Die Geschichte von New Orleans
                                 von Lore Wagener
New Orleans ist eine recht untypische Großstadt der USA. Von Franzosen gegründet, von spanischen Katholiken und Kreolen aus der Karibik sowie von Einflüssen der afrikanischen Voodoo Kultur geprägt, entwickelte sie eine ganz besondere Ausstrahlung.

Stadtgründung

Image
Nouvelle Orléans 1726
 

New Orleans ist eine Hafenstadt am Golf von Mexiko. Sie liegt an der Mündung des Mississippi. Das ursprünglich von Indianern bewohnte Gebiet wurde zuerst von Spaniern und ab 1627 von Franzosen erkundet, die von Kanada aus durch das Flusstal kamen. 1718 gründeten sie auf einem schmalen Landstreifen, der den Mississippi vom Lake Pontchartrain trennt und bis zu 1,6 Metern unterhalb des Meeresspiegels liegt, Nouvelle Orléans. Die neue Kolonie wollten sie mit Hilfe einer Aktiengesellschaft erschließen, die von dem Schotten John Law gegründet worden war. Man wusste, dass schon die Spanier dort vergeblich ein Eldorado gesucht hatten. Als nun wieder Gerüchte über Goldfunde lanciert wurden, fanden die neuen Aktien reißenden Absatz. Es gab einen regelrechten Boom. Aber der währte nicht lange, weil es keinen realen Gegenwert für die Aktien gab. Als die Goldfunde ausblieben, platzte die Spekulationsblase. Es gab eine frühe Finanzkrise in Frankreich und Law floh vor den betrogenen Aktionären nach Italien.

Erste Siedler
Law hatte mit Aktienkapital Land und Kredite an Franzosen vergeben, die in Nouvelle Orléans ihr Glück machen wollten. Nach dem Aus für ihn hatten nicht nur die Spekulanten ihr Geld verloren, auch die Goldfunde erwartenden Siedler saßen nun in Nouvelle Orléans fest. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als sich dort eine neue Existenz zu erarbeiten. Sie bildeten zwangsläufig den Grundstock der Bevölkerung, die sich in der neuen französischen Kolonie ansammelte. Hinzu kamen Trapper und Jäger aus Kanada und Kreolen aus der Karibik, besonders aus Haiti und Kuba. Kreolen nannte man die rein französischen oder spanischen Nachkommen von Einwanderern. Den ersten Frauenmangel behoben die Franzosen, indem sie Frauen aus Pariser Gefängnissen importierten. Als Begleitschutz schickten sie einige Nonnen mit. Diese unerschrockenen Ordensfrauen blieben in der Stadt und gründeten sogar einen Konvent.

Vielsprachige Gesellschaft
Aber nicht nur Franzosen kamen, sondern auch Goldsucher und Abenteurer aus vielen Ländern Europas, auch eine starke Gruppe deutscher Siedler. Für die aufstrebende Landwirtschaft und die beginnende Industrialisierung am Mississippi beschaffte man billige Arbeitskräfte aus französischen Gefängnissen und importierte viele afrikanische Sklaven.
1755 suchte eine Gruppe von Franzosen aus Kanada Asyl, die von den Briten brutal aus ihren Siedlungen in Akadien vertrieben worden war. Diese französischen Bauern, die das „Grand Dérangement" (siehe Link) überlebt hatten, nannte man Cajuns. Sie errichteten Agrarkolonien in den Sümpfen vor der Stadt. Dort pflegen sie bis heute ihre Folklore. Berühmt wurden ihre Küche und ihre „Cajun-Musik".
Nachdem die Stadt 1762 an Spanien abgetreten wurde, hieß sie 41 Jahre lang Nueva Orleans und wurde Ziel von spanischen und kreolischen Einwanderern aus dem spanischen und karibischen Raum.

Besitzerwechsel

Der Anfang war für die Kolonisten nicht einfach. Reisende beschrieben die Stadt 1721 als einen „Ort der hundert elenden Hütten, befallen von Malaria, Schlangen und Alligatoren". Die harten Lebensbedingungen bewirkten, dass der übliche koloniale Handel zunächst nicht funktionierte. Hier entwickelte sich eine Art Tauschwirtschaft, die vielfach auf Schmuggelei beruhte. Bald stand die Stadt wegen ungesetzlicher Geschäfte in einem zwielichtigen Ruf.
Während der spanischen Zeit gab es zwei große Feuersbrünste, die in der Altstadt, kaum eines der alten französischen Holzhäuser übrig ließen. Unter spanischer Regie wurden nun die malerischen Backsteinbauten mit gusseisernen Balkonen und den charakteristischen Innenhöfen errichtet.
Als die Stadt im Jahre 1800 wieder an Frankreich kam, hatte sie fast 10 000 Einwohner. 1803 verkaufte Napoleon I. das Gebiet für 15 Millionen Dollar an die USA. Die Stadt hieß nun New Orleans und bekam eine ordentliche amerikanische Selbstverwaltung.

Zweitgrößte Hafenstadt der USA
Image
New Orleans 1851

Im Mississippi-Gebiet begann der wirtschaftliche Aufschwung. 1807 war der erste Raddampfer in Betrieb genommen worden, und bereits um 1850 fuhren mehr als 1000 dieser „Steamer" auf dem Strom, beladen mit Baumwolle, Holz oder Bodenschätzen. Der Seehafen New Orleans stieg zu einem Handelszentrum auf. Versuche der Engländer, ihn im Krieg von 1812 zu erobern, scheiterten. Die Bevölkerungszahl stieg bis 1840 auf rund 102 000. New Orleans wurde die zweitgrößte Hafenstadt der USA und hatte den größten Anteil an freien afroamerikanischen Menschen. Trotzdem wurde der Hafen ein großer Umschlagplatz für den Sklavenhandel, denn man brauchte viele Sklaven für die Baumwollplantagen zwischen Memphis und St. Louis. Im amerikanischen Bürgerkrieg (1861 - 1865) hatte New Orleans Glück. Die Stadt wurde kaum beschädigt. Von ihrem wirtschaftlichen Aufschwung zeugt ihr Garden-District mit seinen prächtigen Villen.

