Der Jakobsweg
                                  von Hildegard Keller
"Die Wiederkehr des Religiösen" ist ein Dauerthema in Medien und Wissenschaft.
Dabei hat das Phänomen des Pilgerns auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela mit seinen Ritualen und Symbolen in dieser Diskussion seinen festen Platz.

Mythos Jakobus
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Jakobus war Jünger und Apostel Jesu. In christlich missionarischer Absicht wurde er von Palästina nach Spanien geschickt. Seine missionarische Tätigkeit war ohne sichtbaren Erfolg
Im Jahre 44 nach Christus  wurde er von Herodes hingerichtet. Seine sterblichen Überreste wurden nach Nordspanien gebracht. Kurz vor der Küste sank das Schiff. Der Sarg mit dem unversehrten Leichnam wurde unter mysteriösen Umständen an Land gebracht und gegen die Widerstände der heidnischen Bewohner bestattet. Das Grab galt lange als verschollen.

Enthauptung .des Apostels Jakobus; Quelle Josef Schönauer
Enthauptung .des Apostels Jakobus; Quelle Josef Schönauer

Im 9. Jahrhundert soll ein galizischer Schäfer von einem großen Stern zu der verfallenen Grabeskapelle geführt worden sein. „Campus stellae" (Sternenfeld) wurde später zu Santiago de Compostella. Kirchliche und weltliche Macht einigten sich: Jakobus wurde der „wunderbare" Schlachtenhelfer gegen die maurischen Okkupatoren.

Sinnfindung Pilgerschaft
Den Menschen des Mittelalters wurden die Ereignisse im Leben des Apostels Jakobus Aufmunterung für ihre eigene Situation. Die Heiligenverehrung führte so zur Realisierung der Pilgerschaft nach Santiago zum Grabe des Apostels Jakobus.
Theologisches Lehrwissen mündete in christliche Glaubenspraxis, wurde  Ausdrucksmittel persönlicher Frömmigkeit.
Wichtige Voraussetzung war dabei, dass Jakobus zu einer noch wichtigeren Gestalt des christlichen Glaubens, nämlich zu Jesus in Verbindung gebracht werden konnte.
Denn: Jesus ist durch die Bibel für den gläubigen Christen durch Gebete und Andachten erreichbar. Durch sein „Wanderleben" war er der erste Pilger.
Die Strapazen des Pilgerns sind für den Pilgernden sozusagen Reinigung, Stärkung und Bitte um  Hilfe auf dem irdischen Lebensweg.

Weg und Ziel
Cover zum Buch Jesus ist der Weg von Wilfried Plock
Cover zum Buch Jesus ist der Weg von Wilfried Plock

Die Kathedrale Santiago ist das eigentliche Ziel des gläubigen Pilgers. Doch auch der Weg an sich hat bereits eine eigene Zielfunktion. Mit den Zwischenstationen „verdient" sich der Pilger  die Nähe zum Apostel. Auf dem langwierigen und entbehrungsreichen Weg wechseln Anstrengungen mit Orten und Phasen der Ruhe und Entspannung.
Die immer vorhandene Angst des Scheiterns, aber auch die Erfahrung von Kraft und Stärke schaffen eine Atmosphäre des Sakralen, durch die der gesamte Weg zum religiösen Pilgerweg wird.
Davon zeugen die am Weg liegenden und in die Legendenbildung eingebundenen Kathedralen, Kirchen und Klöster, wobei auch Kultur erlebt wird. Besondere Beachtung verdienen die im Laufe der Zeit entstandenen Pilgerherbergen.
Mit der Ankunft in Santiago hat der Pilger sein Ziel erreicht und den Weg als Ziel erlebt.

 Die Rituale und ihre Symbole:

  •  Das Symbol  Muschel

Jakobsmuschel
Jakobsmuschel

Sie ist seit dem Mittelalter das wichtigste und eindeutigste Symbol des Jakobsweges.
Der Legende nach rettete ein Reiter durch einen Sprung ins Wasser den Sarg mit dem Leichnam des Jakobus aus dem stürmischen Meer. Als er aus den Fluten auftauchte, waren er selbst und der Sarg mit Meermuscheln überzogen.
Dies gilt als Zeichen wider das Vergessen, das der heilige Jakobus selbst gesetzt hat.
Das Äußere der Muschel wird aber auch wegen der vielen inneren Linien und dem Mittelpunkt, auf den alle zulaufen als Symbol der zahlreichen  und verzweigten Jakobswege in Europa. gesehen
Einst erhielt der Pilger die Muschel beim Eintreffen in Santiago, heute heftet er sie schon zu Beginn der Pilgerfahrt an sein Gewand.
 

