Çatal Höyük
                                    von Erna Subklew      
Ende der fünfziger Jahre entdeckte man in Zentralanatolien eine Siedlung aus dem Neolithikum. Bei den ersten Grabungen wurden über 160 Häuser freigelegt. Zwar hatte man an anderer Stelle auch schon solche Häuser gefunden, aber nie in einer so großen Zahl.

Ausgrabungen
Haben Sie schon einmal den Namen Çatal Höyük gehört? Wenn nicht, so ist das keine Bildungslücke. Die ersten Ausgrabungen vor über vierzig Jahren vom Engländer Mellaart durchgeführt, konnten nicht fortgesetzt werden, weil die türkische Regierung die Grabelizenz nach vier Jahren entzogen hat. In nur vier Jahren grub man über 160 Häuser aus, eine so dichte Besiedlung hatte man aus dieser Zeit bisher nicht gefunden.
Bei den ersten Grabungen stieß man auf eine Wandmalerei, die den Ausbruch des Vulkans Hasan Da
ğı zeigte, den man um 6200 v.Chr. datiert. Somit hatte man einen Anhaltspunkt für das Alter der Siedlung.
Erst 1991 erteilte die türkische Regierung wieder eine Genehmigung, und seit 1995 graben die englischen Universitäten Cambridge und Stanford beim Westhügel und die polnische Universität Posen beim Osthügel, den beiden Hügeln, die den Besiedlungsort bilden.

Die Siedlung
Çatal Höyük
Çatal Höyük liegt auf dem Schwemmland des Çarşambaflusses in der Nähe von Konya. Ein Fluss ist eine wichtige Voraussetzung für eine Ansiedlung in einem so regenarmen Land. Denn einmal ist das Wasser nicht nur für die Menschen lebensnotwendig, sondern gleichzeitig auch Voraussetzung für ein reichhaltiges Pflanzenwachstum und das Vorhandensein von Wild. Wahrscheinlich führten diese günstigen Lebensbedingungen zu der Größe der Siedlung, wie man sie sonst nirgends aus dieser frühen Zeit gefunden hat.
Mellaart hat vierzehn Bebauungsschichten festgestellt. Bei den verschiedenen Schichten rechnet man jeweils zwischen 400 -1800 Häusern, die eine Siedlung umfasste. Aufgrund von Radiokohlenstoffuntersuchungen wird die Entstehung der ersten Siedlung auf 7400 - 7100 v.Chr datiert. Die Aufgabe des ersten Siedlungortes erfolgte ungefähr 1000 Jahre später. Man baute aber nicht weit entfernt eine neue Siedlung, die ungefähr 700 Jahre bestand. Warum die Aufgabe auch hier erfolgte ist unbekannt.

Die Häuser
Die Siedlung bestand aus rechteckigen Häusern, die aus gepresstem Lehm oder Lehmziegeln erbaut wurden und ein Flachdach hatten. Die Häuser waren eng aneinander gebaut, aber sie lagen auf unterschiedlichem Niveau. Zwischen einzelnen Häusergruppen gab es immer wieder freie Flächen. 
Das Innere der Häuser wurde mit Leitern über das Dach betreten. Dies geschah in der Regel auf der Südseite. Der Einstieg ins Haus war gleichzeitig der Abzug für den Rauch des Herdes, der auch auf dieser Seite lag. Der Fußboden im Inneren war nicht eben, sondern lag auf unterschiedlichem Niveau. Einzelne Flächen waren durch Kanten abgesetzt, so dass eine Art Bank entstand. Die Wände waren geweißt und bemalt, manche von ihnen hatten mehrere Schichten von Putz übereinander. In den Häusern fand man auch menschliche Skelette, so dass man annimmt, dass die Toten im Haus unter einer Schlafstelle gelagert wurden. Die Häuser hatten mehrere Räume, darunter einen Vorratsraum.

Leben in
Çatal Höyük
In den Putz der Wände hat man neben der Malerei, die in rot, schwarz und weiß ausgeführt war, auch Tierzähne und Vögelschnäbel eingelassen gefunden. Die Malereien zeigen neben Menschen auch Wildrinder, Wildschweine, Hirsche und Bären. Die Menschen lebten also von der Jagd. Daneben gab es auch schon domestizierte Tiere, wie Ziegen und Schafe. 
Durch einen Brand, den es zur Zeit der Schicht VI in
Çatal Höyük gegeben hat, wurden viele gut erhaltene Gebrauchsgegenstände gefunden. So kochten die damaligen Bewohner in Keramikgefäßen, hatten aber auch Steingefäße und Holzfässer. Pflanzliche Produkte wurden in Körben aufgehoben. Man fand Textilreste und viele Gegenstände aus Obsidian, wie Spiegel, Werkzeuge und Waffen. Jedes Haus war autark.

Der Streit der Wissenschaftler
Die Wissenschaft ist sich in zwei Punkten nicht einig:
Ist
Çatal Höyük eine Stadt? und
herrschte dort das Matriarchat?
Viele Archäologen sprechen der großen Ansiedlung den Namen Stadt ab, weil viele Attribute, die wir heute bei der Definition von Stadt für nötig halten, fehlen, seien es ein Mittelpunkt, eine Stadtmauer, gemeinschaftlich genutzte Häuser. Wie aber soll man sonst so eine große Ansiedlung nennen? Sicherlich ist es keine Stadt, wie wir sie kennen, aber vielleicht doch eine für Menschen von vor 10 000 Jahren.
In den meisten Häusern gab es eine Kultstätte, wo die Grosse Göttin verehrt wurde, von der zahlreiche Figuren und Abbildungen gefunden wurden. Lässt das auf eine Herrschaft des Matriarchats schließen?
Zu beiden Fragen kann ich mich nicht äußern, denn dazu weiß ich zu wenig. Was ich aber den Ausgrabungen entnehme, ist, dass die Menschen von
Çatal Höyük eine sehr hoch anzusetzende Kultur hatten. 

Links
Eine Architektin erzählt von Çatal Höyük

Im Museum in Karlsruhe  finden Sie eine Ausstellung der Ausgrabungen von Çatal Höyük.

Gedanken zur frühen klassenlosen Gesellschaft in
Çatal Höyük

 
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