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Ersatzritual Jugendweihe
                                        Ellen Salverius-Krökel
Als im März 1954 in der DDR die Einführung der Jugendweihe beschlossen wurde und ab Anfang 1955 die ersten Jugendweihen durchgeführt wurden, war das Ersatzritual wiederauferstanden, die weltliche Form der Aufnahme in die Reihen der Erwachsenen.

Wissenswert
Wer sucht, der findet – eine Binsenweisheit? Bei meiner Suche nach Informationen im Internet über die Jugendweihe stieß ich natürlich auf eine Reihe von Links. Am interessantesten für mich immer wieder bei historischen Themen, das „Lebendige virtuelle Museum Online“ des Deutschen Historischen Museums in Berlin.
 

Screenshot dhm.de/lemo
Screenshot dhm.de/lemo
 

Natürlich kann man sich auf der Startseite die entsprechende Zeit heraussuchen – und sich dann verlieren in Deutscher Geschichte. Über das Archiv und das entsprechende Suchwort Jugendweihe, bekommt man eine ganze Liste von Informationen: Hintergrundwissen, Bilder, persönliche Dokumente, manchmal sogar Audios. In diesem Fall leider nicht. Aber ansonsten ist für die Grundversorgung ausreichend Material zum Thema Jugendweihe vorhanden.

lexi-tv
Etwas Neues war für mich der Link zum lexi-tv. Dieser Name steht für eine Fernsehsendung des MDR, morgens spätestens ab 7 Uhr 50, eine Stunde lang Wissen zu Themen zu Mensch, Gesellschaft, Kultur, Natur, Wissenschaft und Technik. Das Thema Jugendweihe gehört zur Kultur, Kapitel Sitten und Gebräuche. Also Rituale? Wer die frühe Morgenstunde am Fernsehgerät scheut, der sei auf die Webseiten zur Sendereihe verwiesen. Das gute an diesen Seiten – sie sehen gar nicht aus wie ein Abklatsch vom Fernsehen. Zur Jugendweihe werden 6 Seiten angeboten, Text, Bild – stehend und bewegt, alte Bilder und junge Bilder, und natürlich Text. Auch hier Dokumente von Zeitzeugen, z.B. aus den 70er Jahren , Erlebnisberichte. Historischer Hintergrund natürlich auch. Ergebnis: Ersatzritual statt kirchliches Ritual

DDR-Brauch allein?
Nein, beileibe nicht. Seite vier zum Thema Jugendweihe klärt auf, was die Seiten auf lemo nicht sagten: „Viele glauben, die Jugendweihe sei ein Kind der DDR. Jedoch beginnt ihre Zeit schon um die Mitte des 19. Jahrhunderts.“ (Lexi-tv) Ausgerechnet ein gestandener Theologe und Philosoph zweifelte an den Ansichten der offiziellen Kirchen, zu alt für sein Empfinden. Eduard Baltzers Reformgedanken waren die Grundlage für die erste freie Gemeinde. Seinen Gedanken schlossen sich Mitglieder der protestantischen und der katholischen Kirche an. Wer hätte das gedacht. Ende der 1880er Jahre dann die ersten Schritte zum Atheismus, man bedenke, wie lange es dauern sollte, bis dass die DDR gegründet  und die Jugendweihe eingeführt wurde. Wie es dazu kam, warum erst 1954 und wie dieses Ritual begründet wurde, liest man am besten selber auf den Seiten von lexi-tv nach.

Die Jugendweihe lebt
Mit dem Ende der DDR kam es nicht zum Ende der Jugendweihe. Ausschlaggebend war wohl nicht die Verinnerlichung der zurückgedrängten christlichen Glaubensinhalte während der SED-Herrschaft. Aber ob es die Rückbesinnung auf humanistische Werte, das Recht auf Selbstbestimmung, Gedankenfreiheit und Selbstbestimmung allein ist, darf bezweifelt werden. Vielleicht hilft da ein Blick auf das, was zur aktuellen Jugendweihe im Internet zu finden ist. Es gibt nämlich den Verein „Jugendweihe Deutschland e.V.“, der jungen Menschen bei der Gestaltung ihres Lebens Hilfe, Orientierung und Begleitung anbietet. Was früher die offizielle Aufnahme in die Erwachsenenwelt war, heißt heute Hineinwachsen in die Gesellschaft, das Leben als Erwachsene selbstbewusst und sinnvoll gestalten. Ein Verein aus dem Bereich der Jugendhilfe, der sich gerade im Hinblick auf die Jugendweihe auf die 150 jährige Tradition beruft.

