegsereignisse auf die Kinder weiterhin öffentlich gemacht werden?