von Dr. Erna Subklew Im Juli 2005 hat Oskar Lafontaine in einer Rede das
Wort „Fremdarbeiter" gebraucht und damit eine große Diskussion ausgelöst. Was
bedeutet dieser Begriff für uns?
Klärung des Begriffs
Seit Ende des 19. Jahrhunderts wurden Arbeiter, die aus anderen Ländern zum
Arbeiten nach Deutschland kamen, als Fremdarbeiter bezeichnet. Dieses Wort war
nicht negativ besetzt und wurde auch beibehalten, als mit dem Beginn des
Krieges 1939 zunächst Polen, später aber auch Menschen aus den anderen
besetzten Ländern zur Arbeit nach Deutschland verpflichtet wurden.
Zu diesen Fremdarbeitern gehörten Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und auch
Militär-Internierte. Es wurden sowohl Männer als auch Frauen angeworben. Seit
dieser Zeit kann man in Deutschland nicht mehr von Fremdarbeitern sprechen,
ohne dass zugleich an Zwangsarbeit gedacht wird.
Anwerbung
Nach dem Überfall auf Polen und die Ausweitung des Krieges auf andere Länder
wurden zunächst Arbeitskräfte in Polen angeworben. Als dies keine große Wirkung
zeigte, wurden sie zwangsrekrutiert. Schon im Sommer 1940 waren über eine
Million Polen in Deutschland beschäftigt. Neben ihrer Arbeit in der Industrie
kamen sie in der Landwirtschaft zum Einsatz, vor allem dort, wo
Familienmitglieder zur Wehrmacht eingezogen wurden.
1944 arbeiteten nahezu 8 Millionen ausländische Arbeitskräfte, davon ein
Drittel Frauen, gegen geringe Bezahlung oder auch ohne Lohn in vielen Bereichen
der deutschen Wirtschaft. Sie halfen dadurch der deutschen Bevölkerung,
annähernd den Lebensstandard zu halten. Gleichzeitig wurde der massenhafte
Einsatz deutscher Frauen in den Arbeitsprozess verhindert.
Leben der Fremdarbeiter
Da der Einsatz der Arbeiter aus dem Osten im Gegensatz zur
nationalsozialistischen Rassen-Ideologie stand, war eine strenge
Reglementierung ihrer Lebensbedingungen nötig. Die ausländischen Arbeitskräfte
sollten möglichst nicht in Kontakt zur deutschen Bevölkerung treten. So wohnten
die in der Industrie Arbeitenden meist in Lagern. Allein in Berlin gab es um
die 1000 davon.
Je nach Herkunft und Art der Verpflichtung waren die Lebensbedingungen sehr
unterschiedlich. Die Unterbringung und Verpflegung der aus den westlichen
Ländern kommenden Arbeitskräfte war sehr viel besser als die der aus dem Osten
kommenden. Diese mussten zusätzlich auf ihrer Kleidung einen Aufnäher mit dem
Wort OST oder P (Polen) tragen.
Der Besuch von Kinos und öffentlichen Bädern war untersagt. Um sexuelle
Kontakte zu vermeiden, wurden Bordelle mit ausländischen Prostituierten
eingerichtet.
Behandlung der Fremdarbeiter
In den Lagern der Industrie war das Leben der Fremdarbeiter meist sehr hart,
manchmal unmenschlich. Vor allem dann, wenn neben einer schlechten Ernährung
auch noch die Schikane von Vorarbeitern dazu kam. Auf dem Lande dagegen war die
Mobilität wesentlich größer und der Umgang mit den Zwangsrekrutierten
menschlicher. Auf kleinen Höfen waren die Fremdarbeiter oft in die Familie
integriert. Es wurde ihnen auch gestattet, ihre Familie zu besuchen.
Begegnungen mit Fremdarbeitern
Ich selbst bin mehrere Male Fremdarbeitern begegnet. Im Nationalsozialismus
durften Frauen nicht studieren, wenn sie nicht zuvor im Reichsarbeitsdienst
waren (RAD). In diesem Zusammenhang kam ich also zum Einsatz auf einem Hof, wo
der Sohn zur Wehrmacht eingezogen war. Dort begegnete ich dem polnischen
Landarbeiter, der als Knecht die Arbeit des Sohnes verrichtete. Er wurde nicht
anders behandelt, als man Knechte sonst auch behandelte und aß am Tisch
gemeinsam mit der Familie. Einem anderen Fremdarbeiter begegnete ich in der
Straßenbahn, und ich erinnere mich noch genau, dass ich ihn sehr dünn und
schlecht aussehend fand und mir dachte, der ist krank und fährt sicherlich zu
einem Arzt. Auf seiner Jacke hatte er einen Aufnäher mit den Buchstaben SU.
Nach dem Krieg
Anderen Fremdarbeitern bin ich nach dem Krieg begegnet. Die Amerikaner hatten
in der Rhön auf dem Truppenplatz Wildflecken ein Auffanglager für Fremdarbeiter
aus den Ostgebieten eingerichtet, um sie wieder zu repatriieren. Die
Rückführung der Arbeiter aus dem Westen erfolgte schnell und problemlos. Die
Repatriierung der Ostarbeiter war dagegen schwierig. Das Lager war der UNRRA
(United Nations Relief Rehabilitation Administration) unterstellt.
Im Oktober 1945 waren bereits 15.000 DP (Displaced Persons) dort. Um die
Kranken in dem Lager zu versorgen, gab es 5 Krankenhäuser, in denen die
Patientenvon 12 Ärzten und 50
Krankenschwestern betreut wurden. 1947 waren es sogar 17.000, die noch im Lager
waren. Viele von ihnen waren Polen aus der Ukraine, die nicht nach Hause
konnten oder wollten.
Die Lagerbewohner besuchten die umliegenden Dörfer und kauften schwarz (ohne
Lebensmittelkarte) Lebensmittel auf, um sich durch deren Verkauf eine
Einkommensquelle zu verschaffen.
Schließung des Lagers
Erst 1952 konnte das Lager aufgelöst werden, nachdem viele der Bewohner sich
selbständig gemacht hatten oder in anderen Ländern angesiedelt wurden. Die
Organisation UNRRA war inzwischen von der IRO (International Refuges
Organisation) übernommen worden.