Ruinen haben eine Sprache
                             von Anne Pöttgen
Nur eine alte Säule zeugt von vergangner Pracht, heißt es in einem Gedicht. Legenden, Sagen und Mythen ranken sich um die Stätten der Vergangenheit. Und auch unsere eigene Vergangenheit kennt Ruinen.

Karthago

Cato, der Ältere, forderte bei allen seinen Reden im Senat von Rom: Karthago muss vernichtet werden. Warum? Karthago, eine Welt-Handelsmacht im Norden Afrikas, war mächtig und reich und Rom auf dem Weg, es ebenfalls zu werden.
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1. Eine alte Säule

Um 800 v.Chr. gründeten die Phönizier die Stadt Karthago (Neustadt) in der Nähe des heutigen Tunis. Durch den Handel im Mittelmeerraum und darüber hinaus wurden die Einwohner der Stadt reich und bald unabhängig von ihrer Mutterstadt. Im dritten Jahrhundert v.Chr. soll die Stadt mehrere Hunderttausend Einwohner gehabt haben. Sie war durch mächtige Befestigungsanlagen geschützt. Sie besaß einen Handels- und einen Kriegshafen, der allein 200 Schiffen Platz bot. Eine Kriegsflotte war erforderlich, um die zahlreichen Handelsniederlassungen, unter anderen in Spanien, Marokko und Madeira, schützen zu können. Und am Ende auch die Stadt selbst, die in den drei Punischen Kriegen - Punier wurden sie von den Römern genannt - von Rom bekämpft wurde.

Seine Vernichtung und Wiedergeburt
Im Jahre 146 v.Chr. war es soweit, Karthago wurde mit Stumpf und Stiel ausgelöscht. Mehr als hundert Jahre gab es nur eine Trümmerstätte. Im Jahre 44 v.Chr. wurde Karthago von Julius Cäsar als römische Kolonie neu gegründet. Unter Augustus und den nachfolgenden Kaisern stieg die Stadt zu ihrer früheren Größe auf, sie wurde die reichste Stadt der römischen Provinz Africa. Diese Provinz war die Kornkammer Roms und der Handel mit Getreide war einer der Gründe für den neuerlichen Reichtum der Stadt.
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2. Plan Karthago

Forum und Capitol lagen auf einem Hügel inmitten der Stadt, auf dem vermutlich auch schon die punischen Götter ihre Tempel hatten. Von den prachtvollen Antoninus-Pius-Thermen haben sich beeindruckende Ruinen erhalten. Im 2. Jahrhundert hatte die Stadt wieder 300.000 Einwohner.
439 n. Chr. wurde Karthago von den Vandalen erobert und zu ihrer Hauptstadt gemacht. Ab 533 gehörte es zum Oströmischen Reich und 697 fiel es an die Araber. Sie legten die Stadt wiederum in Schutt und Asche.

Die Mauern von Simbabwe
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3. Die Mauern von Great-Simbabwe

"Die Königin von Saba ist die Königin von Simbabwe", das glaubten viele, die die Mauern von Simbabwe fanden oder nur von ihnen gehört hatten. Aus diesem geheimnisvollen Ort sollte sie ihr Gold bezogen haben. Das regte die Fantasie der Seefahrer und Händler an, die den Osten Afrikas mit ihren Schiffen besuchten. Die Wirklichkeit ist nüchterner: Eigentlich handelt es sich bei den lose geschichteten Mauern nur um Stadtmauern, in deren Schutz Hütten und Häuser aus Lehm oder Holz standen. Der Ort wurde schon im fünfzehnten Jahrhundert aufgegeben.
"Die Akropolis Afrikas" wurde - so das Ergebnis der Forschungen in den letzten Jahrzehnten - von afrikanischen Bauleuten und Künstlern errichtet. So wenig man von den Erbauern weiß, so wenig weiß man darüber, was den Untergang der Stadt, die immerhin einmal 10.000 bis 18.000 Menschen beherbergt haben kann, herbeigeführt hat. Bilder zu Simbabwe über einen Link im letzten Abschnitt.

