Das Grünsandsteinmuseum Soest
                                        von Lore Wagener
Die Wiesenkirche zu Soest wird zurzeit aufwändig saniert. Ihr Grünsandstein hat durch Umwelteinflüsse so gelitten, dass er zum Teil ausgewechselt werden muss. Was es mit diesem Baustoff auf sich hat, erklärt das Soester „Grünsandsteinmuseum“.

Ein Kulturbaustoff
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Sandstein ist ein mineralischer Baustoff, der in den Erdschichten fast aller Kontinente in unterschiedlichen Qualitäten und Farbtönungen vorkommt. Er wurde von vielen Kulturen für sakrale und profane Bauten genutzt. Schon um 5000 v. Chr. errichteten die Menschen der Steinzeit in Stonehenge einen der Steinkreise ihrer Kultstätte aus Sandstein, etwa 2000 Jahre später verbauten die Ägypter in ihren Pyramiden unter anderem auch Sandsteinelemente. Das antike Rom kannte diesen Stein ebenfalls, das belegen zum Beispiel die Porta Nigra in Trier oder die Trockenmauern in den Weinbergen. Die Baumeister der Gotik benutzten gerne dieses Material für ihre Kathedralen. Die Bauten der Weserrenaissance wurden überwiegend aus Wesersandstein errichtet, und der Dresdener Zwinger zeigt Fassaden aus Elbsandstein. Heute wird Sandstein für moderne Fassaden, Treppenstufen oder Terrassen genutzt - und natürlich auch für die Denkmalpflege, wie bei der gotischen Wiesenkirche.

Sedimentgestein
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Gesteinskundlich betrachtet ist Sandstein ein Sedimentgestein. Er hat sich aus Ablagerungen von Sandkörnern gebildet, die von Meeren und Flüssen aus anderen Gesteinen herausgespült und an neue Lagerstätten verbracht wurden, seltener hat der Wind den Sand verweht. An den neuen Lagerstätten vermischten sich die Sandkörner mit verschiedenen dort vorhandenen Stoffen und verkitteten sich durch Druck in unendlich langen Prozessen zu einem mehr oder minder harten Gestein. Man nennt diesen Prozess der Verfestigung von Lockersedimenten auch Diagenese. In Deutschland bildeten sich Sandsteinvorkommen zum Beispiel an den urzeitlichen Meeren oder an den Rändern der Flüsse, so zu dem schon erwähnten Elbsandstein oder dem Wesersandstein. Das im Grünsandsteinmuseum vorgestellte Gestein bildete sich vor etwa 90 Millionen Jahren am südlichen Rand des damaligen Westfälischen Kreidemeeres. Seine grünliche oder bläuliche Farbe bekam es von dem in dem Meer enthaltenen Mineral Glaukonit.

Grünsandstein
Im Hof des Museums sieht der Besucher zuerst einen Dinosaurier vor einer Urweltkulisse, der darauf hinweist, dass der Grünsandstein sich bildete, als die Dinosaurier noch die Erde bevölkerten - im Erdzeitalter „Oberkreide“ - etwa 20 Millionen Jahre vor ihrem Aussterben. Im Museum verdeutlichen Karten und Schautafeln, wo der Grünsandstein am Rande des Haarstrang-Höhenzuges vorkommt. Um Anröchte herum hat das Gestein eine Mächtigkeit von bis zu 25 Metern, bei Rüthen sind es nur 3 bis 4 Meter. Der reine Sandanteil ist aber so gering, dass man gesteinskundlich korrekt eher von einem „glaukonitischen Sandkalkstein“ spricht. Den maritimen Ursprung dieses Baustoffes belegen die Versteinerungen, die man darin entdeckt hat. Das Museum zeigt in einem Schaukasten einige Funde: versteinerte Muscheln, Seeigel und sogar ein Haifischgebiss. Der Name des in dem Gestein enthaltenen Minerals Glaukonit, das die Farbtönung bewirkt, leitet sich übrigens von „Glaukos“, einem griechischen Meeresgott, ab.

Bauten aus Grünsandstein
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Als nächstes sieht man Bilder von Gebäuden aus Soest und Umgebung, die aus Grünsandstein gebaut wurden. Eine interessante Collage vereinigt viele Kirchen, Befestigungen und Stadttore, die fast alle aus dem Mittelalter stammen. Während dieser Epoche war der Anröchter Stein sogar ein „Exportschlager“, der gern andernorts genutzt wurde. Und auch in Soester Wohnhäusern wurde der Stein verbaut. Zum Beispiel sieht man in einem Soester Wohnhaus aus dem Jahre 1510 noch einen Türbalken aus Grünsandstein sowie eine Treppenstufe mit den typischen Einschlüssen. Und die grün- oder bläulich getönten Mauern, die von den Soestern um viele ihrer Gärten gezogen wurden, prägten das Stadtbild. Dazu zitieren die Museumsleute gerne den Düsseldorfer Theaterdirektor und Dichter Karl Immermann. Dieser machte 1838 Soest zu einem der Schauplätze seines satirischen Romans "Münchhausen". Er schilderte den Ort mit spitzer Feder als ein verschlafenes Nest voll von "verwitterndem Gemäuer".

