Die Arbeitsgruppe stellt sich vor
- Volkmar Gimpel, Leipzig -
 


Heimat und Fremde in meinem Leben

Fragebogen  Zum Fragebogen            Erkenntnisse  Persönliche Erkenntnisse und Erfahrungen

Ich bin 1929 in Leipzig geboren. Hier bin ich zur Schule gegangen, habe im Krieg die Zerstörung großer Teile der Stadt und nach dem Krieg die besonders für die städtische Bevölkerung schlimmen Hungerjahre erlebt. In den Nachkriegsjahren absolvierte ich in Leipzig meine Berufsausbildung zum Elektriker und anschließend die Ingenieurschule. Berufsbedingt war ich danach mit Unterbrechungen einige Jahre in Berlin und kehrte nach dem Tod meiner ersten Frau nach Leipzig zurück, wo meine Mutter lebte. Seither ist hier ohne Unterbrechung mein Lebensmittelpunkt.
Meine Großeltern waren Ende des 19. Jahrhunderts aus dem Leipziger Umland bzw. aus Sachsen-Anhalt nach Leipzig gezogen und lebten hier bis zu ihrem Tode. Und sowohl meine erste als auch meine zweite Frau und die Schwiegereltern waren Leipziger. Unsere ganze Familie ist also mit dieser Stadt verbunden. Fremde musste ich nie wirklich erleben. Deshalb beantwortet sich die Frage nach meiner Heimat eigentlich fast von selbst.
Als ausgesprochener Großstadtmensch ist mein Heimatgefühl weniger emotional geprägt. Wo mehrere hunderttausend Menschen konzentriert sind, kennt man nur die unmittelbaren Nachbarn, man lebt im Wesentlichen anonym. Und trotzdem oder gerade deshalb fühlen sich die Menschen in dieser Lebensumwelt wohl.      
Meine Bindung an die Heimatstadt ist nicht immer gleich gewesen, sie hat sich im Laufe des Lebens verändert. Domimierten in der Jugendzeit und als junger Mann Gleichgültigkeit - ich wäre jederzeit bereit gewesen, mich anderswo niederzulassen - entwickelte sich später eine Hassliebe, die vorwiegend die hässlichen Seiten der Stadt deutlich machte, aber gleichzeitig feststellte, dass andere Städte noch hässlicher waren. Später, in den letzten Jahren der DDR, wuchs die Traurigkeit über den Verfall der alten Stadtquartiere, die den Krieg überstanden hatten und durch fehlende Reparaturen zu Ruinen wurden. Darüber wurde kaum gesprochen, es wurde verdrängt wie vieles.
Eigentlich habe ich erst jetzt ein unbefangenes Verhältnis zu meiner Heimatstadt, zu ihren Menschen und zu ihrer Tradition als eines der Zentren des geistigen Lebens in Deutschland.

top  Seitenanfang

Fragebogen zum Thema Heimat
  1. Was ist für Sie Heimat (Geburtsort? Wohnort? Wohnort der Eltern? Sonstiges? Und warum?) 
    Für mich ist Leipzig meine Heimatstadt. Hier bin ich geboren und aufgewachsen, hier habe ich bis auf wenige Jahre Zeit meines Lebens gewohnt. Diese Stadt war auch Geburts- und Wohnort meiner Eltern und der Wohnort meiner Großeltern. Auch wenn ich nach dem Tod meiner Frau allein lebe und meine 3 Söhne mit ihren Familien mehr oder weniger weit entfernt wohnen, fühle ich mich hier wohl.
     
  2. Haben Sie sich schon einmal über den Begriff Heimat unterhalten oder Gedanken gemacht, und wie ist dabei argumentiert worden?
    Der Begriff "Heimat" spielte in Gesprächen und Überlegungen sowohl in der Jugend als auch später keine Rolle. Erst vor etwa 2 Jahren stieß ich durch Zufall auf eine "Ahnentafel", die mein Vater in den 30er Jahren aufgestellt hatte und darin auf einen Vorfahren, der um 1835 aus dem Kanton Zürich nach Suhl in Thüringen übergesiedelt war. Bei meinen Recherchen dazu fand ich dann Informationen zum Schweizer Heimatrecht. 
     
