Interview zum Museum der Brotkultur
                               von Hildegard Keller
Das Museum der Brotkultur in Ulm gibt Einblicke in Technik und Geschichte des Mahlens und Backens sowie in die Sozial- und Kulturgeschichte des Brotes.

Meine Interviewpartnerin
Keller: Frau Dr. Honold, danke für Ihre Bereitschaft zu diesem Interview. Geben Sie doch bitte ein kurzes Statement zu Ihrer Person.
Als eine der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen am Museum der Brotkultur bin ich in erster Linie für die Öffentlichkeitsarbeit des Hauses zuständig, aber auch an der Planung und Umsetzung von Ausstellungen und Veranstaltungen beteiligt. Zu meinem Aufgabenfeld gehört es beispielsweise, das Jahresprogramm zu erstellen, die Presse über unsere einzelnen Projekte zu informieren und die vielfältigsten Anfragen zu beantworten.

Das Museum, Gründer und Gründung

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Salzstadel

K Was können Sie uns allgemein über das Museum sagen?
Das Museum befindet sich seit 1991 im historischen Ulmer Salzstadel. Bis ins 19. Jahrhundert diente das 1592 erbaute Gebäude mit seinem schönen Portal als Lagerhaus (nicht nur für Salz). Danach erlebte der Stadel verschiedene Nutzungen bevor er zwischen 1982 und 1990 außen und innen saniert wurde.
Die Gründer des Museums, die Unternehmer Dr. h. c. Willy Eiselen (1896-1981) und sein Sohn Dr. Dr. h. c. Hermann Eiselen (1926-2009), hatten bereits 1952 begonnen, alles rund um das Thema Brot zu sammeln, um die Bedeutung des Brotes für den Menschen zu dokumentieren.

Vom Salzstadel zum Museum der Brotkultur
Wenige Jahre nach der Gründung des „Deutschen Brotmuseums" 1955 eröffneten die Gründer die erste Dauerausstellung in der Fürsteneckerstraße. Die Sammlung wuchs kontinuierlich und entwickelte sich auch inhaltlich weiter, so dass die Umbenennung zum „Museum der Brotkultur" 2002 nur folgerichtig erschien.

Die Dauerausstellung

K. Sie haben eine sehr eindrucksvolle Dauerausstellung.
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Die Dauerausstellung ist in zwei Themenbereiche unterteilt. Der erste zeigt die Technik- und Handwerksgeschichte rund um die Brotherstellung. Im zweiten Teil wird besonderes Gewicht auf die Dokumentation des Mangels an Brot (Hunger) im Laufe der Menschheitsgeschichte und auf die Auseinandersetzung mit der aktuellen Welternährungslage gelegt.
Das ganze erste Obergeschoß steht unter dem Motto „Aus Korn wird Brot".
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Aus Korn wird Brot.

Für viele Besucher ist außerdem unsere hochwertige Sammlung zur Kunst- und Kulturgeschichte des Brotes eine Entdeckung.
Den Auftakt zur Dauerausstellung bilden im Erdgeschoß die lebensgroße Installation einer Backstube um 1900 und das Gemälde "Arm und Reich oder Krieg und Frieden" eines Flämischen Meisters des 17. Jahrhunderts.

Nahrungsmittel Brot
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Der Mensch und das Brot

Unter dem Motto „Der Mensch und das Brot" zeigt die Präsentation im zweiten Obergeschoß, welche Bedeutung Brot nicht nur als Nahrungsmittel hat. So veranschaulichen Gemälde und kultische Geräte wie Brot im religiösen Verständnis zum Symbol für das Leben überhaupt wurde.
Ausgehend von den Voraussetzungen der Brotherstellung durch die frühzeitliche Kultivierung der Getreidearten werden übersichtlich und anhand aussagekräftiger Exponate alle Herstellungsschritte von der landwirtschaftlichen Produktion über verschiedene Mahlverfahren bis hin zur Teigbereitung und dem eigentlichen Backvorgang dargestellt. Auch die Geschichte des Verkaufs und die Bedeutung der Zünfte für das Bäcker- und Müllerhandwerk werden dokumentiert. Der Bereich „Brotzeit" schließt die Informationen zum Brot als Nahrungsmittel ab.