Steinmetzarbeit
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Die Bearbeitung von Sandsteinquadern ist eine charakteristische Tätigkeit der Steinmetze. Deren Zunft erlebte während der Gotik eine Blütezeit. Ihre Technik der Bearbeitung formbarer Sandsteine hat sich - abgesehen vom Einsatz moderner Maschinen - im Grunde bis heute nicht wesentlich geändert. Das Grünsandsteinmuseum zeigt in einem Schaukasten typisches Werkzeug der Steinmetze. Sorgfältig beschriftet sieht man dort ein- und zweihändige Beile, verschiedene Hammerarten, wie den Punkthammer, aber auch einen Holzhammer, mit dem verschiedene Meißel getrieben wurden.
Eine kleine Mustersammlung veranschaulicht verschiedene Strukturen von Steinoberflächen, die man durch Bearbeitung erzeugen kann. Fachleute unterscheiden zum Beispiel zwischen gebeilten, scharrierten oder polierten Steinoberflächen, je nachdem, ob sie mit Beilen, Scharriereisen oder Schleifsteinen bearbeitet wurden.
 
Eine mittelalterliche Baustelle
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Das Dachgeschoss des kleinen Museums versetzt uns in eine mittelalterliche Baustelle. An einer Seite steht eine im Bau befindliche Riesenfiale. Die fiktive Baustelle mit dem Holzgerüst und dem Rad einer Seilwinde verdeutlicht, wie viel Kraft und Geschicklichkeit die Bauleute damals aufwenden mussten.
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Auf der anderen Seite sind kunstvolle Werkstücke aufgereiht. Hier kann man aus der Nähe ein Maßwerk, den Fuß einer Fiale oder eine schöne Kreuzblume bewundern, die man sonst nur in großer Höhe erkennen kann. Diese Bauteile wurden damals am Boden nach hölzernen Schablonen vorgefertigt, wobei die Steinmetze in der Regel auf einem einbeinigen Schemel saßen. Die fertigen Werkstücke wurden dann mit einfachen Seilwinden per Muskelkraft an ihre luftigen Standorte transportiert und dort von den Maurern eingesetzt. Wichtig war dabei ein guter Mörtel, der von speziellen Handwerkern zubereitet wurde.
 
Kirchenbau der Gotik
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Szenen einer mittelalterlichen Baustelle im Miniaturformat zeigt das Museum in einer großen Vitrine. Man erkennt dort sehr schön die großen Gerüste, die Seilwinden, die Mörtelmischer, die Transportarbeiter, Maurer und Steinmetze bei der Arbeit, ganz so wie es David Macaulay in seinem Jugendbuch „… und sie bauten eine Kathedrale“ beschrieben hat. Nach seinen Recherchen wurde der Bau einer gotischen Kathedrale aus unzähligen handgefertigten Einzelteilen zusammengefügt, als wäre er ein gigantisches Puzzle. Wir hatten darüber bereits in unserem Lerncafe Nr. 36 berichtet. Unten gibt es einen Link.

Umweltschäden
Zum Ausgang des Museums gelangen wir durch eine Toreinfahrt, in der Regale mit beschädigten Werkteilen der Wiesenkirche stehen: einzelne Steine, Spitzen von Fialen oder Maßwerk. Aus der Nähe sieht man, dass sie sehr gelitten haben.
Dann führt uns der Weg zur Wiesenkirche. Deren Außenfassade ist im unteren Teil bereits in fast zwanzigjähriger Arbeit saniert worden. Zurzeit restauriert man die Schäfte der Türme. Große Gerüste umschließen sie wie ein dicker Wundverband. Da dieser Bereich besonders anfällig sein soll, tauscht man hier den Grünsandstein weitgehend gegen den robusteren Oberkirchener Sandstein, also einen Wesersandstein, aus. Viele vorgefertigte Werkstücke aus diesem Material liegen schon auf dem Betriebsgelände der Dombauhütte bereit.

Maria zur Wiese
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“Eine alte gotische Kirche, grün wie die Wiese“, so beschrieb Immermann die Soester Wiesenkirche in seinem oben genannten Roman. Mit ihrem Bau wurde 1313 begonnen. Um 1830 muss sie sehr verwittert gewesen sein, denn Immermann schrieb: “Der Jäger konnte bei ihrem Anblicke sein Auge nicht ersättigen. Teils war schon die Farbe des Sandsteins, wie sie bezeichnet worden, ziemlich eigen; teils aber hatte die Natur auch ihr willkürliches Spiel mit dem lockeren und mürben Material getrieben und in dem reichen Pfeiler- und Schnitzwerk, an den Kanten und Ecken durch Regenschlag und Nässe ganz neue Figurationen hervorgerufen, so dass das Gebäude wenigstens stellenweise aussah, als sei es nicht aus des Menschen sondern aus ihrer Hand hervorgegangen.“
Vor zwanzig Jahren sah es wohl auch schlimm aus. Seither wird grundsaniert. An den hohen Kosten beteiligen sich Land und Bund, der evangelische Kirchenkreis und die Stadt Soest. Für den Rest sammelt der Dombauverein Spenden bei den Bürgern.

Links
Soester Grünsandsteinmuseum

Grünsandstein

Immermann: Münchhausen

Textstelle Seite 217

Macaully: … und sie bauten eine Kathedrale


Bilder
Eigene Fotos, Veröffentlichung mit Genehmigung: Grünsandsteinmuseum / Westfälischer Dombauverein St. Maria zur Wiese, Dombaumeister Jürgen Prigl.

 
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