  3. Welche Rolle kann Ihrer Meinung nach bei dem Begriff Heimat die Sprache oder der Dialekt spielen? 
    Die Muttersprache halte ich für das entscheidende Kriterium bei der Bestimmung der Heimat eines Menschen. Der Dialekt ist zweitrangig. Und dennoch: ich empfinde ein merkwürdiges Gefühl der Vertrautheit, wenn ein Gesprächspartner seine sächsische Herkunft nicht verbergen kann.
     
  4. Wie ist Ihre Meinung zu der Ansicht, dass jemand zwei Heimaten haben kann?
    Da für mich diese Frage nie stand, kann ich dazu auch nichts sagen. Ich könnte mir aber vorstellen, anderswo zu leben.
     
  5. In welchem Zusammenhang ist Ihnen der Begriff Heimat in Büchern, Presse, Funk, Fernsehen etc. schon begegnet, und wie wurde er dort verwendet? Welche Verwendungsweisen schienen Ihnen sinnvoll welche nicht?
    Die erste Begegnung waren die Heimatkundestunden in der 3. oder 4. Klasse. Während des Krieges kamen die Heimatlieder für die Soldaten und seltener der Heimaturlaub. Eine Verwundung konnte ein Heimatschuss sein. Gegen Kriegsende und in der Nachkriegszeit tauchte dann mit den Flüchtlings- und Vertriebenenströmen der Begriff von der verlorenen Heimat auf.
    In der DDR gab es zwar Gedichte und Lieder über die deutsche Heimat, hauptsächlich von Autoren, die während der Nazizeit im Exil gelebt hatten, aber mit dem Übergang zum Aufbau des Sozialismus wurde zunehmend verbreitet, dass Heimat nicht mehr Deutschland oder eine deutsche Region war, sondern die sozialistische DDR.
    Heimatliebe und Heimatgefühl wurden und werden überall in der Welt und in allen politischen Lagern zur Manipulierung der Menschen missbraucht.
     
  6. Kann es Ihrer Meinung nach sein, dass die Kinder und Enkel eine andere Vorstellung von Heimat haben, und wie unterscheidet diese sich von der Meinung der Eltern bzw. Großeltern?
    Auf jeden Fall, ebenso wie sich unsere Vorstellungen von denen unserer Großeltern unterscheiden. Die zunehmende Flexibilität und Unabhängigkeit von einem Ort wird in Verbindung mit der Bildung von Freundschaften und Partnerschaften über Ländergrenzen hinweg die Entwicklung zum "Weltbürgertum", einem Ideal der Aufklärung, fördern.
     
  7. Was kann Ihrer Meinung nach bei der Feststellung: HIER IST MEINE HEIMAT alles eine Rolle spielen?
    Zu dem. was Heimat ausmacht, gehören viele mehr oder weniger bedeutsame Dinge. Neben den Menschen, der Sprache, der Landschaft, der Kultur im Allgemeinen gehören auch der Stolz auf kulturelle Institutionen, bedeutende Persönlichkeiten, historische Traditionen dazu, aber auch die heimatlichen Speisen und Getränke und vielleicht auch der Fußballverein.
top  Seitenanfang