Brotarme Zeit ist Hungerszeit
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Carepaket gegen Hunger

Dargestellt wird aber auch die Bedeutung von Brotmangel (Hunger) in verschiedenen Epochen (Altes Ägypten, Antike, Mittelalter und Neuzeit) und wie ihm begegnet wurde. Dass der Hunger nicht nur ein Phänomen der Vergangenheit ist, sondern weiterhin über 800 Millionen Menschen bedroht wird ebenfalls thematisiert.
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Der Kornmahler

Eine Auswahl aus der Kunstsammlung des Museums bietet dem Besucher einen Einblick in die Geschichte des Brotes als einem selbständigen Gegenstand der Kunst.

Ziele und Aufgaben
K Welche besonderen Ziele und Aufgaben hat das Brotmuseum?
Das Museum der Brotkultur widmet sich so umfassend wie möglich der Geschichte des Brotes. Es sammelt historische und künstlerische Belege aller Art, die zum Thema gehören und stellt diese in ihren technik- und kulturgeschichtlichen Zusammenhängen aus. Dabei gehört es auch zu den zentralen Aufgaben des Museums, die einzelnen Objekte wissenschaftlich zu erschließen und die damit verbundenen Inhalte einem breiten Publikum zu vermitteln. So hat es sich auch zum Ziel gesetzt, die Bedeutung von Getreide und Brot für die kulturelle Entwicklung der Menschheit bewusst zu machen, zur Erforschung der Geschichte des Backens und des Brotes beizutragen und immer wieder wie bereits erwähnt darauf hinzuweisen, dass Mangel an Brot auch in unserer gegenwärtigen Welt gleichbedeutend ist mit Hunger.

Blick in die Vergangenheit
K. Brot hat eine lange Tradition. Können Sie in einer Art Zeitraffung
darüber aussagen?
Frühgeschichtliche Funde lassen vermuten, dass unabhängig voneinander verschiedene Kulturen zu unterschiedlichen Zeitpunkten die „Entdeckung" des Brotbackens machten. Das älteste Brot, das Archäologen bisher fanden, ist rund 5.500 Jahre alt und stammt aus der Schweiz. Wann und wo immer Menschen Getreide (v. a. Weizen, Roggen oder Gerste) als Nahrungsmittel nutzten, entdeckten sie, wie man Brot backt. Die Urform der Getreidenahrung ist der Brei, lässt man diesen auf einem heißen Stein oder in der Asche eines Feuers trocknen, entstehen Fladen, bleibt der Getreidebrei bzw. -teig an einem warmen Ort stehen, kann es zur Gärung und damit zur Lockerung kommen. Wird dieser Teig dann in einem geschlossenen Raum unter Feuerhitze gebacken, entsteht Brot.

Die Völker und ihr Brot

Sauerteig und Backraum sind entscheidende Voraussetzungen für die Herstellung von Brot. Sie wurden wohl durch Zufall entdeckt und durch Beobachten und Ausprobieren zur Fertigkeit weiterentwickelt.
Die Anfänge liegen in der Steinzeit. Im Alten Ägypten war Brot Grundnahrungsmittel, diente als Naturalwährung und Opfergabe. Verschiedene Backtechniken ermöglichten verschiedene Gebäckformen. Die Griechen übernahmen die Brotkultur der Ägypter, passten sie ihrem Geschmack bzw. ihren Bedürfnissen an und gaben sie an die Römer weiter. Die Backofenform der Römer (gewölbtes Mauerwerk, das auf der Herdfläche aufgeheizt wurde), blieb bis ins 19. Jahrhundert beinahe unverändert im Gebrauch, bis indirekt beheizbare Öfen entwickelt wurden und neue Bau- und Heizmaterialien den Anstoß zur Modernisierung der Backtechnik gaben.