Ende der Sklaverei
Das Ende des amerikanischen Bürgerkrieges brachte die Abschaffung der Sklaverei. Die neue Verfassung gestand den männlichen Farbigen nun die Menschen- und Bürgerrechte zu, doch in der Praxis waren die alten Traditionen der Benachteiligung nur schwer zu überwinden. Das zeigte sich auch in Storyville, dem ehemaligen Rotlichtviertel von New Orleans.
Wie jede große Hafenstadt hatte auch New Orleans eine blühende Prostitution. Um diese besser kontrollieren zu können, versuchte man es von 1897 bis 1917 mit dem legalisierten Rotlichtviertel Storyville. Weltberühmt wurde dieses Viertel aber nicht durch seine Etablissements - obwohl dort schon der Tourismus boomte -  sondern durch die afroamerikanischen Musiker, die Nacht für Nacht in jedem besseren Etablissement spielten. Das waren hervorragende Künstler, die damals von der Gesellschaft aber kaum akzeptiert wurden. Sie konnten froh sein, dass sie überhaupt einen Job hatten. Sie waren es, die den typischen New Orleans Jazz entwickelten.

New Orleans Jazz

Der „New Orleans Jazz" ist eine besondere Stilrichtung des klassischen Jazz. Sein Vorläufer, der „archaische Jazz" wurde zuerst von den Street-Bands kreiert. Diese Bands waren nach dem Ende des amerikanischen Bürgerkrieges entstanden, als die Afroamerikaner billig Musikinstrumente von aufgelösten Armee-Kapellen kaufen konnten. Zunächst machten sie die übliche Marschmusik, aber bald kamen eigene Improvisationen hinzu. Beliebt wurden mobile kleine Bands, deren Repertoire aus Spirituals, Blues, Songs, Ragtime und Marschmusik bestand. Aus diesem Mix entwickelte sich dann ein eigener Stil, eben der Jazz. Es bildeten sich berühmte Street-Bands, die zum Flair der Stadt beitrugen. Sie spielten alles auswendig und konnten so leicht durch die Straßen ziehen. Ihr Weltstar wurde Louis Armstrong.
In den französisch geprägten Vierteln von New Orleans entwickelte sich ein anderer Stil, der Creole Jazz, der von spanischen, französischen und lateinamerikanischen Tänzen inspiriert war.

New Orleans im 20. Jahrhundert
Image
New Orleans 1919

Nach vorübergehender Stagnation kam in der Zeit des zweiten Weltkriegs und danach ein neuer wirtschaftlicher Aufschwung. Dieser brachte viele neue Jobs für die weiße Mittelschicht, die sich nun den Umzug in die besseren Vororte leisten konnte. In der City rückten die ärmeren Einwohner nach. Sie waren zu 99 Prozent schwarzafrikanisch, was dem Flair der Stadt aber keineswegs schadete. Die Einwohnerzahl stieg 1960 auf über 600 000 Menschen. Für die ärmere Bevölkerung baute man die Public Housing Projects (Sozialwohnungen).
Zum Ende des Jahrhunderts begann der Tourismus in der Stadt zu boomen und entwickelte sich zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor. Das French Quarter lebte nun fast ausschließlich vom Tourismus. Die Touristen schätzten das besondere südländische Flair der Altstadt, ihre Musik, die nostalgischen Flussfahrten, die Küche der Cajuns und auch die Einflüsse der kreolischen und der Voodoo-Kultur, die mit den Afrikanern gekommen war. Einen Höhepunkt bildete der Karneval.

Hurrikan „Katrina"
Image
Satellitenbild Hurrikan Katrina 2005

New Orleans überstand manchen Sturm, aber der Hurrikan Katrina war besonders schlimm. Er richtete im August 2005 enorme Schäden an. Nach zwei Deichbrüchen strömte das vom Meer in den Lake Pontchartrain gedrückte Wasser in die Stadt. 80 Prozent der City standen bis zu 7,60 Metern unter Wasser. Da die Stadt größtenteils unter dem Meeresspiegel liegt, musste das Wasser mit großem Aufwand wieder abgepumpt werden.
Image
Überschwemmungen im September 2005

Folge des Hurrikans ist eine radikale Veränderung der Sozialstruktur. Vor allem Public Housing Projects in der Innenstadt wurden wegen Unbewohnbarkeit abgerissen. Nun entstehen dort Mustersiedlungen für Bürger mit gemischten Einkommen. Nur ein kleiner Teil der evakuierten Mieter, die zu 99 Prozent Afroamerikaner sind, soll dort eine Wohnung erhalten. Vor 2005 hatte die Stadt 454.863 Einwohner, heute nur noch halb soviel.
Aber die Touristen kommen wieder in die Stadt, und die Erkundung der zerstörten Viertel ist für viele zu einem makaberen Ritual geworden.

Links
New Orleans
John Law und sein Papiergeld 
Grand Dérangement 
New Orleans Jazz
Eine Stadt überlebt
Stadt ohne Arme 
Alle Bilder Wikipedia gemeinfrei.
 
 

 

 
< zurück   weiter >