Die grauen und die bunten Tage
                                   von Mechthild Trilling-Piest
Machen steife Kragen unser Denken unflexibel und eng? Oder helfen uns Regenbogenfarben die Welt fröhlich und positiv wahr zu nehmen?

Lieblingskleid
Iluustration
Quelle: S.Hofschläger, www.pixelio.de

Wer von uns könnte nicht heute noch das absolute Lieblingskleidungsstück seiner Kindheit beschreiben. Vielleicht ist es die erste lange Hose. Oder das blaue Samtkleid. Oft sind diese Kleidungsstücke und ihre Beliebtheit mit dem Anlass verbunden, zu dem sie angeschafft wurden. Oder die Hose wurde zum Lieblingsstück, weil der Vater sagte: „Jetzt bist Du ein Mann. Jetzt gehörst Du zu uns." Für mich war das blaue Samtkleid etwas so besonderes, weil der Stoff ein Geschenk  meiner Lieblinstante war und sich so wunderbar streichelweich anfasste. Außerdem wurde dieses Kleid für mich genäht, damit ich zur Einweihung des Schulneubaus vor der Schulgemeinde und den geladenen Gästen ein Gedicht vortragen konnte. Ob mein Strahlen durch das Lob unseres Rektors hervorgerufen oder die Reflexion des großen weißen Kragens war, weiß ich nicht mehr, aber von diesem Kleid konnte ich mich kaum trennen, als es zu klein wurde.

Kratzig
Illustration
Quelle: Walker, www.pixelio.de

Sicher erinnern wir alle uns aber ebenso gut an die ungeliebten Kleidungsstücke. Und davon gab es, gerade in der Kindheit der heutigen älteren Generation, sicher einige. Wer kennt nicht den kratzigen Pullover, den man nur unter Protest oder Tränen anzog. Wintermäntel, die aus alten Uniformen genäht waren oder Schuhe vom großen Bruder, die nicht richtig passten und Blasen machten. Meine Mutter nähte wunderschöne Kleider, nur leider saßen die Ärmel nie richtig, so dass ich die Arme nicht richtig heben konnte. Was gibt es schlimmeres für ein Kind, als sich nicht bewegen zu können.

Eng
Illustration
Quelle: Edith Ochs, www.Pixelio.de

Wir alle kennen Einengungen durch die Mode. Einige der Frauen unter uns wurden als Pubertierende in Korsetts gesteckt in denen man nicht atmen konnte. Enge Röcke, die bis unters Knie reichten, verhinderten, dass wir ordentliche Schritte machen konnten. Hohe Absätze ließen uns auf Zehenspitzen den wirklichen Kontakt zum Boden verlieren. Das Modediktat war bei Männern nicht so ausgeprägt, aber ich erinnere mich noch gut, dass Oberhemden so eng tailliert waren, dass sie aussahen, als platzten beim nächsten Atemzug die Knöpfe ab. Viele von uns, ob Männer oder Frauen, erinnern sich noch an die Jeans, die einerseits für Freiheit standen aber andererseits so eng waren, dass man noch heute mit Schrecken daran zurückdenkt.

Verspannt
Obwohl heute das Material, aus dem Kleidung  hergestellt wird, eigentlich alle Möglichkeiten bietet, gibt es immer noch Zwänge durch Kleidung. Den Stoffen sieht man ihre Elastizität nicht an und das bessert manches, aber in vielen Berufen bestimmt der Dresscode den Alltag. Wenn ich die Bilder aus Politik und Management sehe frage ich mich, wie jemand frei denken kann, dessen Hals von Kragen und Krawatte eingezwängt wird. Wäre unsere Welt vielleicht flexibler und toleranter, wenn viele Machthabende nicht mit verspannten Schultern in ihren Anzügen steckten?

Farben
Auch farblich ist die Kleidung in vielen Geschäftsbereichen sicher nicht dazu geeignet, dass Menschen offen und innerlich fröhlich sind und agieren. Dabei wissen wir doch eigentlich alle, wie groß die Wirkung von Farbe auf unseren Alltag ist. Lassen wir ein Kleinkind ein Kleidungsstück selbst aussuchen, so wird das sicher niemals dunkel und schlicht sein, sondern immer fröhlich bunt.

Wechselnde Tage
Wer kennt nicht die Tage, an denen wir morgens schon ganz selbstverständlich ein besonders farbiges Kleidungsstück auswählen. Die Komplimente über unser strahlendes Aussehen finden wir an solchen Tagen ebenso gerechtfertigt, wie die Erfolge, die dazu gehören. Es passt eben einfach alles.
So wie an den Tagen, an denen wir dunkel und unscheinbar angezogen sind und uns die Welt und unser Wirken in ihr ebenso erscheint.

Rundum richtig
Illustration
Quelle: Gabi Schoenemann, www.pixelio.de

Wir alle haben es schon erlebt, dass uns fremde Menschen auffallen. Sie haben eine besondere Ausstrahlung ohne etwas Außergewöhnliches zu tun. Sie erscheinen einfach rundum richtig. Ihre Farben, ihre Bewegungen - alles passt zusammen. Manchmal möchte ich so jemand ansprechen und fragen, warum das so ist. Dabei weiß ich es doch eigentlich. Der Mensch ist bei sich selbst. Selbst bewusst und gelassen geht er durch den Tag. Er fühlt sich in seiner Kleidung wohl, ohne dadurch eingeengt oder anders behindert zu werden. Er hat die für sich an diesem Tag passenden Farben gewählt und ist mit sich im Reinen.
Ich wünsche uns allen möglichst viele solche Tage.

Links
http://www.farbenundleben.de/kleidung/kleidung.htm
http://www.planet-wissen.de/pw/Artikel,,,,,,,BD2813CF02
E2C494E030DB95FBC35583,,,,,,,,,,,,,,,.html

http://karrierebibel.de/gefahr-im-anzug-kleider-machen-leute/

 
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