Meine persönlichen Erkenntnisse und Erfahrungen aus Heimat und Fremde

Die virtuelle Lerngruppe "Heimat und Fremde" war für mich zunächst ein interessantes Experiment mit ungewissem Ausgang. Dabei lockte mich weniger das Thema - obwohl es mir von den 4 in Bad Urach angebotenen am meisten zusagte - als die technischen und organisatorischen Mittel, mit denen gearbeitet werden sollte. Da war auch der Reiz, etwas Neues auszuprobieren, für das es in dieser Form noch keine Bespiele gab. Ich freute mich schließlich, dass ich in dieser Gruppe eine Reihe alter Bekannter traf, die ich vom Senioren-Infomobil in Leipzig, von früheren Seminaren in Bad Urach oder aus dem Projekt "Gestern war heute" kannte.
Bald merkte ich, dass die Beschäftigung mit Heimat und Fremde eine sehr spannende Angelegenheit war. Ich konnte meinem persönlichen Verständnis von meiner Heimatstadt neue Seiten abgewinnen, indem ich mich nicht nur selbst intensiver damit auseinander setzte, was Heimat bedeutet, sondern auch die Gedanken der anderen Freunde kennen lernte oder ihren Hinweisen auf Quellen nachgehen konnte. Mein Ehrgeiz war geweckt! Und wenn ich mir heute anschaue, was wir in 18 Monaten gesammelt, erörtert und zusammengefasst haben, staune ich immer wieder.
Dass man sich in einer Gruppe verabredet, gemeinsam über ein bestimmtes Thema zu diskutieren und dabei die Kenntnisse aller Beteiligten zu erweitern, ist sicher nichts Außergewöhnliches. Wenn das aber ohne ständigen persönlichen Kontakt, nur über das Internet erfolgt, ist das schon etwas Besonderes. Wir waren nicht nur durch die sachlichen Inhalte miteinander verbunden, sondern auch persönlich vertraut, kannten Sorgen und Freuden der anderen und spürten die Entfernungen nicht - so als wenn man irgendwo zusammensitzt.
Hier muss ich auch das Hinzukommen von Madeleine erwähnen. Ich lernte sie kennen, als sie sich im Januar 2001 über die SIG-Mailingliste gemeldet und ich ihr geantwortet hatte. Und dann schwebte sie hinein in unseren Reigen, wie sie in ihrem poetischen Erfahrungsbericht schreibt. Obwohl ich ihr bisher nicht persönlich begegnet bin, ist sie für mich wie eine Nachbarin, eine Kommilitonin oder eine Kollegin, die man lange kennt und die man mit Freude begrüßt, wenn man sie trifft.
Ich bin sicher, dass dieser freundschaftliche Kontakt innerhalb der Gruppe vor allem durch die Kombination der verschiedenen Formen der Nutzung des Internets - E-Mail, Diskussionsforum, Chat, Website - möglich geworden ist. Es ist eigentlich fast selbstverständlich, dass daraus der Wunsch nach realen Kontakten entstanden ist und mehrfach realisiert wurde.
Einen persönlichen Erkenntnisgewinn hatte ich auch im Umgang mit den neuen Medien. Ich fühlte mich zwar am Anfang unseres Projekts sicher im Umgang mit meinem PC und beim Bewegen im Internet. Das Senden und Empfangen von E-Mails mit oder ohne Anlagen unterschiedlicher Art und die Arbeit mit einem Diskussionsforum waren für mich keine Probleme, ebenso das systematische Recherchieren im Internet. Auch Chat hatte ich schon praktiziert und ebenso erste Erfahrungen in der Gestaltung und Programmierung von Websites. Die Nutzung dieser Kenntnisse und Erfahrungen im Rahmen einer Lerngruppe war jedoch auch für mich etwas Neues. Ich habe meine Aversionen gegenüber dem Chatten überwunden. Vor allem aber konnte ich meine Fertigkeiten im Webdesign und in html-Programmierung durch die regelmäßige Aktualisierung und Erweiterung unserer Website vervollkommnen. Ich habe auch versucht, den anderen Freunden bei Bedarf mit Rat zu helfen.

top  Seitenanfang      back  Zurück       Wenn Sie Fragen haben: E-Mail an Volkmar Gimpel