  • Das Symbol Sonne

Logo Wegmarkierung EU
Logo Wegmarkierung EU

Das Symbol der Sonne vermittelt dem gläubigen Pilger Schutz und Sicherheit. Die Sonne ist aus theologischer Sicht ein Symbol für den Sonntag als besonderen Kalendertag und geht auf eine Entscheidung von Kaiser Konstantin dem Großen zurück.
Auf seinem Pilgerweg erlebt der Pilgernde Sonnenaufgang und Sonnenuntergang als  Ritual von Lebensbeginn und Lebensende (Geburt und Tod) sehr bewusst.
Eine mythische Erzählung stellt eine Verbindung Sonne - Apostel Jakobus her. Fällt sein Namenstag (25 Juli) auf einen Sonntag gilt er als besonderer Gnadentag und wird festlich begangen.
Durch EU- Beschluss wurde das Sonnensymbol zur Bezeichnung für Jakobswege eingeführt und  rechtlich geschützt.

  • Pilgerstab und Pilgermantel

Pilgertasche mit Jakobsmuschel; Quelle Schönauer
Pilgertasche mit Jakobsmuschel; Quelle Schönauer

In einem feierlichen Gottesdienst wurden dem Pilger ursprünglich vor dem Aufbruch Pilgerstab und Pilgermantel überreicht. Damit war er für die lange und teilweise gefährliche Reise gerüstet. Heute geschieht diese Art der Aussendung symbolisch durch das Pilgergebet.

  • Das Testament

Ausstehende private und öffentliche Angelegenheiten im Umfeld sollten vor dem Pilgergang testamentarisch geregelt werden. Der Pilger setzt damit ein Zeichen der Aussöhnung gegenüber seinen Mitmenschen. Dieses Ritual ermöglicht einen seelisch unbelasteten Start.

  • Kreuzverehrung

In der Nähe der Grenzsiedlung Ronzesvalles erinnert ein eisernes Kreuz an die Überquerung der Pyrenäen durch Karl den Großen. Der Apostel Jakobus soll dem Kaiser in einer Schlacht gegen die Mauren zu Hilfe geeilt sein. In einer kurzen Andacht wird des Ereignisses gedacht.

  • Steine für die Kathedrale

Steine am Weg Quelle Schönauer
Steine am Weg Quelle Schönauer

An der Grenze zur Provinz Galizien ist es Brauch, einen Stein aufzuheben um symbolisch den Bau der Kathedrale zu unterstützen.

Kritik und Neubelebung
In der Reformationszeit nahmen Kritik  und Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Jakobuskultes zu. Das wissenschaftliche Interesse, den Wahrheitsgehalt dieses Phänomens zu erforschen ist bis heute nicht erloschen..
Nachdem .der Jakobsweg über einen langen Zeitraum an Bedeutung verloren hatte, erfuhr er in den letzten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts einen neuen Popularitätsschub, der ganz Europa erfasste.
Die Kirche baut wieder vermehrt auf Tradition. Der zunehmenden Kirchenferne soll medial erlebter Glaube entgegengesetzt werden. Der Jakobsweg erfüllt diese religiösen Bedürfnisse des modernen Menschen. Pilgerberichte beweisen dies (z.B. Hape  Kerkeling „Ich bin dann mal weg")
Und auch in der Politik .kam der Jakobsweg zu Ehren. In der Zeit der Globalisierung ist der Jakobsweg ein Symbol des gemeinsamen Aufbruchs in und für Europa.

Linkliste:
http://www.doktus.de/dok/40005/volltext/reflektierte-rituale---ritualisierte-reflexion-der-pilgerweg-nach-santiago-de-compostela.html
http://www.pilgern.ch/pilgern.htm
http://www.kath-pfarrei.net/aktuelles/SchuelerPiilgerweg.pdf
http://www.neuewege-bewaehrungshilfe.de/weg.htm

 

 
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