Jugendweihe heute
Die Webseiten geben einen guten Einblick, wenn auch ein bisschen wenig pfiffig. Also erfahren wir dort auch, was Jugendweihe heute ist – nichts anderes als früher, aber natürlich ohne den politischen Anspruch. Das Einzige was übrig geblieben ist – eine Einladung zum Besuch von Orten des antifaschistischen Widerstandes unter ansonsten einem breiten Angebot an Aktivitäten. Leider etwas an den Rand, den unteren, gedrängt ein Verweis auf einen Artikel zur Geschichte der Jugendweihe. Und ihre Verbreitung in Deutschland? Sicherlich ist der Osten immer noch am stärksten vertreten, der Geschichte sei Dank. Aber leicht hat es die Politik den Menschen nach der Wende nicht gemacht, ihr Ritual fortleben zu lassen. Böse Zungen reden gar von der „Initiation für Atheisten“.

Und die Kirchen?
Ein Fall für die Kirchen möchte man meinen. Zunächst einmal für die Webseite kirchenaustritte.de, also nicht Kirche, dafür aber mit ein paar Informationen, die nicht auf den Seiten des Jugendweihe-Vereins stehen. So ist die Jugendweihe auch im Osten nicht unbedingt gern gesehen, trotz einer recht hohen Zahl an teilnehmenden Jugendlichen. Es findet sich sogar der Hinweis, dass ja sonst eine gabenreiche Familienfeier entfiele. Aber ist das so anders bei den Konfirmanden/Firmlingen? Die evangelische Kirche hat 2004 in der Person ihres Bischofs Huber deutlich gegen die Praxis, Jugendweihen in Ostdeutschland weiterhin in Schulen durchzuführen, gewettert. Die Jugendweihe sei „eine weltanschauliche Veranstaltung, die nicht ins Klassenzimmer gehört.“ Es lohnt sich einmal die Internetseiten der Kirchen danach zu befragen, was sie in Sachen Jugendweihe umtreibt. Ein zeitweise kräftiger Wirbel um ein Ritual.

Recherche ohne Ende
Natürlich ist mit diesen drei URLs nicht das Ende der Möglichkeiten sich über die Jugendweihe zu informieren erreicht. Die Suchmaschinen bieten gleich noch verwandte Suchvorgänge an wie Jugendweihe-Sprüche, -Geschenke, -Reden, -Einladungen, -Wünsche und dergleichen mehr. Die Jugendweihe lebt, oder doch besser, der Wunsch nach einem Ritual, dass auch kirchenfernen Menschen eine Aufnahme in die Reihen der Erwachsenen ermöglicht? Die Kirchen sagen, abschätzig, Ersatzritual. Die Menschen aber brauchen Rituale, größere und kleinere. In Sachsen waren es zum Beispiel 2004 mit 26.500 Anmeldungen und 500 Feiern eine nicht kleine Zahl.
Eigentlich hatte ich gehofft, eine wirklich gute Seite zum Thema Jugendweihe zu finden, eine, die mir einen schnellen, tiefen, umfassenden Blick auf das Thema verschafft, aber ohne Wikipedia. Nein, das habe ich nicht gefunden, aber mehr Links, mehr Informationen, mehr Wissen, auch über den Umgang mit dem Internet. Eine nicht zu unterschätzende Einsicht.

Links
Deutsches Historisches Museum
http://www.dhm.de/lemo


lexi-tv des MDR
http://www.lexi-tv.de

Verein Jugendweihe in Deutschland
http://www.jugendweihe.de


Kirche und Jugendweihe
http://www.kirchenaustritte.de/jugendweihe


Jugendweihe in der DDR
http://www.ddr-wissen.de

http://www.ddr-zeitzeugen.de


Jugendweihe in der Presse
http://www.focus.de/politik/deutschland/jugendweihe-trallala-und-rote-rosen_aid_163594.html


in der Presse 1955 - ein Jahr nach der Einführung!!!
http://www.zeit.de/1955/42/Jugendweihe


Parteipolitik und Jugendweihe
http://www.hr-online.de/website/rubriken/nachrichten/index.jsp?rubrik=5712&key=standard_document_6999634

 
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