Brotbacken heute
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Kinder backen im Brotmuseum

K. Was glauben Sie dazu beitragen zu können, den Wert des Brotes im Bewusstsein zu erhalten?
Die Herstellung von Brot - so einfach der Prozess im Grunde auch ist - hat etwas Faszinierendes. Insofern ist es gar nicht so schwer Menschen jeden Alters für die Geschichte und Bedeutung des Brotes zu interessieren. Insbesondere die regelmäßig stattfindenden Backaktionen für Kinder eignen sich dazu, an das Thema heranzuführen. Doch unsere verschiedenen museumspädagogischen Angebote richten sich natürlich ebenso an Senioren, Erwachsene und Jugendliche. Für alle Altersgruppen gibt es Führungen zu bestimmten Themenschwerpunkten (Brotherstellung, Sozialgeschichte, Kunst, Religion, Ernährung etc.). Diese Vermittlungstätigkeit ist ein wichtiges Anliegen des Museums, auch um die Besucher für die offenen Fragen der Welternährung zu sensibilisieren.

Besonderheiten

K Was können Sie noch Besonderes berichten?
Seit 2009 stehen den Besuchern kostenlos Audioguides in deutscher und englischer Sprache durch die Dauerausstellung zur Verfügung.
Auf den drei Etagen finden sich momentan 47 etwa zweiminütige Hörstationen. Die Texte bieten Informationen zur Herkunft und Bedeutung einzelner Objekte oder tiefere Einblicke in historische Zusammenhänge. Gelegentlich kommen auch die Objekte selbst zu Wort. So lässt sich beispielsweise der Kleiekotzer im ersten Stock über sein Museumsdasein aus und erklärt ganz nebenbei, welche Aufgaben er in früheren Zeiten hatte. Die Erläuterungen zu einzelnen Werken der Abteilung "Kunst und Brot" im zweiten Stock erleichtern den Zugang zu den hochrangigen Gemälden und Plastiken.
In diesem Jahr soll außerdem ein Audioguide speziell für Kinder eingerichtet werden

Ausblicke
K. Wenn Sie an die Zukunft des Museums der Brotkultur denken, was sind Ihre Wünsche und Vorstellungen?
Da das Thema Welternährung seit der Gründung des Museums nichts an Aktualität verloren hat, wollen wir auch in Zukunft insbesondere die damit verbundenen Probleme bewusst machen und zur Diskussion anregen. Doch auch in allen anderen Tätigkeitsbereichen (Sammeln, Bewahren, Ausstellen, Vermitteln) will und muss sich das Museum weiterentwickeln. Es stellt sich immer wieder die Frage, wie wir unsere Besucher am besten erreichen und welche Aspekte der „Brotkultur" neu zu beleuchten sind.

Informationen, Wissenswertes
K. Einige weitere Informationen wären sicherlich interessant
So finden und erreichen Sie uns:
Museum der Brotkultur
Salzstadelgasse 10
89073 Ulm
Telefon: 0731 - 69955
Telefax: 0731 - 6021161
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Mein Dank
K. Frau Dr. Honold, ich danke Ihnen, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview genommen haben um uns aus Ihrem großen Wissensschatz die Bedeutung des Brotes näher zu bringen. Mich haben Besuche im Museum der Brotkultur immer sehr beeindruckt. Ich bin der festen Überzeugung, das Museum der Brotkultur leistet einen beachtenswerten Beitrag zur Kunst-, Kultur- und Sozialgeschichte und ich wünsche, dass dies so bleibt
.
Quellenangabe für die Bilder: Sammlung Museum der Brotkultur.

Links
Das Museum der Brotkultur Ulm

Brotkultur in der Gastronomie

 
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