Troja
Vielleicht die bekannteste der alten Städte, von denen nur Ruinen blieben, ist Troja. Sie fand einen Sänger, der wortgewaltig von ihr berichtete: Homer. Zuzeiten des trojanischen Krieges lag die Stadt noch an den Dardanellen und sie kontrollierte den Zugang zum Schwarzen Meer. Ob und warum der Trojanische Krieg wirklich stattgefunden hat, ist in der Wissenschaft umstritten. Neid und Eifersucht auf reichere Städte waren aber immer schon Grund genug für kriegerische Ereignisse.
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4. Blick in die Ebene vor Troja

Neun Siedlungsschichten liegen im Hügel Hissarlik übereinander und zeigen, dass „Troja" eine Stadt von wechselnder Bedeutung war. Aus der frühen Bronzezeit - also vor 5.000 Jahren - bis in die Römerzeit wurden gewaltige Mauerreste einer Burg oder Stadt gefunden. Immer wieder wurde der Ort in Schutt und Asche gelegt und wieder aufgebaut. Zu günstig war der Standort, als dass er lange unbesiedelt blieb. Wie viel Reichtum es an diesem Ort gab, zeigt der bronzezeitliche Goldschmuck, den Heinrich Schliemann fand.

Die Ausgräber
Der Hügel Hissarlik in der Westtürkei ist eine berühmte Grabungsstätte. Ein Teil dieses Hügels gehörte Frank Calvert, einem homerbegeisterten Briten. Er begann 1863 mit den Ausgrabungen, brauchte dann aber einen anderen, der ebenso von Homer begeistert aber viel reicher war als er: Heinrich Schliemann. Dieser ließ einen 40 Meter breiten Graben durch Schichten ziehen, die von vielen Katastrophen berichten, immer wieder von Bränden. Welche Schicht war die vom Troja des Priamos? Schliemann glaubte sie gefunden zu haben, als er einen sagenhaften Goldschatz fand, aber er irrte sich um tausend Jahre.
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5. Trojanische Mauerreste

In der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts gruben Wilhelm Dörpfeld und C.W Blegen im Hügel Hissarlik und ab 1988 Manfred Korfmann mit einem Internationalen Team. Heute ist Ernst Pernicka von der Universität Tübingen Grabungsleiter.
Unter den Fachleuten bezweifelt heute niemand, dass es sich bei dem Schutthügel Hissarlik um Troja handelt; ist der trojanische Krieg ist damit bewiesen?

Machu Picchu
Diese Ruinenstadt entspricht dem, was wir unter romantisch und malerisch verstehen. Wozu wurde sie gebaut, warum wurde sie verlassen und fast vergessen? Wovon haben ihre Bewohner gelebt? Auf den bekannten Bildern sieht man nur die festungsartige Lage der Stadt, aber tatsächlich gab es zu ihrer Versorgung gut bewässerte Terrassenfelder ringsum.
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6.Machu Picchu

Erbaut wurde Machu Picchu zur Blütezeit der Inkakultur, im 15. Jahrhundert. Es war dreigeteilt wie die Gesellschaft im Inkareich: Im oberen Bereich die Häuser der Adligen mit Palast und Tempel, dann die Viertel der Gelehrten und Handwerker und ganz unten das Viertel der Bauern. Auch an der Bauweise lassen sich die gesellschaftlichen Unterschiede ablesen. Gewohnt präzise behauen sind die Steine im oberen Bereich, wenig behauen im Viertel der Bauern. Ein ausführlicher Text über den Link im letzten Abschnitt.
Bei der Wiederentdeckung der Stadt im Jahre 1911 war sie, wie es heißt, vom Urwald überwuchert. Der Entdecker Hiram Bingham nannte sie „Alter Berg - Machu Picchu".

Ruinen am Rhein
Die erste Zerstörung Karthagos war das Ende einer Rivalität um die Beherrschung des Mittelmeerraums, die zweite eine Folge der arabischen Eroberungszüge. Heutzutage besuchen Touristen diese Stätte. Die malerischen Ruinen von Great Simbabwe sind die Reste einer verlassenen Stadt, die Königin von Saba hat sie nie gesehen. Und Troja? Seit 2.800 Jahren weiß man vom trojanischen Krieg. Machu Picchu, auch hier drängeln sich die Touristen und finden es so romantisch.
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7. Köln im Mai 1945

Die Kölner Innenstadt war am 8. Mai 1945 zu fast 90 Prozent zerstört. Diese Ruinen konnte niemand romantisch finden. Und an diesem Platz ging es wie bei vielen anderen in vielen früheren Jahrhunderten - er wurde wieder bebaut. Die Gründe für die Zerstörung sind vielfältig, wie bei anderen Ruinenstädten auch.

Links
Die Geschichte Karthagos
Bilder zu den Mauern von Simbabwe
Die Ausgrabungen in Troja gehen weiter
Ausstellung Troja 2002 in der Bundeskunsthalle
Schätze der Welt: Machu Picchu, dort Filmtext
Bildquellen-Nachweis
1. bis 3.und 7. gemeinfrei
4. Brian Harrington Spier, by-sa, CC
5. Christian Barnala, by-sa, CC
6. wunde3rkind, photocase
Lizenz: Creative Commons 3,0 (CC)

 

 
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